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Man wird vielleicht sagen, daß Händel dem Geschmacke der Engländer nachgegeben, und die Vorzüge der Orgel, vielleicht sogar aus ökonomischen Gründen, verläugnet habe. Das mag seyn, wenn er zum Beweise in seinem Saul Orgelsolos einmischt, die so dünne gewebt, so zweystimmig klar, und so locker und leicht sind, daß sie von jedem mittelmäßigen Clavierspieler vom Blatte weggespielt werden können, und auf dem kurztönenden Flügel so gute Wirkung thun, als auf der aushaltenden Orgel. Aber sollte Händel auch nicht ein einziges Stück seiner Orgelarbeiten so eingerichtet haben, woraus auch Meister jenseit des Meeres sehen könnten, daß er auch ihrer höhern Kunst gewachsen sey? Sollte er in Deutschland nicht ein einziges der deutschen Orgel würdiges Werk verfertigt und hinterlassen haben? Und unter allen den Händelschen Orgelsachen, die ich kenne, (und ich setze wohlbedächtlich hinzu, was Hr. D. Burney bey Bachen ausläßt: so viel ich ihrer von Händeln auch kenne,) finde ich keines, das die oben an den Bachischen gerühmten Vorzüge hätte. Allenthalben giebt das Pedal Trumpf zu, das ist, es thut nichts weiter, als den Baß verstärken, und kann auch bloß manualiter, ohne daß die Wirkung geschwächt würde, gespielt werden.

Man sehe alle seine gedruckten Orgelconzerte und Orgelfugen. Sollten ungedruckte existiren, die ganz anders gearbeitet wären, so zeige man sie vor; noch hat niemand von unsern ältesten Tonkünstlern sie gesehen, und es wäre sonderbar, wenn Händel gerade seine schlechten Orgelsachen allein hätte drucken lassen. Da alles, was er schrieb, in England in so unzählicher Menge gestochen ist, und so reißend abgieng, sollte er nicht ein Paar Orgelfugen und Conzerte, so, wie sie seyn müssen, in Gesellschaft der leichtern Sachen mit ins Publikum haben bringen können, woraus man den Meister auf der Orgel mit allem seinen Reichthum der Erfindung und Glanz der Kunst hätte erkennen können? Oder war diese große erhabnere Arbeit, diese Bachische Kunst, (welche die alten finstern Grübeleyen mit dem hellern Geschmack und schönern Ausdruck der Neuern so glücklich und unerreichbar vereinte,) war diese selbst des großen Händels Sache nicht? Ein sonderbarer Umstand in seiner Lebensgeschichte macht es wahrscheinlich, daß er sich nicht getrauete, in diesem Stücke gegen J. S. B. aufzukommen. Im ersten Bande von Marpurgs Beyträgen zur Geschichte der Musik, S. 450,[WS 1] ist eine

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