in Bezug auf die Folgerung, dass Färbungen, welche uns trübe erscheinen, auch den Weibchen gewisser Species nicht anziehend sind, vorsichtig sein; wir sollten derartige Fälle im Sinne behalten, wie den gemeinen Haussperling, bei welchem das Männchen bedeutend vom Weibchen abweicht, aber keine hellen Farbentöne darbietet. Wahrscheinlich wird Niemand bestreiten wollen, dass viele hühnerartige Vögel, welche auf offenem Grunde leben, ihre jetzigen Färbungen wenigstens zum Theile als Schutzmittel erlangt haben. Wir wissen, wie gut sie durch dieselben sich verbergen können; wir wissen, dass Schneehühner, während sie ihr Wintergefieder in das Sommerkleid umwandeln, die ja beide für sie protectiv sind, bedeutend durch Raubvögel leiden. Können wir aber wohl annehmen, dass die sehr unbedeutenden Verschiedenheiten in den Farbennuancen und Zeichnungen z. B. zwischen dem weiblichen Birkhuhn und Moorhuhn als Schutzmittel dienen? Sind Rebhühner, so wie sie jetzt gefärbt sind, besser geschützt, als wenn sie Wachteln ähnlich geworden wären? Dienen die unbedeutenden Verschiedenheiten zwischen den Weibchen des gemeinen Fasanen, des Japanesischen und Gold-Fasanen zum Schutze oder hätte ihr Gefieder nicht ohne weitern Nachtheil vertauscht werden können? Nach dem, was Mr. Wallace von der Lebensweise gewisser hühnerartigen Vögel des östlichen Asiens beobachtet hat, glaubt er, dass solche geringe Verschiedenheiten wohlthätig sind. Was mich betrifft, so will ich nur sagen, dass ich nicht überzeugt bin.
Als ich früher noch geneigt war, ein grosses Gewicht auf das Princip des Schutzes zu legen, als Erklärungsmittel der weniger hellen Farben weiblicher Vögel, kam mir der Gedanke, dass möglicherweise ursprünglich beide Geschlechter und die Jungen in gleichem Grade hell gefärbt gewesen sein könnten, dass aber später die Weibchen wegen der während der Brütezeit erwachsenen Gefahr und die Jungen wegen ihrer Unerfahrenheit behufs eines Schutzes dunkler geworden seien. Diese Ansicht wird aber durch keine Beweise unterstützt und ist nicht wahrscheinlich; denn wir setzen damit in unserer Vorstellung die Weibchen und die Jungen während vergangener Zeiten Gefahren aus, vor denen die modificirten Nachkommen derselben zu schützen sich später als nothwendig herausgestellt hätte. Wir hätten auch durch einen allmählichen Process der Zuchtwahl die Weibchen und die Jungen auf beinahe genau dieselben Färbungen und Zeichnungen zurückzuführen und diese auf das entsprechende Geschlecht und Lebensalter
Charles Darwin: Die Abstammung des Menschen und die geschlechtliche Zuchtwahl, II. Band. E. Schweizerbart'sche Verlagshandlung (E. Koch), Stuttgart 1875, Seite 184. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:DarwinAbstammungMensch2.djvu/198&oldid=- (Version vom 31.7.2018)