die Jungen der verschiedenen Arten einander nicht ähnlicher sein, als es die Eltern sind; auch können sie keine auffallenden Aehnlichkeiten mit verwandten Formen in ihrem erwachsenen Zustande darbieten. Sie geben uns nur wenig Aufklärung über das Gefieder ihrer Urerzeuger, ausgenommen insoweit als es wahrscheinlich ist, dass, wenn die jungen und die alten Vögel durch eine ganze Gruppe von Species hindurch in einer und der nämlichen Art und Weise gefärbt sind, auch ihre Urerzeuger ähnlich gefärbt waren.
Wir wollen nun die Classen von Fällen oder die Regeln betrachten, unter welche die Verschiedenheiten und Aehnlichkeiten zwischen dem Gefieder der jungen und alten Vögel entweder beider Geschlechter oder eines Geschlechts allein gruppirt werden können. Gesetze dieser Art wurden zuerst von Cuvier ausgesprochen; mit dem Fortschreiten der Erkenntniss bedürfen sie indessen einiger Modification und Erweiterung. Dies habe ich, soweit es die ausserordentliche Complicirtheit des Gegenstandes gestattet, nach Belehrungen, die ich aus verschiedenen Quellen schöpfte, zu thun versucht; es ist aber eine erschöpfende Abhandlung über diesen Gegenstand von irgend einem competenten Ornithologen ein dringendes Bedürfniss. Um darüber zu einer Gewissheit zu gelangen, in welcher Ausdehnung jede dieser Regeln gilt, habe ich die in vier umfangreichen Werken mitgetheilten Thatsachen tabellarisch zusammengestellt, nämlich nach Macgillivray über die Vögel von Grossbritannien, nach Audubon über die nordamericanischen Vögel, nach Jerdon über die Vögel von Indien und nach Gould über die von Australien. Ich will hier noch vorausschicken erstens, dass die verschiedenen Fälle oder Regeln allmählich in einander übergehen, und zweitens, dass, wenn gesagt wird, die Jungen glichen ihren Eltern, damit nicht gemeint sein soll, sie wären ihnen identisch gleich; denn ihre Farben sind beinahe immer etwas weniger lebhaft, auch sind die Federn weicher und oft von einer verschiedenen Form.
I. Wenn das erwachsene Männchen schöner oder in die Augen fallender ist als das erwachsene Weibchen, so sind die Jungen beider Geschlechter in ihrem ersten Federkleide dem erwachsenen Weibchen sehr ähnlich, wie beim gemeinen Huhn und dem Pfau; oder, wie es gelegentlich vorkommt, sie sind diesem viel ähnlicher als dem erwachsenen Männchen.
Charles Darwin: Die Abstammung des Menschen und die geschlechtliche Zuchtwahl, II. Band. E. Schweizerbart'sche Verlagshandlung (E. Koch), Stuttgart 1875, Seite 173. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:DarwinAbstammungMensch2.djvu/187&oldid=- (Version vom 31.7.2018)