Textdaten
<<< >>>
Autor: Ludwig Storch
Illustrator: {{{ILLUSTRATOR}}}
Titel: Schwabendichterstreiche
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube
Herausgeber: Ernst Keil
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1863
Verlag: Verlag von Ernst Keil
Drucker: {{{DRUCKER}}}
Erscheinungsort: Leipzig
Übersetzer:
Originaltitel:
Originalsubtitel:
Originalherkunft:
Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung: Episode aus dem Leben von Ludwig Uhland, geschildert wird das Leben von Ernst Ludwig Große (1802-1871)
Eintrag in der GND: {{{GND}}}
Bild
[[Bild:|250px]]
Bearbeitungsstand
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Um eine Seite zu bearbeiten, brauchst du nur auf die entsprechende [Seitenzahl] zu klicken. Weitere Informationen findest du hier: Hilfe
Indexseite
[552]
Schwabendichterstreiche.
Eine Jugenderinnerung von Ludwig Storch.

Selbst wenn das Bild bedeutender Menschen historisch und psychologisch schon festgestellt und vom klarsten Licht beleuchtet ist, wird man gern noch einzelne kleine und feine Züge darin nachtragen sehen, die seine Wahrheit bestätigen und seine Treue vervollkommnen. Ich bin im Stande, einen solchen kleinen, aber höchst liebenswürdigen Zug zu Ludwig Uhland’s historischem Portrait zu liefern, welcher zwar keine neuen Aufschlüsse über den vortrefflichen Charakter des als Dichter und Mensch gleich großen Mannes zu geben vermag, den vorhandnen aber vollkommen entspricht.

Ich hatte im Jahre 1826, während eines einjährigen Aufenthaltes in Leipzig, als angehender schüchterner Schriftsteller vorübergehend die Bekanntschaft eines thüringischen Landsmannes von mir gemacht, der zwar mit mir in gleichem Alter stand, auf der Schriftftellerlaufbahn aber – wenigstens wie ich damals glaubte – Riesenschritte vor mir vorausgemacht hatte, und zu dem ich mit einer Art ehrfurchtsvollem Anstaunen emporsah. Dies war der Dichter E.... G...., dessen Namen freilich heutzutage Niemand mehr kennen dürfte, der jedoch zu jener Zeit nichtsdestoweniger einiges Aufsehen machte. Er war aus Mühlhausen in Thüringen gebürtig, von armen Eltern niedern Standes und, ich weiß nicht mehr auf welche Weise, als Knabe auf das Gymnasium nach Hannover und in das Haus eines Consistorialraths gekommen, von dessen Unterstützung er gelebt hatte. Dafür hatte er mit der kleinen hübschen Tochter seines Wohlthäters ein heimliches Verhältniß gepflegt. Die beiden jungen Leute hatten, kaum zwanzig Jahre alt, die Flucht nach Leipzig ergriffen und hier ihre eheliche Verbindung ermöglicht. Herr G. hatte zu jener Zeit schon ein Trauerspiel „Graf Waldemar“ (wenn ich den Titel recht behalten habe) veröffentlicht, in welchem Sachverständige ein nicht unbedeutendes poetisches Talent erkennen wollten.

Zu Leipzig hatte G. die Bekanntschaft H...... S....... gemacht, der kurz vorher von Göttingen gekommen war und im schönsten Liebesfrühling mit seiner nachherigen Gattin stand. S....... war mit G. in gleichem Alter, und die beiden jungen Dichter schlossen einen Freundschaftsbund, dessen schönste Blüthe ein Band „Griechenlieder“ war. Es war die Zeit der Schwärmerei für die junge Hellenenfreiheit, von der man damals nur erst die Lichtseite kannte. Die Gedichte von S....... und G. gaben dieser Schwärmerei einen würdigen schwungvollen Ausdruck und machten deshalb Glück.

