Seelenideale der Naturvölker

Textdaten
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Autor: P. K. Rosegger
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Titel: Seelenideale der Naturvölker
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aus: Die Gartenlaube, Heft 34, S. 555-557
Herausgeber: Ernst Ziel
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Erscheinungsdatum: 1885
Verlag: Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
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Seelenideale der Naturvölker.

Ein Rundblick von P. K. Rosegger.

Wie poetisch gegenüber mancher Heuchelei der Halbkultur ist der dem Herzblute entsprungene Gottes- und Seelenglaube bei den Naturvölkern! Ein eben im Erscheinen begriffenes, höchst interessantes Werk: „Kritische Geschichte der Ideale“ von Dr. Adalbert Svoboda (Leipzig, Th. Grieben), lenkt unseren Blick in das religiöse Seelenleben der Natur- und Urvölker; wir begegnen in demselben freilich den wunderlichsten Dingen, die aber für uns bisweilen nicht allein höchst ergötzlich, sondern auch lehrreich und zur Kenntniß der menschlichen Natur wichtig sind.

Naturvölker fassen die Erscheinungen des Lebens in naiver Weise auf, sie unterscheiden die Welt in eine körperliche und in eine geistige. Warum aber auch in eine geistige? Zur Genugthuung, daß die körperliche Welt so hart und trostlos ist, schaffen sie sich die geistige, die ideale nach ihrem Sinne, nach ihren Neigungen und Bedürfnissen.

Diese ideale Welt ist zwar nicht möglich, aber sie ist da, sie wird vorgestellt, darum ist sie; sie wirkt in der Einbildung, als ob sie wäre, sie hat also für ihre Schöpfer und Träger einen realen Werth.

Dem Naturmenschen ist nichts widerlicher als der Tod, er will ewig leben, darum erschuf er sich eine unsterbliche Seele. Und die Natur – als ob sie ganz damit einverstanden wäre – kommt ihm auf halbem Wege entgegen, sie führt ihm heute im Traume Personen lebendig vor, die gestern begraben worden sind. Es giebt Leute, welche ihre Verstorbenen nur dann für wirklich todt halten, wenn sie ihnen im Traume nicht mehr erscheinen. Andere glauben, die im Schlafe erscheinenden Verstorbenen seien noch erlösungsbedürftig und wären erst dann in die ewige Seligkeit eingegangen, wenn sie sich bei ihren Bekannten nicht mehr „anmelden“. In den Alpenländern ist der Glaube an Geistererscheinungen noch viel verbreitet. Die Geister erscheinen nicht allein in menschlicher Gestalt, sondern melden sich in schwarzen Hunden und Katzen, in Vögeln, schwebenden Lichtern, im Aechzen, Wimmern und Gepolter etc. Die geängstigten Seher und Hörer suchen durch Gebete, Beschwörungsformeln und gute Vorsätze den Geist zu beruhigen, glauben aber, daß nach Anmeldung eines Todten in der Gegend bald Jemand sterben müsse.

Dr. Svoboda erzählt von niedrigen Rassen, welche den Glauben hegen, einer lebenden Person, von der man träumt, sei die Seele davon- und dem Träumenden zugeflattert. Turanische Zauberer pflegen sich bisweilen halb zu betäuben, um ihrer Seele einen Flug in das Land der Geister zu ermöglichen, wo sie dann überirdische Herrlichkeiten schauen und kostbare Mittheilungen empfangen. Doch hat dieser Gebrauch der Seele – wie so oft – mehr eine geschäftliche, als eine ideale Seite. Bei anderen Stämmen flieht während des Schlafes, einer Krankheit oder im Wahnsinn die Seele aus dem Körper. Da müssen Priester und Zauberer herbei, um die verlorenen Seelen zu suchen und heimzutreiben. Manche solcher verlaufenen Seelen finden aber den Rückweg nicht. Das erinnert mich an eine Anschauung in Steiermark. Wenn man dort einen Schmetterling flattern sieht, so heißt es: „Eine Schneiderseel’! Die muß man fangen und anblasen, sonst wird ein irgendwo schlafender Schneider nicht mehr wach.“

