Zuchtwahl von grossem Einflusse gewesen ist und den Männchen irgend einer Species helle Farben gegeben hat, dieselbe dann auch den Männchen eine starke Neigung zum Kämpfen verliehen hätte. Wir werden nahe analoge Fälle noch zu verzeichnen haben, wenn wir von den Säugethieren reden werden. Auf der andern Seite sind bei Vögeln das Vermögen des Gesangs und brillante Färbungen selten von den Männchen einer und derselben Species zusammen erlangt worden. In diesem Falle würde aber der dadurch erlangte Vortheil ganz genau derselbe gewesen sein, nämlich Erfolg beim Bezaubern des Weibchens. Nichtsdestoweniger muss zugegeben werden, dass die Männchen mehrerer brillant gefärbter Vögel ihre Farben speciell zu dem Zwecke modificirt haben, Instrumentalmusik hervorzubringen, obschon die Schönheit dieser letzteren, wenigstens unserem Geschmacke nach, nicht mit der Vocalmusik vieler Singvögel verglichen werden kann.
Wir wollen uns nun zu solchen männlichen Vögeln wenden, welche in keinem sehr hohen Grade verziert sind, welche aber doch nichtsdestoweniger während ihrer Brautwerbung das was sie nur irgend an Anziehungsmitteln besitzen, zur Entfaltung bringen. Diese Fälle sind in manchen Beziehungen noch merkwürdiger als die in dem Vorstehenden erörterten und sind nur wenig beachtet worden. Ich verdanke die folgenden Thatsachen, welche aus einer grossen Menge werthvoller, mir freundlichst mitgetheilter Notizen ausgezogen sind, der Güte des Mr. Jenner Weir, welcher lange Zeit Vögel vieler Arten, mit Einschluss aller britischen Fringilliden und Emberiziden, gehalten hat. Der Gimpel macht seine Annäherungsversuche, indem er vor dem Weibchen steht; dann bläst er seine Brust auf, so dass viel mehr von den carmoisinen Federn auf einmal zu sehen sind, als es sonst der Fall sein würde, und zu derselben Zeit dreht und biegt er seinen schwarzen Schwanz von der einen nach der andern Seite hin in einer lächerlichen Art und Weise. Auch der männliche Buchfink steht vor dem Weibchen und zeigt dabei seine rothe Brust und seinen aschblauen Kopf und Nacken. Die Flügel werden zu derselben Zeit leicht erhoben, wobei die rein weissen Binden auf den Schultern auffallender werden. Der gemeine Hänfling dehnt seine rosige Brust aus, erhebt leicht seine braunen Flügel und den Schwanz, so dass er durch Darstellung ihrer weissen Ränder sie offenbar noch am besten verwerthet. Wir müssen indessen vorsichtig sein, wenn wir schliessen wollen, dass die
Charles Darwin: Die Abstammung des Menschen und die geschlechtliche Zuchtwahl, II. Band. E. Schweizerbart'sche Verlagshandlung (E. Koch), Stuttgart 1875, Seite 86. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:DarwinAbstammungMensch2.djvu/100&oldid=- (Version vom 18.8.2016)