Die beiden Dichter hatten nicht unterlassen, ihr Werk an die damaligen Koryphäen der deutschen schöngeistigen Literatur zu schicken, und unternahmen dann eine Vergnügungsreise in das südliche Deutschland, wo sie in Bayreuth von Jean Paul Friedrich Richter und in Stuttgart von Ludwig Uhland auf das Wohlwollendste aufgenommen wurden. Von dieser Reise erfuhr ich sowohl durch S......., der mein Mitschüler und Freund auf dem Gymnasium zu Gotha gewesen war, als auch später von G. interessante Details, namentlich über ihre Aufnahme bei Uhland.

Ohngefähr ein Jahr später machte G. noch mehr von sich reden durch eine vorgebliche Uebersetzung noch unbekannter Gedichte Byron’s, die er im „Gesellschafter“ abdrucken ließ und womit er selbst gute Kenner von Byron’s Muse dergestalt täuschte, daß sie stürmisch nach den Originalen fragten. Da stellte sich heraus, daß G. der glückliche Nachahmer des Briten gewesen war. So etwas hilft. Herr G. war von nun an ein von den Verlegern gesuchter Schriftsteller. Eine bombastisch geschriebene Geschichte oder Legende der heiligen Ida mit dem geführten Beweise, daß die Sprossen des preußischen Königshauses directe Nachkommen dieser Heiligen seien, brachte ihm ein glänzendes Geschenk des Kronprinzen, nachherigen Königs Friedrich Wilhelm IV., ein. Dieses schnelle Glück machte Herrn G., der ohnedies eine starke Anlage zur Selbstüberschätzung hatte, übermüthig und dünkelhaft. Er spielte den kleinen Goethe und aufgeblasenen literarischen Mäcen gegen angehende Schriftsteller und legte es auf eine förmliche Selbstvergötterung an. In dieser Hinsicht waren die köstlichsten Anekdoten von ihm im Schwange. Unvergleichlich komisch war später Karl Herloßsohn in der Erzählung und Darstellung der carikirt vornehmen Art und Weise, mit welcher er, als mittelloser entsprungener Jesuitenzögling nach Leipzig gekommen, von G. von oben nach unten behandelt worden war. Natürlich erwarb sich G. mit diesem Wesen keine Freunde.

[553] Eine weitere Folge dieser Treibhausvornehmheit war die Unproductivität ihres Praktikanten. Unter dem Vorwande, daß er seine poetische Kraft nicht versplittern dürfe, um einen großen Roman, an dem er arbeite, in einer Vollendung zu geben, wie die Welt noch nichts gesehen, entnahm er von Verlegern, die sich mit ihm eingelassen, Geld, ohne etwas dafür zu liefern. Dergleichen Verfahren hält nie lange aus. – Der Segen seiner Ehe war indeß rasch auf fünf kleine Häupter gestiegen. Noch während meiner Anwesenheit in Leipzig erfuhr ich belustigende Geschichten über die Art, wie er sich Geld zu verschaffen suchte, ohne zu arbeiten. So hatte er eines Tages eine nicht geringe Anzahl namhafter junger Männer, Schriftsteller, Schauspieler, Buchhändler etc. zur Geburtstagsfeier seiner Frau zusammen gebeten und tractirte sie sogar mit Chierwein. Einige Tage später erhielt jeder der Theilnehmer eine hohe Rechnung mit dem Bemerken des Festgebers, er erwarte von der Generosität seiner Gäste, daß seiner Casse nicht die Zumuthung gemacht werde, die Kosten eines so schönen Festes allein zu tragen. Natürlich beeilte sich Jeder, dem noblen Festgeber den Betrag der Rechnung einzuhändigen.

Die Familie verfiel bald genug in drückende Noth, und es geschahen wirksame Schritte zu ihrer Unterstützung. Vorzüglich war es der bekannte vielseitige Schriftsteller Adolph Wagner, ein in jeder Hinsicht trefflicher Mann, der sich ihrer thätig annahm, obgleich ihm G.’s anmaßliches Wesen, wie ich aus seinem eignen Munde wußte, sehr zuwider war.

