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Oertlichkeiten. Doch weichen in der einen Species die Geschlechter bedeutend und in der anderen sehr wenig von einander ab.

Trotz der im Vorstehenden aufgezählten Einwürfe kann ich nach Durchlesen von Mr. Wallace's ausgezeichneter Abhandlung nicht zweifeln, dass im Hinblick auf die Vögel der ganzen Erde eine bedeutende Majorität derjenigen Species, bei denen die Weibchen auffallend gefärbt sind (und in diesen Fällen sind die Männchen mit seltenen Ausnahmen in gleicher Weise auffallend gefärbt), verborgene Nester zum Zwecke eines Schutzes bauen. Mr. Wallace zählt[1] eine lange Reihe von Gruppen auf, in welchen diese Regel Gültigkeit hat. Es wird aber genügen, wenn ich hier als Beispiel die bekannteren Gruppen der Eisvögel, Tukans, Kurukus (Trogones), Bartvögel (Capitonidae), Pisangfresser (Musophagae), Spechte und Papageien anführe. Mr. Wallace glaubt, dass in diesen Gruppen die brillanten Färbungen in dem Maasse als die Männchen dieselben durch geschlechtliche Zuchtwahl allmählich erlangt haben, auf die Weibchen überliefert und wegen des Schutzes, welchen dieselben bereits durch die Art und Weise ihres Nestbaues erhielten, nicht wieder beseitigt wurden. Dieser Ansicht zufolge erlangten diese Vögel die jetzige Art und Weise des Nistens früher als die sie jetzt schmückenden Farben. Es scheint mir aber viel wahrscheinlicher zu sein, dass in den meisten Fällen die Weibchen, wie dieselben dadurch immer mehr und mehr brillant gefärbt wurden, dass sie an der Färbung des Männchens theilnahmen, allmählich dazu geführt wurden, ihre Instincte zu verändern (allerdings unter der Annahme, dass sie ursprünglich offene Nester bauten) und sich Schutz zu suchen durch das Errichten kuppelförmiger oder verborgener Nester. Niemand, welcher z. B. Audubon's Beschreibung der Verschiedenheiten in dem Nestbaue einer und der nämlichen Species in den nördlichen und südlichen Vereinigten Staaten liest,[2] wird eine besondere Schwierigkeit darin finden, zuzugeben, dass Vögel entweder durch eine Veränderung (im strengsten Sinne des Wortes) ihrer Lebensweise oder durch die natürliche Zuchtwahl sogenannter spontaner Abänderungen des Instinctes leicht dahin gebracht werden können, die Art und Weise ihres Nestbaues zu modificiren.


  1. Journal of Travel, edited by A. Murray. Vol. I, p. 78.
  2. s. viele Angaben hierüber in der „Ornithological Biography“. s. auch einige merkwürdige Beobachtungen über die Nester italienischer Vögel von Eugenio Bettoni in den Atti della Società Italiana. Vol. XI. 1869, p. 487.
Empfohlene Zitierweise:
Charles Darwin: Die Abstammung des Menschen und die geschlechtliche Zuchtwahl, II. Band. E. Schweizerbart'sche Verlagshandlung (E. Koch), Stuttgart 1875, Seite 159. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:DarwinAbstammungMensch2.djvu/173&oldid=- (Version vom 31.7.2018)