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als Vertheidigungsmittel für das Männchen während seiner Kämpfe; ob aber das Haar in den meisten Fällen speciell zu diesem Zwecke entwickelt worden ist, ist sehr zweifelhaft. Wir können ziemlich sicher sein, dass dies nicht der Fall ist, wenn nur ein dünner und schmaler Haarkamm der ganzen Länge des Rückens entlang läuft; denn ein Haarkamm dieser Art würde kaum irgend welchen Schutz darbieten und die Kante des Rückens ist nicht wohl eine gerade verletzliche Stelle. Nichtsdestoweniger sind derartige Haarkämme zuweilen auf die Männchen beschränkt oder sind bei ihnen viel mehr entwickelt als bei den Weibchen. Zwei Antilopen, der Tragelaphus scriptus[1] (Fig. 70, S. 278) und Portax picta, mögen als Beispiel angeführt werden. Die Haarkämme gewisser Hirsche und des wilden Ziegenbockes stehen aufrecht, wenn diese Thiere in Wuth oder Schrecken versetzt werden.[2] Es lässt sich aber kaum vermuthen, dass dieselben nur zu dem Zwecke entwickelt worden sind, damit bei ihren Feinden Furcht zu erregen. Eine der eben erwähnten Antilopen, Portax picta, hat einen grossen scharf umschriebenen Pinsel schwarzen Haares an der Kehle und dieser ist beim Männchen viel grösser als beim Weibchen. Bei dem Ammotragus tragelaphus von Nordafrica, einem Gliede der Familie der Schafe, sind die Vorderbeine beinahe gänzlich durch ein ausserordentliches Wachsthum von Haaren verborgen, welche vom Nacken und der oberen Hälfte der Beine herabhängen. Mr. Bartlett glaubt aber nicht, dass dieser Mantel für’s Männchen, bei welchem er viel mehr entwickelt ist als beim Weibchen, auch nur von dem geringsten Nutzen ist.

Männliche Säugethiere vieler Arten weichen von den Weibchen darin ab, dass sie mehr Haare oder Haare eines verschiedenen Characters an gewissen Theilen ihrer Gesichter haben. Der Bulle allein hat gekräuselte Haare an der Stirn.[3] Bei drei nahe verwandten Untergattungen der Familie der Ziegen besitzen allein die Männchen Bärte und zuweilen von bedeutender Grösse; in zwei anderen Untergattungen haben beide Geschlechter einen Bart, aber dieser verschwindet bei einigen domesticirten Rassen der gemeinen Ziege, und bei Hemitragus hat keines von beiden Geschlechtern einen Bart. Beim


  1. Dr. Gray, Gleanings from the Menagerie at Knowsley, pl. 28.
  2. Judge Caton über den Wapiti, in Transact. Ottawa Acad. Natur Scienc. 1868, p. 36, 40. Blyth, Land and Water, 1867, p. 37, über Capra aegagrus.
  3. Hunter’s Essays and Observations, edited by Owen. 1861. Vol. I, p. 236.
Empfohlene Zitierweise:
Charles Darwin: Die Abstammung des Menschen und die geschlechtliche Zuchtwahl, II. Band. E. Schweizerbart'sche Verlagshandlung (E. Koch), Stuttgart 1875, Seite 262. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:DarwinAbstammungMensch2.djvu/276&oldid=- (Version vom 31.7.2018)