Wagner war in Bezug auf G.’s Verhältnisse mit dem ihm befreundeten Ludwig Tieck in Dresden in irgend welche Unterhandlung getreten, und, wie ich glaube, in Folge derselben wurde G. veranlaßt, nach Dresden zu ziehen. Die nähern Umstände dieser Uebersiedlung sind mir freilich nicht bekannt.

Wenn sich Tieck hatte bestimmen lassen, helfend und fördernd auf G.’s Schicksal zu wirken, so bekam ihm diese Menschenfreundlichkeit in der That sehr übel; denn er sah sich bald in die moralische Nothwendigkeit versetzt, ganz und gar für die Existenz der Familie G. zu sorgen. Da nun der von seiner hohen Poetenbestimmung über und über erfüllte Familienvater zu nichts zu bringen und zu verwenden war, womit er sein und der Seinigen Leben hätte gewinnen können, so versuchte es Tieck in stiller Verzweiflung mit der Familienmutter. Wahrscheinlich ließ ihn nur die tägliche Sorge für den Unterhalt einer zahlreichen Familie zu der Ueberzeugung gelangen, die kleine niedliche Frau G. habe Talent für die Bühne und müsse bei Fleiß und Uebung eine gute Soubrette werden. Er nahm sie in die Schule und studirte ihr Rollen ein. Aber es ist bekannt, daß Tieck in dieser Richtung entschiedenes Unglück gehabt hat. Außer der Rettig hat er keine dramatische Größe gebildet, mit wie vielen er es auch versucht hat. In Bezug auf das theatralische Talent seiner Schüler befand er sich in einer steten merkwürdigen Selbsttäuschung. So erging’s ihm auch mit Frau G. Die kleine Frau hatte wenigstens guten Willen, einen bessern als ihr Mann. Es war ihr ein heiliger Ernst, ihn, von dessen hohem Dichterberufe sie eben so überzeugt war, als er selbst, von der drückenden und störenden Sorge für das materielle Leben zu befreien und ihre Kinder anständig zu ernähren.

Zu jener Zeit war Franz Eltzholz aus Berlin, der sich durch eine beliebte dramatische Kleinigkeit „Komm her!“ und durch ein Lustspiel „Die Hofdame“ einen schnell vorübergehenden Namen gemacht hatte, Intendant des eigentlich erst in der Entstehung begriffnen herzoglichen Hoftheaters zu Coburg, und wahrscheinlich war er als solcher nobilitirt worden. Durch seine dramatischen Leistungen war Herr von Eltzholz in Verbindung mit seinem Landsmanne Tieck gekommen, und dieser suchte ihn nun zu bestimmen, Frau G. an dem neuen Hoftheater zu placiren. Nach der glänzenden Schilderung, welche Tieck dem jüngern Berliner Freunde von dem Talente seiner Schülerin machte, ging dieser mit Freuden auf den Plan des berühmten Dichters und Dramaturgen ein, freilich unter dem natürlichen Vorbehalt, „wenn die angehende Künstlerin dem Herzoge gefiele.“

Das G.’sche Ehepaar reiste nach Coburg mit den schönsten Hoffnungen und ließ seine Sprossen, unter Obhut einer Schwester der Frau und der treuen Vatersorge Tieck’s anheimgegeben, in Dresden zurück. Aber die Kinder nicht allein, auch ein artiges Sümmchen Schulden, so daß jene gewissermaßen als lebendige Pfänder in Versatz blieben. Wenn ich mich recht erinnere, nahm ein Wohlthätigkeitsverein die armen Geschöpfe in Atzung und Pflege, um sie dem doch wahrlich auch nicht in glänzenden Umständen sich befindenden Tieck nicht über dem Halse liegen zu lassen; es starb aber doch nach einigen Monaten eins der Geschwister, ein Knabe, fern von den Eltern.

