Ich will noch die andern wenigen mir bekannten Fälle anführen, wo das Weibchen augenfälliger gefärbt ist als das Männchen, obschon über ihre Art des Brütens nichts bekannt ist. Bei dem Geierbussard der Falkland-Inseln (Milvago leucurus) war ich sehr überrascht, bei der Zergliederung zu finden, dass die Individuen, welche stärker ausgesprochene Färbungen zeigten und deren Wachshaut und Beine orange gefärbt waren, die erwachsenen Weibchen waren, während diejenigen mit trüberem Gefieder und grauen Beinen die Männchen oder die Jungen waren. Bei einem australischen Baumläufer (Climacteris erythrops) weicht das Weibchen darin vom Männchen ab, dass es „mit schönen strahlenförmigen röthlichen Zeichnungen an der Kehle geschmückt ist, während beim Männchen diese Theile völlig gleichfarbig sind“. Endlich übertrifft bei einem australischen Ziegenmelker „das Weibchen immer das Männchen an Grösse und an dem Glanze der Färbung; andererseits haben die Männchen zwei weisse Flecke auf den Schwingen erster Ordnung augenfälliger entwickelt als die Weibchen“.[1]
Wir sehen hieraus, dass die Fälle, in denen die weiblichen Vögel auffallender gefärbt sind als die Männchen und wo die Jungen in ihrem unreifen Gefieder den erwachsenen Männchen, anstatt wie in der vorhergehenden Classe den erwachsenen Weibchen, gleichen, nicht zahlreich sind, obschon sie sich auf verschiedene Ordnungen vertheilen. Auch ist der Betrag an Verschiedenheit zwischen den Geschlechtern unvergleichlich geringer, als wie er häufig in der letzten Classe auftritt,
- ↑ In Bezug auf den Milvago s. Zoology of the Voyage of the Beagle, Birds, 1841, p. 16. Wegen der Climacteris und des Ziegenmelkers (Eurostopodus) s. Gould, Handbook to the Birds of Australia, Vol. I, p. 602 und 97. Die Neu-Seeländische Brandente (Tadorna variegata) bietet einen völlig anomalen Fall dar; der Kopf des Weibchens ist rein weiss und sein Rücken ist röther als der des Männchens; der Kopf des Männchens ist von einer kräftigen dunkelbronzenen Farbe und sein Rücken ist mit schön gestrichelten schieferfarbigen Federn bedeckt, so dass es durchaus als das Schönere von den beiden betrachtet werden kann. Es ist grösser und kampfsüchtiger als das Weibchen und sitzt nicht auf den Eiern. Es fällt daher diese Species in allen diesen Beziehungen unter unsere erste Classe von Fällen. Mr. Sclater war aber sehr überrascht, zu beobachten (Proceed. Zoolog. Soc. 1866, p. 150), dass die Jungen beider Geschlechter, wenn sie ungefähr drei Monate alt sind, in ihren dunklen Köpfen und Hälsen den erwachsenen Männchen ähnlich sind, statt es den erwachsenen Weibchen zu sein; so dass es in diesem Falle scheinen möchte, als wären die Weibchen modificirt worden, während die Männchen und Jungen einen frühern Zustand des Gefieders behalten haben.
Charles Darwin: Die Abstammung des Menschen und die geschlechtliche Zuchtwahl, II. Band. E. Schweizerbart'sche Verlagshandlung (E. Koch), Stuttgart 1875, Seite 191. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:DarwinAbstammungMensch2.djvu/205&oldid=- (Version vom 31.7.2018)