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ersten Blick wahrscheinlich zu sein, dass der Mann seinen Bart von einer sehr frühen Periode her behalten hat, während die Frau ihren Bart zu der nämlichen Zeit verloren hat, als ihr Körper beinahe vollständig von Haaren entblösst wurde. Selbst die Farbe des Bartes beim Menschen scheint von einem affenähnlichen Urerzeuger geerbt worden zu sein; denn wenn irgend eine Verschiedenheit im Farbentone zwischen dem Haare auf dem Kopfe und dem Barte vorhanden ist, so ist der letztere bei allen Affen und beim Menschen heller gefärbt. Bei denjenigen Quadrumanen, bei welchen die Männchen einen grösseren Bart haben als die Weibchen, ist derselbe vollständig nur zur Zeit der Geschlechtsreife entwickelt, genau wie beim Menschen, und es ist wohl möglich, dass nur die späteren Entwicklungsstufen vom Menschen beibehalten worden sind. Der Thatsache, dass der Bart von einer frühen Zeit her beibehalten worden ist, steht die Thatsache entgegen, dass er bei verschiedenen Rassen und selbst innerhalb der Grenzen einer und derselben Rasse sehr variabel ist; dies deutet nämlich darauf hin, dass Rückschlag in Thätigkeit getreten ist; denn lange verloren gewesene Charactere variiren sehr gern, wenn sie wiedererscheinen.

Wir dürfen auch die Rolle nicht übersehen, welche die geschlechtliche Zuchtwahl während späterer Zeiten gespielt haben kann; denn wir wissen, dass bei Wilden die Männer der bartlosen Rassen sich unendliche Mühe geben, jedes einzelne Haar aus ihrem Gesichte als etwas Widerwärtiges auszureissen, während die Männer der behaarteren Rassen den grössten Stolz in ihren Bart setzen. Ohne Zweifel theilen die Frauen ganz diese Gefühle, und wenn dies der Fall ist, so kann es kaum anders sein, als dass geschlechtliche Zuchtwahl im Verlaufe der späteren Zeiten eine Wirkung geäussert hat. Es ist auch möglich, dass der lange fortgesetzte Gebrauch, das Haar auszureissen, eine vererbte Wirkung hervorgebracht hat. Dr. Brown-Séquard hat gezeigt, dass, wenn man bei gewissen Thieren eine eigenthümliche Operation ausführt, deren Nachkommen afficirt werden. Noch weitere Belege über die Vererbung der Wirkung von Verstümmelungen könnten beigebracht werden; doch hat eine vor Kurzem von Mr. Salvin ermittelte Thatsache[1] eine noch directere Beziehung zu den vorliegenden Fragen. Er hat nämlich gezeigt, dass bei den Motmots, welche


  1. Ueber die Schwanzfedern der Motmots. in: Proceed. Zool. Soc. 1873, p. 429.
Empfohlene Zitierweise:
Charles Darwin: Die Abstammung des Menschen und die geschlechtliche Zuchtwahl, II. Band. E. Schweizerbart'sche Verlagshandlung (E. Koch), Stuttgart 1875, Seite 358. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:DarwinAbstammungMensch2.djvu/372&oldid=- (Version vom 31.7.2018)