Frau G. betrat in Coburg die Breter, die die Welt bedeuten, und mißfiel zum unwilligen Erstaunen ihres Gemahls, der von ihrem eminenten dramatischen Genie eben so fest überzeugt war, wie sie von seinem poetischen, so entschieden, daß sie mit einem Geschenk entlassen wurde. Herr G. erklärte die Coburger sammt ihrem Herzog für Böotier und begab sich mit seiner Gattin nach Nürnberg, wo es ihm ebenfalls gelang ihr Auftreten zu erwirken. Aber in der fast republikanischen Stadt war der Erfolg noch schlimmer, und die Kritik der Tageblätter fiel unbarmherzig über die arme angehende Künstlerin her, und Herr G. beging die Dummheit, in einem Aufsatze, dessen Druck in ein Tageblatt er bezahlen mußte, die Nürnberger in hochfahrender impertinenter Weise über das Kunstgenie seiner Frau aufklären zu wollen. Es gab einen Scandal; Jedermann war empört über die empfangene Beleidigung, und es fehlte nicht viel, daß Herr G. öffentlich Schläge erhalten hätte. Er entging schlimmen Erfahrungen nur durch eine eilige Flucht bei Nacht und Nebel aus der Stadt am Stecken, ohne Geld, ohne Aussicht, wiederum mit Hinterlassung einiger angebundenen Bären und der unglücklichen Frau als lebendiges Pfand. Jetzt waren die Kinder in Dresden verpfändet und die Frau in Nürnberg, und wie die Dresdener an jenen, so übten die Nürnberger an dieser Barmherzigkeit. Er aber wanderte bettelnd nach Stuttgart, um mich dort aufzusuchen und meine Hülfe in Anspruch zu nehmen, der ich damals selbst nicht auf Rosen gebettet war. Dies war im Sommer 1829.

Ich war nicht wenig bestürzt, als G. mir bald nach seiner Ankunft sein ganzes Elend enthüllte und mich versicherte, er habe sein Heil einzig und allein auf mich gesetzt. Zu Uhland zu gehen, der ihn doch fünf Jahre früher so gut aufgenommen, verweigerte er geradezu.

Die Sache machte mir großen Kummer, und ich überlegte lange, was zu thun sei, um dem einst so übermüthigen, nun so sehr herabgekommenen Manne gründlich zu helfen. Zuerst gab ich ihm, was ich entbehren konnte, um die bedauernswerthe Frau in Nürnberg aus der ärgsten Bedrängniß zu reißen. Das Resultat aller meiner Lucubrationen war, ihm ein festes Engagement bei der Cotta’schen Buchhandlung zu verschaffen. Dazu konnte Cotta der Sohn, der sich mir wohlwollend gezeigt, nichts thun. So lange der Vater lebte, war er nicht beim Geschäft betheiligt. Aber Frau von Cotta, die zweite Gemahlin des alten Herrn, eine geborne Freiin von Hügel und von Geist und Herz gleich ausgezeichnet, hatte viel moralischen Einfluß und war eigentlich die Seele der Redaction des Morgenblatts. Gelang es mir, diese fein gebildete Dame für G. zu gewinnen, so durfte ich mich der Hoffnung hingeben, daß seine Lage gesichert sei. Ich hatte mich schon früher dieser trefflichen Frau vorstellen lassen und war schon im Begriff zu ihr zu gehen, um für G. zu sprechen. Herr von Cotta, der Vater, war nämlich damals auf längere Zeit von Stuttgart abwesend. Nun wußte ich aus der besten Quelle, wie hoch Uhland von Frau von Cotta als Dichter und Mensch geschätzt wurde, und daß Einer, den er ihr empfahl, bestens empfohlen war. Um also ganz sicher zu gehen, entschloß ich mich, mich zuerst Uhland zu entdecken und ihn um seine Mitwirkung zu bitten. Schon hatte ich den Hut in der Hand, um zu ihm zu gehen, als mir beikam, es sei besser ihm zu schreiben, dann könne er meinen Brief Frau von Cotta vorlegen, wodurch die Sache sehr abgekürzt werde. Ich schrieb ihm also und schilderte G.’s Lage ausführlich. Der Gegenstand mochte meiner Darstellung eine lebhafte Färbung gegeben haben. Der Brief war noch keine Viertelstunde fort, als mir Uhland’s Dienstmädchen eine Geldrolle mit einem Briefe überbringt, worin er mir kurz schreibt: „Ich schicke Ihnen Alles, was ich eben habe; es hilft wenigstens der brennendsten Noth ab. Mit Frau von Cotta spreche ich heute noch. Herr G. soll guten Muthes sein. Es wird und muß glücken.“

In der Rolle waren 56 Gulden. – Ich war erschüttert von dieser edlen und großmüthigen Handlungsweise, so daß mir Thränen aus den Augen stürzten. Herr G. lächelte selbstgefällig; er schien in Uhland’s Liebesgabe nur die seiner eignen Dichtergröße gebührende Huldigung zu sehen.

