Schillers Antrittsrede als Professor in Jena

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Titel: Schillers Antrittsrede als Professor in Jena
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aus: Die Gartenlaube, Heft 21, S. 347–349
Herausgeber: Adolf Kröner
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Erscheinungsdatum: 1889
Verlag: Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
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Schillers Antrittsrede als Professor in Jena.

Der 26. Mai ist ein hoher Ehrentag für Jena und seine Universität; es ist der Tag, an dem vor hundert Jahren Friedrich Schiller in den Kreis ihrer Lehrer trat, der glänzendste Name unter all den Berühmtheiten, deren sich die glorreiche Hochschule vor andern erfreut. Aber auch für Schiller selbst und sein äußeres wie inneres Leben ist der Tag von Bedeutung.

Der Dichter der „Räuber“, dessen Poesie noch vor kurzem im „Don Carlos“ auf neuen Bahnen neue Bewunderung errungen hatte, war unter die Professoren gegangen! Viele seiner Verehrer wollten es nicht begreifen, sein bester Freund, der wackere Körner in Dresden, hatte Mühe, sich darein zu finden, und Schiller selbst konnte nur mit Wehmuth daran denken, daß er nun auf Jahre hinaus an Dinge gebunden sei, die von dem Lichtpunkt seiner Neigungen und Fähigkeiten so himmelweit entlegen seien. Aber er hatte seine guten Gründe zu dieser „heroischen Entsagung“. Einmal brauchte er auch für seine Dichtung gründlicheres Wissen, eine universellere Bildung: „ich gebe mehr aus, als ich empfange.“ Da schien sich die Geschichte zu empfehlen. Die Vorstudien zum „Don Carlos“ hatten ihn mit der niederländischen Rebellion bekannt gemacht, und er empfand es nun wie eine ebenso anziehende als fruchtbringende Erholung, diese Ereignisse in einem Werke darzustellen, von welchem Beifall und ein erklecklicher Gewinn zu erwarten stand. Denn das war nun der zweite, nicht minder bedeutsame Gesichtspunkt. Er war den Dreißigen nahe und hatte es mit all seinen dichterischen Triumphen noch nicht zu einer gesicherten Stellung im Leben gebracht; im Gegentheil, er mußte sich noch mit Schulden schleppen, die ihm alle Lebensfreude verkümmerten. Es ist ergreifend, diesen herrlichen Geist in seinem rastlosen Ringen um jene Zeit zu beobachten, wie er fast auf allen Umgang verzichtet, zwölf Stunden im Tag am Schreibtisch sitzt, wie er rechnet, seine Zeit auf die verschiedenen Arbeiten vertheilt, alle Kräfte dran setzt, zugleich seine Geldverhältnisse zu regeln und seine Bildung auf neue Grundlagen zu stellen. Nur zwei, drei Jahre noch, meint er, in der harten Lohnarbeit, fern von der geliebten Muse, dann winke die lichte Aussicht, zu ihr zurückkehren und dazu ein anderes Ideal erreichen zu dürfen, das neben all den kühnen Bestrebungen seines Marquis Posa in seinem Innern lebt, das Ideal einer still beglückten Häuslichkeit.

Wie reizend war ihm der Sommer 1788 verlaufen, eine sonnenhelle Idylle inmitten seines sturmbewegten Lebens! Nie hatte er sich so innig wohl gefühlt wie in dem kleinen Volkstedt bei Rudolstadt, wo ihm freundliche Sorge eine anmuthige Sommerwohnung ermittelt hatte. Alle Abende nach der harten Arbeit des Tages war er den ländlichen Fußpfad an der Saale hingewandert, dem hochgelegenen Fürstenschloß entgegen, das sich sonnbeschienen von den dunkleren Waldbergen abhob, und oft genug hatte ihn an dem Brückchen halbwegs unter den hohen, alten Bäumen das traute Lengenfeldsche Schwesternpaar erwartet, das sich in die Verehrung für den edelbewegten Dichter zu theilen schien, die geistvoll muntere Karoline, die dem Schwung seiner Phantasie überall hin zu folgen verstand, und die sinnige Lotte, der die zarte Anmuth eines fein empfindenden Gemüths aus den blauen Augen leuchtete. „Wenn wir ihn so,“ hat später Karoline erzählt, „im Schimmer der Abendröthe auf uns zukommen sahen, dann erschloß sich ein heiteres, ideales Leben unserem innern Sinn. Wie wir uns beglückte Geister denken, die sich in einem reineren Element eines vollkommeneren Einverständnisses erfreuen, so war uns zu Muthe.“