In einzelnen Gegenden Mitteleuropas sollen, wenn in einem Hause Jemand gestorben ist, sofort die Bäume und Sträucher der nächsten Umgebung geschüttelt werden, um die Seele, die sich etwa darauf gesetzt hätte, wieder zurückzuscheuchen. Vor einiger [556] Zeit noch war es in Mähren Sitte, bei den Leichenwachen Spiel und Kurzweil zu treiben, um die noch anwesende Seele des Verstorbenen zu ergötzen. Noch heute giebt es Gegenden, wo man neben einer Leiche einen Stuhl hinzustellen pflegt und die Seele einladet, darauf niederzusitzen.

Andere Völker des Naturbannes – wie sich unser Philosoph ausdrückt – giebt es, die den vom Körper des Menschen geworfenen Schatten für dessen Seele halten, weßhalb sie auch glauben, daß Leichen keinen Schatten haben. Nach anderen Sagen sind die Menschen des Jenseits bloß Bilder der Personen im Diesseits, oder es werden die Seelen als echoartige Wesen, als Widerhall eines Schalles gedacht.

Der Seelenglaube der Wilden hat – wie Dr. Svoboda trefflich bemerkt – einen besonderen Reiz der Naivetät. Die Seelen der Naturvölker besitzen die Eigenschaften der körperlichen Menschen: sie können verhungern, verdursten, auf der Reise ins Jenseits ertrinken, sie sehnen sich nach sinnlichen Genüssen, sind männlichen und weiblichen Geschlechts, treiben im Jenseits dieselben Geschäfte und Gewohnheiten wie hier, verkehren freundlich oder rücksichtslos mit den Genossen, vermögen sich aber auch zu größerer Macht aufzuschwingen als zur Zeit, da sie noch an Körper gebunden waren. Als böse Geister suchen sie den Menschen auf Erden zu schaden, als Ahnenseelen denkt man sie als Lenker der Völkergeschicke und sie altern sich zu Göttern hinauf.

Da die unsterbliche Seele übertragbar ist, so blasen indianische Medicinmänner aus den Körpern der Sterbenden die Seelen in Kinder hinein. Dunkelhäutige Physiologen lösen das Räthsel der Vererbung und Wesenähnlichkeit der Verwandten, indem sie sagen: Wenn ein Familienmitglied stirbt, so schlüpft dessen Seele in das neugeborene Kind derselben Familie, so daß ein Neffe eine Tantenseele beherbergt und der Enkel dem Wesen nach seine eigene Großmutter sein kann. Nach weitverbreiteten Annahmen haben die Seelen im Jenseits zwar keinen Körper, aber eine Gestalt – beim Gott der Wilden ist eben Alles möglich.

Eine Gruppe von Naturvölkern hält nicht nur Menschen und Thiere, sondern auch Bäume, Früchte, Steine, Waffen und Geräthe für beseelt. Der Geist eines abgenutzten Hammers stellt sich im andern Leben der Seele seines voreinstigen Schmiedemeisters wieder zur Verfügung. Der Geist eines Halsschmuckes schmiegt sich dort wieder um den schönen Nacken der Seele seiner früheren Herrin. Das dem Verstorbenen ins Grab Mitgegebene wird Hausrath für das Jenseits, wo alles Leben ähnlich wie auf Erden wieder fortläuft. Aber Dinge, die in der andern Welt zum Gebrauche wieder sollen auferstehen können, müssen in dieser Welt zertrümmert werden, darum findet man in Amerika und Polynesien, selbst im östlichen Preußen und in Littauen in alten Gräbern zerbrochene Waffen und Geräthe.