[554] Einige Stunden später sehe ich einen Schiebkärrner ein Eimerfaß in das von mir bewohnte Haus fahren, und gleich darauf bringt mir mein Dienstmädchen folgenden Brief:

„Ich komme so eben von Uhland, wo ich Ihren Brief las. Für Abhülfe der größten Noth hat er gesorgt; ich schicke Ihnen ein Fäßchen guten Wein, damit Sie sich mit Herrn G. frohen Muth trinken. In Schwaben soll kein Dichter traurig sein. Herrn G. wird ganz gewiß geholfen werden.            Gustav Schwab.“

Wie soll ich das Erstaunen und die Rührung, die mich während des Lesens überkamen, schildern! Das war wieder ein Schwabendichterstreich, der mir die Thränen in die Augen trieb.

G. ließ nun seine Frau von Nürnberg kommen, und ich gab jetzt Beiden, wie früher ihm allein, Monate lang freie Kost und Wohuung. Auf Uhland’s und Schwab’s Verwendung erhielt G. noch im Herbst eine Anstellung bei der Allgemeinen Zeitung in Augsburg. Ob er sich bei Uhland und Schwab bedankt, weiß ich nicht, zweifle aber daran. Mir dankte er, indem er kleine Geldsummen, die ich bei einer dortigen Verlagshandlung stehen hatte, hinter meinem Rücken zu erheben versuchte, und bei der Abreise mit dem Vorwurfe, ich habe ihn und seine Frau nicht anständig genug bewirthet, ich sei nicht werth, einen solchen Gast, wie er sei, zu beherbergen.

Während der ganzen Zeit seines Aufenthaltes bei mir war er spazieren gegangen und hatte keine Feder angerührt, kein Buch angesehen, sondern nur immer von den unsterblichen Werken gesprochen, die er schreiben werde.

In seiner Stellung in Augsburg blieb er kein volles Jahr. Die Julirevolution rüttelte seinen Genius plötzlich aus der Lethargie empor. Und nie hat ein Hochrother heftigere Ausfälle gegen eine Regierung drucken lassen, als G. gegen die baierische. Sein Styl bestand eigentlich aus lauter Keulenschlägen, die vorzüglich gegen den König gerichtet waren. Das ließ sich nicht wegleugnen, es war Geist in seinem Radicalismus. Er war einer der wenigen Jakobiner des südlichen Deutschlands und hatte sich in den unteren Schichten der Gesellschaft schnell einen nicht gering zu schätzenden Anhang verschafft. Kaum war die Sturmfluth etwas verlaufen, so wurde er verhaftet, vor Gericht gestellt und wegen Majestätsbeleidigung zu mehrjähriger Festungshaft verurtheilt. Seine Familie fiel der öffentlichen Mildthätigkeit anheim, und wenn ich einer mir zugegangenen Sage Glauben schenken darf, so haben sich Uhland und Schwab im Stillen dabei betheiligt.

Nach seiner Entlassung wandte sich G. mit den Seinigen nach der Schweiz, wo er in der S.’chen Buchdruckerei in A. eine Anstellung als Corrector fand.

Die Leute, von welchen ich in dieser kleinen Episode zu berichten hatte, sind fast alle todt: ob G. noch lebt, vermag ich nicht zu sagen. Ich habe nichts wieder von ihm vernommen. Wenigstens hat er von den Hoffnungen und Erwartungen, die er vor vierzig Jahren in so hohem Grade zu erwecken verstand, keine einzige erfüllt.