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wie bei Wilden der Geschmack des Weibchens für gewisse Farben oder andere Ornamentik nicht viele Generationen hindurch constant bleiben würde, dass zuerst eine Farbe, dann eine andere bewundert werden würde und folglich keine permanente Wirkung erreicht werden könnte. Wir können wohl zugeben, dass Geschmack etwas Schwankendes ist; er ist aber nicht durchaus arbiträr. Viel hängt von der Gewohnheit ab, wie wir beim Menschen sehen; und wir dürfen wohl schliessen, dass dies auch für Vögel und andere Thiere gilt. Selbst in unserem eigenen Anzuge bleibt der allgemeine Character lange bestehen und die Veränderung ist bis zu einem gewissen Grade abgestuft. An zwei Stellen eines späteren Capitels werden ausführliche Beweise dafür mitgetheilt werden, dass Wilde vieler verschiedenen Rassen viele Generationen hindurch dieselben Narben auf der Haut, dieselben in hässlicher Weise durchbohrten Lippen, Nasenflügel oder Ohren, misgestaltete Köpfe u. s. w. bewundert haben; und diese Entstellungen bieten zu den natürlichen Ornamenten verschiedener Thiere einige Analogie dar. Nichtsdestoweniger bleiben aber bei Wilden derartige Moden nicht immer bestehen, wie wir aus den in dieser Beziehung zu beobachtenden Verschiedenheiten zwischen verwandten Stämmen eines und desselben Continents schliessen können. So haben ferner die Züchter von Liebhaberrassen sicher viele Generationen hindurch dieselben Rassen bewundert und bewundern sie noch immer; sie wünschen entschieden unbedeutende Abänderungen herbei, welche als Veredelungen betrachtet werden; aber eine jede grosse oder plötzlich auftretende Veränderung wird als der grösste Fehler angesehen. Wir haben nun keinen Grund zu vermuthen, dass Vögel im Naturzustande einen völlig neuen Styl der Färbung bewundern würden, selbst wenn bedeutende und plötzliche Veränderungen häufig vorkämen, welches durchaus nicht der Fall ist. Wir wissen, dass Haustauben sich nicht gern mit den verschieden gefärbten Liebhaberrassen paaren, dass Albino-Vögel gewöhnlich keine Ehegenossen bekommen, und dass die schwarzen Raben der Faröer ihre gescheckten Brüder fortjagen. Aber dieser Widerwille gegen eine plötzliche Veränderung schliesst nicht aus, dass sie unbedeutende Abänderungen würdigen, ebenso wenig wie dies beim Menschen der Fall ist. Es scheint daher in Bezug auf den Geschmack, welcher von vielen Elementen abhängt, theils aber von Gewöhnung und theils von einer Vorliebe für Neuheit, nichts Unwahrscheinliches darin zu liegen, dass Thiere eine sehr lange Zeit

Empfohlene Zitierweise:
Charles Darwin: Die Abstammung des Menschen und die geschlechtliche Zuchtwahl, II. Band. E. Schweizerbart'sche Verlagshandlung (E. Koch), Stuttgart 1875, Seite 215. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:DarwinAbstammungMensch2.djvu/229&oldid=- (Version vom 31.7.2018)