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finden wir, dass sicher eine verschiedene Sprache der Musik besteht. Gesänge der Freude und Begleitung zum Tanze sind nicht länger wie bei uns in den Dur-, sondern immer in den Molltonarten“. Mögen nun die halbmenschlichen Urerzeuger des Menschen, wie die singenden Gibbons, die Fähigkeit, musikalische Töne hervorzubringen und daher auch ohne Zweifel zu würdigen, besessen haben oder nicht, so wissen wir doch, dass der Mensch diese Fähigkeiten in einer sehr weit zurückliegenden Periode besass. Lartet hat zwei, aus Knochen und Geweihstücken des Renthiers gefertigte Flöten beschrieben, welche in Höhlen zusammen mit Feuersteinwerkzeugen und den Resten ausgestorbener Thiere gefunden worden sind. Auch die Künste des Singens und Tanzens sind sehr alt und werden jetzt von allen oder beinahe allen niedrigsten Menschenrassen geübt. Die Poesie, welche als das Kind des Gesanges betrachtet werden kann, ist gleichfalls so alt, dass viele Personen darüber ein Erstaunen erfüllt hat, dass sie während der frühesten Zeiten, von denen wir überhaupt einen Bericht haben, entstanden sein sollte.

Die musikalischen Fähigkeiten, welche keiner Rasse vollständig fehlen, sind einer prompten und bedeutenden Entwickelung fähig, wie wir bei Hottentotten und Negern sehen, welche ausgezeichnete Musiker geworden sind, obschon sie in ihren Heimathsländern nur selten etwas ausüben, was wir als Musik betrachten würden. Schweinfurth wurde indess von einigen der einfachen Melodien, welche er im Innern von Africa hörte, angenehm berührt. Es liegt aber in dem Umstande, dass musikalische Fähigkeiten beim Menschen schlummern können, nichts Abnormes: einigen Species von Vögeln, welche von Natur niemals singen, kann ohne grosse Schwierigkeit das Singen gelehrt werden; so hat ein Haussperling den Gesang eines Hänflings gelernt. Da diese beiden Species nahe verwandt sind und zur Ordnung der Insessores gehören, welche beinahe alle Singvögel der Welt umfasst, so ist es möglich, dass der Urerzeuger des Sperlings ein Sänger gewesen sein kann. Es ist eine viel merkwürdigere Thatsache, dass Papageien, welche zu einer von den Insessores verschiedenen Gruppe gehören und verschieden gebaute Stimmorgane haben, nicht bloss gelehrt werden können zu sprechen, sondern auch von Menschen erfundene Melodien zu pfeifen oder zu singen, so dass sie einige musikalische Fähigkeit haben müssen. Nichtsdestoweniger wäre es äusserst voreilig, anzunehmen, dass die Papageien von irgend einem alten Vorfahren


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Charles Darwin: Die Abstammung des Menschen und die geschlechtliche Zuchtwahl, II. Band. E. Schweizerbart'sche Verlagshandlung (E. Koch), Stuttgart 1875, Seite 314. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:DarwinAbstammungMensch2.djvu/328&oldid=- (Version vom 31.7.2018)