indessen sehr enttäuscht, denn die Augenflecken erscheinen flach oder selbst concav. Doch erklärte mir Mr. Gould die Sache sehr bald, denn er hielt die Federn aufrecht, in der Stellung, in welcher sie naturgemäss entfaltet werden würden; sobald nun das Licht von oben auf sie fällt, gleicht jeder Augenfleck sofort jenem ornamentalen Motive, das man Kugel- und Sockel-Verzierung nennt. Diese Federn sind mehreren Künstlern gezeigt worden, und alle haben ihre Bewunderung über die vollkommene Schattirung ausgedrückt. Man darf wohl fragen, ob solche künstlerisch schattirte Verzierungen durch die Thätigkeit der geschlechtlichen Zuchtwahl gebildet sein können. Es wird aber zweckmässig sein, die Antwort auf diese Frage bis dahin zu verschieben, wenn wir im nächsten Capitel von dem Principe der stufenweisen Entwickelung sprechen.
Die vorstehenden Bemerkungen beziehen sich auf die Schwungfedern zweiter Ordnung; aber die Schwungfedern erster Ordnung, welche bei den meisten hühnerartigen Vögeln gleichförmig gefärbt sind, stellen beim Argusfasan nicht weniger wundervolle Objecte dar. Sie sind von einer weichen, braunen Färbung mit zahlreichen dunklen Flecken, von denen jeder aus zwei oder drei schwarzen Flecken mit einer umgebenden dunklen Zone besteht. Aber die hauptsächlichste Verzierung besteht in einem parallel dem dunkelblauen Schafte laufenden Raume, welcher in seiner Contour eine vollkommene zweite Feder darstellt, welche innerhalb der wahren Feder drin liegt. Dieser innere Theil ist heller kastanienbraun gefärbt und ist dicht mit äusserst kleinen weissen Punkten gefleckt. Ich habe diese Feder mehreren Personen gezeigt, und viele haben sie selbst noch mehr bewundert als die Kugel- und Sockel-Federn und haben erklärt, dass sie mehr einem Kunstwerke als einem Naturgegenstande gliche. Diese Federn werden nun bei allen gewöhnlichen Veranlassungen gänzlich verborgen, werden aber, zusammen mit den langen Federn der zweiten Ordnung, vollständig entfaltet, wobei sie sämmtlich zusammen so ausgebreitet werden, dass sie einen grossen Fächer oder ein grosses Schild bilden.
Der Fall bei dem männlichen Argusfasan ist ausserordentlich interessant, weil er einen guten Beleg dafür darbietet, dass die raffinirteste Schönheit nur als Reizmittel für das Weibchen dienen kann und zu keinem andern Zwecke. Dass dies der Fall ist, müssen wir daraus folgern, dass die Schwungfedern erster Ordnung niemals entfaltet
Charles Darwin: Die Abstammung des Menschen und die geschlechtliche Zuchtwahl, II. Band. E. Schweizerbart'sche Verlagshandlung (E. Koch), Stuttgart 1875, Seite 84. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:DarwinAbstammungMensch2.djvu/98&oldid=- (Version vom 31.7.2018)