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Peinumgürtet steht die Fromme,
Klaglos für die Marter dankend.

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Und nun sinkt sie mit den Worten

Froh in Rosarosens Arme:
„Laß, o Schwester, deinen Odem
Mich von deinen Lippen fangen!“ –

„Sei willkommen, Todessonne!“

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Spricht die Kranke liebestammelnd,

„Mir ins Herz mit Siegeswonne
Fallen deiner Augen Strahlen!

Aber, was du mir versprochen,
Singe mir ein Lied zur Harfe,

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Daß die Seele vor dem Tode

Auf dem Klang vorüber wandle!“

Da ergreifet Rosadore
Geistberauschet ihre Harfe,
Also süße Töne lockend,

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Daß die Nonnen selig schwanken.


Doch es tritt nun Jacopone
Heftig ein mit einem Arzte:
Der unheilige Apone
Folgt ihm stolz und dreist zur Kammer.

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Und vom Zug der Tür erloschen,

Starb das Licht der kleinen Lampe.
„Licht her, Licht!“ schreit wild Apone,
„Was tun hier die alten Ammen?“

Denn er sieht die beiden Nonnen

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Geistig schimmernd bei dem Lager.

Und es eilet Jacopone,
Anzustecken schnell die Lampe.

Empfohlene Zitierweise:
Clemens Brentano: Romanzen vom Rosenkranz. Hrsg. von Alphons Maria von Steinle. Trier: Petrus-Verlag G.m.b.H., 1912, Seite 220. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Brentano_Romanzen_vom_Rosenkranz_220.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)