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ist. Es muß doch in den Herzen noch etwas anderes glimmen, als Pietät gegen eine bedeutungsvolle Vergangenheit und bürgerlicher Gemeinsinn, um ein Werk wie dieses in’s Dasein zu rufen. Was Gottes Wort, was evangelisches Zeugniß in euch geweckt, gepflegt, erhalten hat in Glaube, Liebe und Hoffnung, das hat im letzten Grund euer Verlangen nach diesem Gotteshause rege erhalten, das hat endlich das Werk hinausgeführt. Des Herrn Wort soll nun auch darin walten. Da steht diese Gottesackerkirche mit ihrem gegen Himmel ragenden Thurme, mit ihrem sinnreichen Schmucke, mit ihren ehrwürdigen Emblemen, dem heiligen Kreuze voran, über diesem weiten Todtenfeld; und wenn dieß Todtenfeld predigt: alles Fleisch ist wie Gras, und alle Herrlichkeit wie des Grases Blume, so predigt das Kirchlein auf demselben: aber des Herrn Wort bleibt in Ewigkeit. Es muß immer, es muß allenthalben Gottes Wort geprediget werden; es ist aber der Höhepunkt der christlichen Predigt, da Gottes Wort zu verkünden, wo die Mächte der Vergänglichkeit, äußerlich angesehen, triumphiren, Gottes ewige Verheißungen in starker Glaubenszuversicht den Schrecken des Todes und der Finsterniß des Grabes gegenüberzustellen.

 Welch eine Predigt der Vergänglichkeit wird euch an dieser Stätte gehalten! Hier ist das Grab eurer alten Stadt; hier ist eine große Gräberstadt; hier hat der Tod über ein Jahrtausend an unzähligen seiner Opfer gearbeitet. Was birgt nicht oft ein Grab für Weh, und welche Schmerzenskette schließt sich um dasselbe! Wie viel und welch bittere Thränen sind aber hier im langen Lauf der Zeit geweint, welche Verbindungen gelöst, welche zarte Blumen geknickt, welche kräftige Blüthen vor der Zeit der Reife zerstört worden! Wie oft stand man still und stumm vor den Räthseln göttlicher Führung, wenn der Mann in der Fülle der Manneskraft, auf der Höhe seines beruflichen Schaffens, mitten in froher Lebenshoffnung dahingerafft wurde! Was liegt hier für ein Trümmerfeld menschlicher Wünsche, Hoffnungen, Anschläge vor uns! Wenn sie aufstünden, die hier den Schlaf des Todes schlafen, wie hätten sie zu