Textdaten
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Autor: C–s.
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Titel: Schlauheit der Elster
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 10, S. 160
Herausgeber: Ernst Keil
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1866
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Originaltitel:
Originalsubtitel:
Originalherkunft:
Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
Blätter und Blüthen
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Bearbeitungsstand
fertig
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[160] Schlauheit der Elster. Nach einer mühseligen entomologischen Excursion kam ich vor einigen Jahren an einem heißen Junitage, ziemlich erschöpft und nach Speise und Trank verlangend, auf einem Schulzenhofe an, dessen Besitzer mir seit vielen Jahren befreundet waren. Während die gastlich sorgliche Hausfrau in der Küche Kaffee für mich braute und der Schulze dem Großknecht noch einige dringliche Anweisungen zu geben hatte, stellte ich mich an das offene Stubenfenster, um mich an dem bunten Treiben der Thierwelt auf dem Hofe zu weiden. Der Schulze war offenbar ein Liebhaber von Federvieh, denn außer den gewöhnlichen Thieren dieses Schlages – zahlreichen gemeinen Hühnern, Tauben, Gänsen und Enten – bevölkerten kollernde Truthähne mit ihren Weibern, radschlagende Pfauen, Cochin- und andere Fremdhühner den Hof, und Perlhühner erhoben ihr ohrenzerreißendes Zetergeschrei, als der muthwillige Spitz hinter ihnen zu jagen begann. Schwäne, Schwangänse und türkische Enten zogen Linien und Kreise auf dem anstoßenden Teiche.

Fast verwirrt von dem Gewimmel und Getön, fiel mein Blick über die Umzäunung des Hofes auf einen freien Platz am Rande eines prächtigen Eichenwaldes. Hier erging sich eine große Hauskatze in auffallendem Spiel und merkwürdigen Sprüngen. Ich entdeckte bald, daß sie es mit einer unglücklichen Gefangenen, mit einem armen Mäuschen, zu thun hatte, welches sie in der bekannten grausamen Weise ein wenig frei laufen ließ, um es, wenn das geplagte Thier eben in ein Loch zu schlüpfen vermeinte, rechtzeitig immer wieder in den mörderischen Krallen zu haben. Plötzlich ertönte über der Mordscene hoch vom höchsten Eichbaume hernieder das laute Gekacker einer Elster, die sich sofort auf einen der niedrigsten nach außen herabhängenden Zweige des Baumes setzte und lüsternen Blicks auf das Treiben der Katze mit der Maus herabsah. Ihr Erscheinen war von der argwöhnischen Katze nicht unbemerkt geblieben, doch warf diese der unwillkommenen Gesellschafterin mit halbgewandtem Kopfe blos einen tückischen Blick zu und ließ sich übrigens in ihrem Spiel nicht stören. Jetzt ließ sich aber die Elster unter beständigem, lebhaftem Gekacker auf die Erde nieder und näherte sich der Mörderin von hinten. Diese wandte sich behende und machte, ihr Opfer kaum aus den Augen lassend, einen Sprung nach der Elster, die indeß schon wieder auf ihrem Zweige saß. Die Katze wandte sich wieder zur Maus, die ihrem Ende nahe schien, immer aber noch die Kraft besaß, einen Schritt oder zwei sich fortzuschleppen. Wie sich die Katze über sie hermachte, war auch die Elster schon wieder da und diesmal der Katze näher auf den Fersen, als das erste Mal, so daß diese sich zornig wandte und abermals einen vergeblichen Sprung nach der Elster that, die alsbald wieder auf ihrem sichern Zweige thronte. Als die Katze zur Maus zurückkam, lag diese in den letzten Zügen. Im Nu war die Elster wieder da und diesmal der Katze so nahe, daß sie fast ihre Schwanzspitze berührte. In größter Wuth fuhr nun die Katze auf, und da ihr die Elster wieder ebenso gewandt entschlüpfte wie die vorigen Male, rannte sie nach dem Eichbaume und kletterte in blindem Eifer an demselben einige Fuß hoch empor, wohl, um die Feindin weiter zu verfolgen. Darauf hatte diese aber offenbar nur gewartet, flog zu dem todten Mäuschen, entführte es in die Lüfte und ließ der beschämten Katze das leere Nachsehen.

So erzählte ein glaubwürdiger Freund und Naturkundiger.
C–s.