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Concert an, in welches die Weibchen mit ihren weniger kraftvollen Stimmen zuweilen einstimmen und welches häufig mehrere Stunden lang fortgesetzt wird. Ein ausgezeichneter Beobachter, Rengger,[1] konnte nicht wahrnehmen, dass sie durch irgend eine specielle Ursache angeregt wurden, ihr Concert zu beginnen; er glaubt, dass sie wie viele Vögel an ihrer eigenen Musik Ergötzen finden und einander zu übertreffen suchen. Ob die meisten der vorstehend angeführten Affen ihre kräftigen Stimmen erlangt haben, um ihre Nebenbuhler zu besiegen und die Weibchen zu bezaubern, – oder ob die Stimmorgane durch die vererbten Wirkungen lange fortgesetzten Gebrauches gekräftigt und vergrössert worden sind, ohne dass irgend ein besonderer Vortheil dadurch erreicht wurde, – das will ich nicht zu entscheiden wagen. Doch scheint mindestens in Bezug auf den Fall von Hylobates agilis die erste Ansicht die wahrscheinlichste zu sein.

Ich will hier zwei sehr merkwürdige Eigenthümlichkeiten bei Robben erwähnen, weil mehrere Schriftsteller vermuthet haben, dass sie die Stimme afficiren. Die Nase des männlichen See-Elephanten (Macrorhinus proboscideus) ist, wenn das Thier ungefähr drei Jahre alt ist, während der Paarungszeit bedeutend verlängert und kann dann aufgerichtet werden. In diesem Zustande ist sie zuweilen einen Fuss lang. Das Weibchen ist auf keiner Periode des Lebens mit einem solchen Gebilde versehen. Das Männchen bringt ein wildes rauhes gurgelndes Geräusch hervor, welches in grosser Entfernung hörbar ist und von dem man glaubt, dass es durch den Rüssel verstärkt wird; die Stimme des Weibchens ist hiervon verschieden. Lesson vergleicht das Aufrichten des Rüssels mit dem Anschwellen der Fleischlappen männlicher hühnerartiger Vögel, während sie die Weibchen umwerben. Bei einer anderen verwandten Art von Robben, nämlich der Klappmütze (Cystophora cristata) ist der Kopf von einer grossen Haube oder Blase bedeckt. Diese wird innen durch die Nasenscheidewand gestützt, welche sehr weit nach rückwärts verlängert ist und sich in eine sieben Zoll hohe Leiste erhebt. Die Klappe ist mit kurzen Haaren bedeckt, und ist muskulös; sie kann aufgeblasen werden, bis sie an Grösse mehr als der ganze Kopf beträgt! In der Brunstzeit kämpfen die Männchen auf dem Eise wüthend mit einander und ihr Brüllen „soll dann zuweilen so laut sein, dass man es vier Meilen


  1. Naturgeschichte der Säugethiere von Paraguay. 1830, S. 15, 21.
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Charles Darwin: Die Abstammung des Menschen und die geschlechtliche Zuchtwahl, II. Band. E. Schweizerbart'sche Verlagshandlung (E. Koch), Stuttgart 1875, Seite 258. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:DarwinAbstammungMensch2.djvu/272&oldid=- (Version vom 31.7.2018)