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Antilocapra americana — das Vorhandensein zweier Stosszähne bei einigen wenigen männlichen Narwallen — das vollständige Fehlen von Stosszähnen bei einigen weiblichen Walrossen —, Alles dies sind Beispiele für die ausserordentliche Variabilität secundärer Sexualcharactere und ihrer ausserordentlichen Geneigtheit in nahe verwandten Formen verschieden zu werden.

Obgleich Stosszähne und Hörner in allen Fällen ursprünglich als Waffen zu geschlechtlichen Zwecken entwickelt worden zu sein scheinen, so dienen sie doch häufig auch zu anderen Zwecken. Der Elephant gebraucht seine Stosszähne, wenn er den Tiger angreift. Der Angabe Bruce's zufolge schneidet er die Stämme von Bäumen damit ein, bis sie leicht umgeworfen werden können und er holt sich damit auch das mehlige Mark von Palmen heraus. In Africa benutzt er oft den einen Stosszahn, und dieser ist immer einer und derselbe, dazu, den Boden zu untersuchen und sich zu vergewissern, ob er seine Last zu tragen im Stande ist. Der gemeine Bulle vertheidigt die Heerde mit seinen Hörnern; und nach Lloyd hat man in Schweden die Erfahrung gemacht, dass der Elk einen Wolf mit einem einzigen Schlage seines grossen Geweihes todt niederstreckte. Viele ähnliche Thatsachen liessen sich noch anführen. Eine der merkwürdigsten secundären Anwendungsweisen, zu welchen die Hörner irgend eines Thieres gelegentlich benutzt werden, ist die, welche Capitain Hutton, und zwar bei der wilden Ziege (Capra aegagrus) des Himalayas, beobachtet hat.[1] Dieselbe kommt, wie man sagt, auch beim Steinbock vor; stürzt nämlich das Männchen zufällig von einer Höhe herab, so biegt es seinen Kopf nach vorn ein und bricht durch das Fallen auf seine massiven Hörner die Wirkung des Stosses. Das Weibchen kann seine Hörner nicht in dieser Weise brauchen, da sie kleiner sind, aber wegen seiner ruhigeren Disposition bedarf es dieser merkwürdigen Art von Schutz nicht so nöthig.

Jedes männliche Thier benutzt seine Waffen in seiner eigenen eigenthümlichen Weise. Der gewöhnliche Widder macht einen Angriff und stösst dabei mit solcher Kraft mit den Basen seiner Hörner, dass ich gesehen habe, wie ein kräftiger Mann so leicht wie ein Kind über den Haufen gerannt wurde. Ziegen und gewisse Species von Schafen wie z. B. Ovis cycloceros von Afghanistan,[2] erheben sich auf ihren


  1. Calcutta Journal of Natural History. Vol. II. 1843, p. 526.
  2. Mr. Blyth, in: Land and Water, March, 1867, p. 134, nach der Autorität des Capt. Hutton und Anderer. Wegen der wilden Ziegen von Pembrokeshire s. The Field, 1869, p. 150.
Empfohlene Zitierweise:
Charles Darwin: Die Abstammung des Menschen und die geschlechtliche Zuchtwahl, II. Band. E. Schweizerbart'sche Verlagshandlung (E. Koch), Stuttgart 1875, Seite 232. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:DarwinAbstammungMensch2.djvu/246&oldid=- (Version vom 31.7.2018)