Die altägyptische Lehre von der Seelenwanderung ist bekannt, man findet selbst bei unseren Völkern davon noch Spuren. Mir war ein Fuhrmann bekannt, der bildete sich Folgendes ein: führe er sich in diesem Leben schlecht auf, so werde er in jenem ein Pferd, führe er sich hienieden gut auf, so werde er dort ein Postmeister. Er führte sich gut auf. Menschenseelen können nach der Meinung vieler Stämme auch in Thierkörper eintreten und dort je nach ihrer Schädlichkeit oder Nützlichkeit gefürchtet oder vergöttert werden. Ein origineller Glaubenssatz des Animismus, bemerkt Dr. Svoboda, spricht sich in der Wahnvorstellung aus, daß in das Raubthier, welches einen Menschen verzehrt, die Seele des Letzteren übergehe. Manche Vögel, so Eulen, Raben und Spechte, hielt man für allwissend, weil sie hoch fliegen, „in die obere Welt hineinschauen und Alles erfahren können“.

Weil bei niedrigen Rassen angenommen wird, daß auch die Thiere Blutrache üben, so entschuldigen sich die Jäger bei den erlegten Thieren auf das Höflichste, richten feierliche Ansprachen, zumal an Elefanten, nennen sie große Häuptlinge und begraben ihren Rüssel, damit die Elefantenseele zur Ruhe gelangen könne.

Auch in unseren Ländern herrscht hier und da der Glaube, daß man durch den Genuß von Schweine- oder Schildkrötenfleisch die kleinen Augen der Schweine oder Schildkröten bekommen könne. Die indianischen Stämme verehren in ihren Wappenthieren: in Kröten, Schlangen, Erdschweinen, Hasen etc., tapfere Häuptlinge der Vorzeit, deren Seelen in die Wappenthiere übergegangen sind und dort als thierische Schutzheilige von Geschlecht zu Geschlecht übertragen werden. Bei den Azteken gingen die Seelen vornehmer Leute in lieblich singende Vögel oder in andere edle Thiere über, während die Seelen der Armen und Niedrigen in die Thiere geringeren Ranges einzogen. Gewiß eine Lehre, die den Menschen zum unermüdlichen Emporstreben auf dieser Welt aneifern muß. Afrikanische Stämme sind der Meinung, daß große Waldaffen einmal zur menschlichen Gesellschaft gehört haben, wegen unanständigen Benehmens aber ausgestoßen worden seien und hernach das Sprechen verlernt hätten. Andere Stämme nehmen wiederum an, daß der Gorilla sprechen kann, aber nicht will.

Diese Urvölker sind also durchaus nicht so adelsstolz wie wir, geben die Gemeinschaft zwischen Menschen und Thieren zu und machen sich nichts daraus.

Es giebt auch Völker, bei denen der Mensch zwei Seelen hat. Während des Schlafes fliegt die eine Seele davon, beim Tode beide. Bei den Birmanesen fliegt die Seele des Schlafenden als Schmetterling davon; was der Schmetterling auf seinem Fluge sieht, davon träumt der Schlafende.

Ein überaus poetischer Glaube!

Auch der Chinese hat zwei Seelen, beim Tode schwebt die eine Seele zum Himmel, die andere sinkt zur Erde. Die Indianer Amerikas sehen in jeder Stelle des Körpers, die Pulsschlag hat, den Sitz einer besonderen Seele. Die Karaiben haben drei Seelen: eine im Kopf, eine im Herzen, eine in den Armen. Die Seele des Herzens wird nach dem Verlassen des Körpers ein guter Geist, die Seelen des Kopfes und der Arme werden böse Geister. Eine eigenthümliche Versinnbildlichung vom Segen des Gemüthes.

