Seite:DarwinAbstammungMensch2.djvu/176

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

die Weibchen, oder selbst sehr verschieden von jenen. So ist neben anderen scharf ausgesprochenen Verschiedenheiten die ganze untere Fläche des männlichen Königslori (Aprosmictus scapulatus) scharlachroth, während die Kehle und Brust des Weibchens grün mit Roth gefärbt ist. Bei der Euphema splendida besteht eine ähnliche Verschiedenheit; das Gesicht und die Flügeldeckfedern des Weibchens sind ausserdem von einem blasseren Blau als beim Männchen.[1] In der Familie der Meisen (Parinae), welche verborgene Nester bauen, ist das Weibchen unserer Blaumeise (Parus caeruleus) „viel weniger hell gefärbt“ als das Männchen, und bei der prachtvollen gelben Sultanmeise von Indien ist die Verschiedenheit noch grösser.[2]

Es sind ferner in der grossen Gruppe der Spechte[3] die Geschlechter allgemein nahezu gleich, aber bei dem Megapicus validus sind alle die Theile des Kopfes, des Halses und der Brust, welche bei den Männchen carmoisinroth sind, beim Weibchen blassbraun. Da bei mehreren Spechten der Kopf hell scharlachroth ist, während der des Weibchens einfach gefärbt ist, so kam mir der Gedanke, dass diese Färbung möglicherweise das Weibchen in einem gefährlichen Grade auffallend machen würde, sobald es seinen Kopf aus der das Nest enthaltenden Höhle herausstreckt, und dass in Folge hiervon diese Färbung in Uebereinstimmung mit der Ansicht Mr. Wallace's beseitigt worden sei. Diese Ansicht wird durch das unterstützt, was Malherbe in Bezug auf den Indopicus carlotta angibt, dass nämlich die jungen Weibchen ganz ebenso wie die jungen Männchen etwas Scharlachroth um ihren Kopf haben, dass aber diese Färbung bei dem erwachsenen Weibchen verschwindet, während sie bei dem erwachsenen Männchen noch intensiver wird. Aber trotz dem Allem machen die folgenden Betrachtungen diese Ansicht doch äusserst zweifelhaft. Das Männchen nimmt einen gehörigen Theil an der Bebrütung[4] und würde soweit beinahe ebenso der Gefahr ausgesetzt sein; beide Geschlechter vieler Species haben


  1. Bei den Papageien von Australien lässt sich in der Verschiedenheit zwischen den Geschlechtern jede Abstufung verfolgen, s. Gould's Handbook. Vol. II, p. 14—102.
  2. Macgillivray. History of British Birds. Vol. II, p. 433. Jerdon, Birds of India. Vol. II, p. 282.
  3. Alle die folgenden Thatsachen sind dem prachtvollen Werke Malherbe's, Monographie des Picidees, 1861, entnommen.
  4. Audubon, Ornithological Biography. Vol. II, p. 75. s. auch Ibis, Vol. I, p. 268.
Empfohlene Zitierweise:
Charles Darwin: Die Abstammung des Menschen und die geschlechtliche Zuchtwahl, II. Band. E. Schweizerbart'sche Verlagshandlung (E. Koch), Stuttgart 1875, Seite 162. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:DarwinAbstammungMensch2.djvu/176&oldid=- (Version vom 31.7.2018)