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derartiger Schwingungen und durch den Mangel der Harmonie unter sich weicht ein Geräusch von einem musikalischen Tone ab. Soll daher ein Ohr im Stande sein, Geräusche zu unterscheiden – und die hohe Bedeutung dieser Fähigkeit für alle Thiere wird von Jedermann zugegeben –, so muss es auch für musikalische Töne empfindlich sein. Für das Vorhandensein dieser Fähigkeit haben wir selbst bei sehr tief in der Thierreihe stehenden Formen Beweise: so haben Krustenthiere Hörhaare von verschiedener Länge, welche man hat schwingen sehen, wenn die richtigen musikalischen Töne angeschlagen wurden.[1] Wie in einem früheren Capitel angeführt wurde, sind ähnliche Beobachtungen auch über die Haare an den Antennen der Mücken gemacht worden. Von guten Beobachtern ist positiv behauptet worden, dass Spinnen von Musik angezogen werden. Es ist auch ganz bekannt, dass manche Hunde heulen, wenn sie besondere Töne hören.[2] Robben würdigen offenbar die Musik; ihre Vorliebe für solche „war den Alten ganz wohl bekannt und noch heutigen Tages ziehen Jäger Vortheil aus derselben“.[3]

Soweit daher die blosse Wahrnehmung musikalischer Töne in Betracht kommt, scheint in Bezug auf den Menschen ebensowenig wie auf irgend ein anderes Thier eine besondere Schwierigkeit vorzuliegen. Helmholtz hat mit physiologischen Gründen erklärt, warum Consonanzen dem menschlichen Ohre angenehm, Dissonanzen unangenehm sind; wir haben es aber hier nur wenig mit diesen zu thun, da harmonische Musik eine späte Erfindung ist. Wir haben es hier mehr mit der Melodie zu thun, und auch da ist es, Helmholtz zufolge, wohl einzusehen, warum die Töne unsrer musikalischen Tonleiter benutzt werden. Das Ohr zerlegt alle Klänge in die dieselben zusammensetzenden „einfachen Schwingungen“, wenngleich wir uns dieser Analyse nicht bewusst sind. Bei einem musikalischen Tone ist die tiefste jener Schwingungen allgemein die vorherrschende, die anderen, weniger deutlich ausgesprochenen, sind die Octave, Duodecime, Doppeloctave u. s. w., sämmtlich harmonisch zu dem vorherrschenden Grundton;


  1. Helmholtz, Die Lehre von den Tonempfindungen, 3. Aufl. 1870, p. 234.
  2. Berichte in diesem Sinne sind verschiedene veröffentlicht worden. Mr. Peach schreibt mir, dass er wiederholt beobachtet hat, wie ein alter Hand von ihm heulte, wenn B auf der Flöte geblasen wird, aber bei keinem andern Tone. Ich will noch einen andern Fall von einem Hunde anführen, der stets winselte, wenn ein bestimmter Ton auf einer verstimmten Concertine gespielt wurde.
  3. R. Brown, in: Proceed. Zoolog. Soc. 1868, p. 410.
Empfohlene Zitierweise:
Charles Darwin: Die Abstammung des Menschen und die geschlechtliche Zuchtwahl, II. Band. E. Schweizerbart'sche Verlagshandlung (E. Koch), Stuttgart 1875, Seite 312. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:DarwinAbstammungMensch2.djvu/326&oldid=- (Version vom 31.7.2018)