Die Seelen der frommen Araber kommen ins Paradies, wo Milch und Honig fließt, zu schwarzäugigen Frauen, deren Leib aus duftendem Bisam besteht, zum Weine, der nicht berauscht, zur Haschischpfeife, die nicht schlaftrunken macht, und jeder Selige hat 80 000 Sklaven, Die Seele des bösen Arabers hingegen kommt im Jenseits ins Feuer, da sind die Anzüge von Feuer, die Schuhe von Feuer, das Bett, die Nahrung von Feuer. Diese Hölle hat sieben Stockwerke, in deren unterstes jene Heuchler geworfen werden, die einen Glauben bekennen und keinen haben. Genußreich ist der Himmel der alten Inder. Blühende Gärten sind dort mit schattigen, wohlduftenden Lauben, mit lauen Winden, kühlendem Regen, und auf den grünen Weiden schlagen Kühe, wenn sie gemolken werden, mit den Füßen nicht aus! Tafelfreuden überall und singende Vögel.

Bekannt ist, daß bei Jndianerstämmen die Aufnahme der Seelen ins Paradies nicht vom sittlichen Wohlverhalten, sondern von Rang, Wohlstand und Tapferkeit abhängt. Auch der Mohammedaner gewinnt sein Paradies am sichersten, wenn er es kaufen kann, wenn er recht viele Ungläubige erschlägt, oder wenn er nach Mekka pilgert und unterwegs zu Grunde geht.

Die Seelen der Irokesen ziehen sich nach dem Verlassen des Körpers in ihre ursprüngliche Heimath, das Nordlicht zurück, wo sie fröhliche Reigen abhalten.

Bei manchen Völkern sind auch die Sterne, welche sich des Abends auf himmlischem Plane versammeln, Menschenseelen. Die Karaiben verwandeln die Seelen ihrer Helden in Sterne, und so oft ein tapferer Mann stirbt, flammt auf dem Himmel ein neuer Stern auf.

In einzelnen Gegenden unserer Alpen herrscht die Anschauung, daß bei der Geburt eines Kindes dessen Schutzengel am Himmel einen Stern anzünde; wenn ein Mensch stirbt, fällt sein Stern vom Himmel. In der deutschen Altmark schweben die Seelen ungetaufter Kinder in Irrlichtern umher, bestrebt, den Wanderer in Sümpfe zu locken.

Die Volksstämme Südamerikas sehen in der Milchstraße den Weg zum Sternenhimmel. Die Seelen der Inkas sitzen in der Sonne und schauen mit hellen Augen auf die Gräber ihres Volkes herab.

Amerikanische Volksstämme verzehren ihre Angehörigen, trinken die Asche ihrer verstorbenen Häuptlinge, damit sie die seelischen Eigenschaften derselben bekommen. Haben doch auch unsere alten Franken die Asche ihrer verstorbenen Zauberer und Seherinnen im Weine getrunken, damit sie die Weisheit derselben erben.

[557] Bei einigen Negerstämmcn wird am Familientische für die Seele eines Verstorbenen Platz gelassen, weil sie unsichtbar unter den Ihren weilt und mit in die Schüssel greift. Nach dem Glauben der Karaiben kümmern sich die abgeschiedenen Seelen mehr um sich selbst, als um ihre irdische Sippschaft, heirathen im Jenseits unter einander und erzeugen Nachkommen. Bei den Peruanern und anderen Stämmen Amerikas bleiben die Seelen in den gestorbenen Leibern, so lange diese nicht verwesen. Man sorgte daher dort, so wie im alten Aegypten, für die Unverwesbarkeit der Leichen. Die Nadowessier pflegen ihre Kinderleichen an besuchten Landstraßen zu begraben, um den Seelen die Einkehr in neugeborene Kinder zu erleichtern. Die Tahitier setzen an die Gräber ihrer Todten hölzerne Bilder, in welchen die Seelen bescheiden Platz nehmen und warten, bis es Zeit ist, sich mit den Körpern wieder zu vereinigen. Bei einzelnen Negerstämmen müssen heirathslustige Wittwen die Seelen ihrer verstorbenen Gatten erst durch ein Bad von ihren Gliedern spülen.

