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die Wahrnehmungen eines mitbewegten Beobachters von Einfluss sein möchte. Doch ist es H. A. Lorentz[1] gelungen, durch geeignete Hypothesen über die Veränderungen, welche die elektrischen und mechanischen Eigenschaften der Materie bei der Bewegung durch den Aether erfahren sollen, seine Theorie dem Postulat der Relativität anzupassen. Dass dies möglich ist, erklärt sich bekanntlich aus der Eigenschaft der Feldgleichungen für den Aether, durch gewisse Transformationen von Koordinaten und Lichtweg, die sogenannten[2] « Lorentz’schen Transformationen » in sich selbst überzugehen.

Es ist nicht meine Absicht, in dieser Arbeit den gesamten Komplex der Fragen zu erörtern, die man mit dem Postulate der Relativität in Verbindung gebracht hat; ich habe an anderem Orte[3] zu einigen dieser Fragen Stellung genommen. Hier interessiert uns dieses Postulat nur insofern, als es mit der Elektrodynamik der ponderablen Materie zusammenhängt. Eine kürzlich erschienene Arbeit von H. Minkowski[4] stellt gerade diesen Zusammenhang an die Spitze; es wird hier den Grundgleichungen für bewegte Körper eine solche Form gegeben, dass sie durch die Lorentz’sche Transformation in die Maxwell’schen Feldgleichungen für ruhende Körper übergehen.

Die Minkowski’schen Grundgleichungen erklären, ebenso wie diejenigen von E. Cohn und von H. A. Lorentz, alle vorliegenden Versuchsergebnisse; ihnen und den Cohn’schen Grundgleichungen, mit denen sie, bei Vernachlässigung von Grössen zweiter Ordnung (in dem Quotienten aus der Geschwindigkeit der Materie und des Lichtes), übereinstimmen, ist die Symmetrie der elektrischen und magnetischen Grössen gemeinsam. Die Lorentz’schen Grundgleichungen in ihrer ursprünglichen Form hingegen, bei denen diese Symmetrie nicht vorhanden ist, weichen bereits in Gliedern erster Ordnung von denen der beiden anderen Theorieen ab; doch betrifft diese von E. Cohn[5] bemerkte Abweichung nur die para- und diamagnetischen Isolatoren, und entzieht sich durch ihre Geringfügigkeit der experimentellen Prüfung.

Es ist jedoch nicht schwer, die von Lorentz angenommenen Beziehungen der elektrischen und magnetischen Vektoren so abzuändern, dass die Symmetrie gewahrt bleibt; mit der so modificierten Form der Lorentz’schen Theorie werden sich die Paragraphen (8) und (10) der vorliegenden Untersuchung beschäftigen. Es wird sich zeigen, dass sie dem tatsächlichen Inhalt nach mit der Minkowski’schen Theorie sich völlig deckt. Der formelle Unterschied liegt in der Deutung, die den mit und


  1. H. A. Lorentz, Electromagnetische verschijnselen in een stelsel dot sich met willekeurige snelheid, kleiner dan die van het licht, beweegt [Koningklijde Akademie van Wetenschappen te Amsterdam, Deel XII (1904), 2, pp. 986-1009].
  2. H. Poincaré, Sur la dynamique de l’électron [Rendiconti del Circolo Matematico di Palermo, t. XXI (1° semestre 1906), pp. 129-176].
  3. M. Abraham, Theorie der Elektrizität, Bd. II, Auflage 2 (Leipzig 1908), pp. 356-397.
  4. H. Minkowski, Die Grundgleichungen für die elektromagnetischen Vorgänge in bewegten Körpern [Nachrichten der Kgl. Gesellschaft der Wissenschaften zu Göttingen, 1908, pp. 53-111].
  5. E. Cohn, Zur Elektrodynamik bewegter Systeme. I. [Sitzungsberichte der Kgl. Preussischen Akademie der Wissenschaften (Berlin), Jahrgang 1904, pp. 1294-1303], p. 1301.
Empfohlene Zitierweise:
Max Abraham: Zur Elektrodynamik bewegter Körper. Rendiconti del Circolo Matematico di Palermo, Palermo 1909, Seite 2. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:AbrahamMinkowski1.djvu/2&oldid=- (Version vom 10.4.2021)