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anstatt einander vollständig gleich zu sein, in einem unbedeutenden Grade von einander abweichen, wie es in unserer sechsten Classe der Fall ist. Diese traditionellen Fälle sind indessen nur wenig der Zahl nach oder mindestens nicht scharf ausgesprochen im Vergleich mit denen, welche ganz streng unter die vorliegende Rubrik fallen.

Die Kraft des vorliegenden Gesetzes zeigt sich sehr wohl in denjenigen Gruppen, in welchen der allgemeinen Regel nach die beiden Geschlechter und die Jungen sämmtlich einander gleich sind; denn wenn das Männchen in diesen Gruppen wirklich vom Weibchen verschieden ist, wie bei gewissen Papageien, Eisvögeln, Tauben u. s. w., so sind die Jungen beider Geschlechter dem erwachsenen Weibchen ähnlich.[1] Wir sehen die nämliche Thatsache noch deutlicher in gewissen anomalen Fällen ausgesprochen; so weicht das Männchen von Heliothrix auriculata (einem Colibri) augenfällig vom Weibchen darin ab, dass es eine prachtvolle Kehle und schöne Ohrbüschel hat; das Weibchen ist aber dadurch merkwürdig, dass es einen viel längeren Schwanz hat als das Männchen. Nun sind die Jungen beider Geschlechter (ausgenommen, dass die Brust mit Bronze gefleckt ist) den erwachsenen Weibchen mit Einschluss der Länge des weiblichen Schwanzes ähnlich, so dass der Schwanz des Männchens factisch mit dem Erreichen des Reifezustandes kürzer wird, was ein äusserst ungewöhnlicher Umstand ist.[2] Ferner ist das Gefieder des männlichen Sägetauchers (Mergus merganser) auffallender gefärbt und die Schulterfedern und Schwingen zweiter Ordnung sind viel länger als beim Weibchen; aber verschieden von dem, was soviel ich weiss bei allen übrigen Vögeln vorkommt, ist der Federkamm des erwachsenen Männchens,


  1. s. z. B. Mr. Gould's Beschreibung von Cyanalcyon, einem der Eisvögel (Handbook to the Birds of Australia. Vol. I, p. 133), bei welchem indessen das junge Männchen, obschon es dem erwachsenen Weibchen ähnlich ist, weniger brillant gefärbt ist. In einigen Species von Dacelo haben die Männchen blaue Schwänze und die Weibchen braune; und Mr. R. B. Sharpe theilt mir mit, dass der Schwanz des jungen Männchens von D. Gaudichaudii anfangs braun ist. Mr. Gould hat (a. a. O. Vol. II, p. 14, 20, 37) die Geschlechter und die Jungen gewisser schwarzer Cacadus und des Königs-Loris beschrieben, bei welchen dasselbe Gesetz herrscht. B. auch Jerdon, Birds of India. Vol. I, p. 260, über Palaeornis rosa, bei dem die Jungen mehr gleich dem Weibchen als dem Männchen sind. s. Audubon, Ornithol. Biography. Vol. II, p. 745, über die beiden Geschlechter und die Jungen von Columba passerina.
  2. Ich verdanke die Kenntniss dieser Thatsache Mr. Gould, welcher mir die Exemplare zeigte; s. auch seine Introduction to the Trochilidae. 1861, p. 120.
Empfohlene Zitierweise:
Charles Darwin: Die Abstammung des Menschen und die geschlechtliche Zuchtwahl, II. Band. E. Schweizerbart'sche Verlagshandlung (E. Koch), Stuttgart 1875, Seite 175. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:DarwinAbstammungMensch2.djvu/189&oldid=- (Version vom 31.7.2018)