Das ist freilich gemüthlicher als bei den Inkas, wo dem Gatten oft an tausend Gattinnen und Sonnenjungfrauen lebendig auf den Scheiterhaufen folgen mußten, was sie auch willig thaten, weil die Verweigerung dieses Liebesdienstes einem Ehebruch gleichgehalten wurde. Bei den Indianern Nordamerikas lassen die Männer im Angesichte des nahenden Todes ihre Lieblingsfrauen erwürgen, damit sie bei dem Eintritt ins Jenseits allsogleich von ihnen empfangen werden. Bei dem Tode eines Kindes tödtet man auch dessen Wärterin, damit es im Jenseits nicht allein stehe. Bei den Negerstämmen werden von Zeit zu Zeit Menschen getödtet, damit sie den Fürsten im Jenseits Nachrichten von wichtigen irdischen Begebenheiten bringen können. – Ein grauenhaftes Kapitel aus der Geschichte der Wahnideale! –

Manche Völker nehmen an, daß jeder Mensch tief beleidigt aus dem Leben scheide, darum ist bei Negerstämmen der Brauch, an die Todten feierliche Ansprachen zu halten, sie zu bitten, daß sie ja nicht mehr kommen mögen, um etwa Jemand ein Leid anzuthun. In dieser Meinung geben afrikanische Urstämme den Seelen ihrer Todten Menschenblut zu trinken. Man gießt dort durch trichterförmige Oeffnungen Getränke und Blut in das Grab, um die Seelen zu erfrischen und sie menschlichen Wünschen geneigt zu machen. – Dr. Svoboda erzählt auch von Naturvölkern, welche davon überzeugt sind, daß ein Knabe Seele und Blut nicht vom Vater, sondern vom Oheim, ein Mädchen hingegen Seele und Blut von der Mutter empfange. „Ausnahmsweise,“ setzt der Verfasser hinzu, „hat diese Lehre von der Seelenfortpflanzung keine Frevel im Gefolge, sondern eine positive Anerkennung der Mutter- und Frauenwürde.“ – Bei sehr vielen Völkern werden die Seelen der Verwandten oder sonst nahe- oder hochstehender Personen nach dem Tode als Schutzheilige verehrt. Unter den Wilden Afrikas wird mancher Vater von seinem Sohne nur darum erschlagen, damit er diesem ein mächtiger Schutzgeist werden kann. Wenn aber solche Seelen beleidigt oder bei Gebeten und Opfern übersehen werden, so rächen sie sich, sie machen Gewitter, bringen Feuer, Pest und andere Uebel. Daher müssen derlei Schutzgeister durch Gebete und Opfer in guter Laune erhalten werden, auf daß sie ihre Schützlinge vor Unheil bewahren und mit Segen überschütten. Wir sind jedoch damit den Seelenidealen der Kulturvölker so nahe gerückt, daß wir mit Dr. Svoboda’s Bemerkung, der Egoismus sei der Vater, die Phantasie die Mutter solcher Schutzgeister, abbrechen müssen.

Das überaus gehaltvolle Werk Dr. Adalbert Svoboda’s, welches die positiven und die Wahnideale der Menschheit bis in unsere Zeit herein einerseits mit der scharfen Kritik des Forschers, andrerseits mit der Objektivität und Toleranz eines liebreichen Menschen behandelt, eröffnet uns Tiefblicke in die Herzen der Völker, in die Abgründe der Unkultur, vor denen wir nicht selten zurückschaudern. Andrerseits ist es wieder so reich an freundlichen Oasen, an versöhnenden Bildern, an zuversichtlichen Aufblicken. „Es bewegt sich zwar,“ sagt Svoboda, „der Mensch auf dem Boden selbstgeschaffenen Irrwahns in engen Kreisen herum – sich selbst zum Unheil. Das Gesetz der Entwickelung will es aber so. Auch aus den Irrthümern der Menschen spricht sich das Ringen nach Erkenntniß der Wahrheit, also nach einem idealen Ziele aus. – Pessimisten spotten, daß Mensch sein und ewig irren dasselbe sei. Aber Idealmenschen – die oft verhöhnten, isolirten – glauben an die Möglichkeit, daß die menschliche Gesellschaft ihre Selbstrettung doch einmal vollziehen werde.“