Die Erinnerung an diese schönen Stunden war Schiller nach Weimar zurück gefolgt, und das Bild der jüngeren Schwester hatte seine ernste Arbeit umschwebt. Da trifft ihn, kurz nach dem Erscheinen der „Niederländischen Rebellion“, der Antrag einer Professur in Jena. Goethe, Karl August selbst, waren in der Sache gründlich thätig; vermuthlich hatten auch die beiden Schwestern, welche viel bei Frau von Stein vermochten, ihre zarten Hände darin. Und Schiller nimmt an. An eine Besoldung freilich ist nicht zu denken – wir sehen da die ganze Jämmerlichkeit der kleinlichen Verhältnisse von damals –; wären auch von Weimar aus 200 Thaler, das Höchste, was erreichbar schien, beantragt worden, bei den vier andern „hochfürstlichen Nutritoren“ der Universität, Gotha, Koburg, Hildburghausen und Meiningen, wäre zum mindesten eine Bettelei nöthig gewesen, die Schiller seiner nicht würdig fand. Die Hauptsache ist ihm, „in eine gewisse Rechtlichkeit und bürgerliche Verbindung einzutreten“, die ihm eine Stellung gewährte und doch seine innere Unabhängigkeit und die Freiheit zu arbeiten nicht beschränkte. In kurzem muß ja doch eine bessere Berufung nachfolgen. Aber freilich, wie sich vorbereiten auf das neue Amt bei den vielen, vielen Aufträgen, die er übernommen hat und die des Geldes wegen höchst nöthig sind? Goethe sagt wohl: docendo discitur. Aber die Herren wissen alle nicht, wie kurz es mit seiner Gelehrsamkeit bestellt ist, und wie viel er „durch Lehren zu lernen hat“. Mancher Student weiß vielleicht mehr Geschichte als der neue Herr Professor. Aber, tröstet [348] er sich dann wieder, es müßte doch wunderlich zugehen, wenn er in jeder Woche nicht so viel zusammenlesen und zusammendenken könnte, um es ein paar Stunden auf eine gefällige Art auskramen zu können. Im ersten Halbjahr will er nur ein Kolleg von zwei Stunden lesen, und zwar, dem philosophischen Trieb seiner Natur entsprechend, über Universalgeschichte.

So siedelt er denn voll guten Muthes im Mai nach Jena über. Es ist rührend zu lesen, mit welcher Befriedigung der bescheidene Mann dem Freund von den neuen Verhältnissen berichtet: seine Wohnung, bei zwei alten Jungfern, die sehr dienstfertig, aber auch sehr redselig sind, findet er über Erwarten gut, drei Stübchen, die zusammenhängen, helle Tapeten, zwei Sofas, Spieltisch, drei Kommoden und anderthalb Dutzend Sessel, mit rothem Plüsch ausgeschlagen! Dazu das Wichtigste für ihn, der Schreibtisch, den er sich selbst hat machen lassen! Er hat nur zwei Carolin gekostet, und das Mittagessen bekommt er von seinen Wirthinnen auf seinem Zimmer um zwei Groschen, und Wäsche, Frisur, Bedienung – alles ist so billig, mehr als 450 Thaler im Jahr wird er schwerlich brauchen.

Und nun, am 21. Mai, stand von Schillers Hand die lateinische Ankündigung am schwarzen Brett, daß er seine öffentlichen Vorlesungen über „Einleitung in die Universalgeschichte“ nächsten Dienstag eröffnen und je am Dienstag und Mittwoch von sechs bis sieben Uhr abends fortsetzen werde. Er hatte absichtlich zwei aufeinander folgende Tage gewählt, um den Rest der Woche für seine Studien frei zu behalten. Die Spannung in den studentischen Kreisen war groß. Nirgends hatten ja die „Räuber“ so gezündet wie bei der Universitätsjugend, und gerade die Jenenser Studenten hatten es noch lange hernach und bis in die neueste Zeit herein im Brauch, zu jeder „Räuber“-Aufführung in Masse nach Weimar zu kommen und gewisse überlieferte Vorrechte dabei nachdrücklich geltend zu machen.

Der denkwürdige Tag, Dienstag der 26. Mai, war herangekommen. Zwei Tage darauf berichtet Schiller dem Dresdener Freund ausführlich über das „rühmlich und tapfer bestandene Abenteuer auf dem Katheder“, und immer wird man mit herzlicher Theilnahme den Brief lesen, in dem sich die innere Genugtuung nicht ohne einen Anflug von Humor in allerliebster Weise kundgiebt. Aus Bescheidenheit hatte er den mäßig großen Hörsaal in Professor Reinholds Wohnung vor dem Johannisthor bestimmt; ein allgemeines Kollegiengebäude gab es damals nicht. Vom Fenster des befreundeten Kollegen – er war Wielands Schwiegersohn – sieht Schiller immer neue Studenten, Trupp auf Trupp, die Straße heraufkommen, es will gar kein Ende nehmen. Bereits sind Vorsaal, Flur und Treppe voll gedrängt, und ganze Haufen ziehen wieder ab. Man schlägt Schiller vor, sofort ein größeres Auditorium zu wählen, das größte in der Stadt; es gehörte dem alten, würdigen Kirchenrath Griesbach. Schiller stimmt zu, und „zu Griesbach!“ schallt es nun von allen Seiten. Das lustigste Schauspiel beginnt: jeder will der erste sein, sich einen Platz zu sichern, in hellen Haufen stürzen die Studenten die lange Johannisgasse hinunter, die Straße kommt in Alarm, an den Fenstern ist alles voll, die Wache am Schloß geräth in Bewegung, man meint, es sei Feuerlärm. „Was ist’s denn? was giebt’s denn?“ heißt es von allen Seiten; „Schiller wird lesen!“ erwidern die Vorübereilenden. Als er nach einer kleinen Weile mit Reinhold nachkam, fand er bis zur Hausthür alles besetzt, selbst auf den Subsellien standen die Leute, und durch eine Allee von Zuschauern und Zuhörern mußte der Gefeierte zum Katheder ziehen, der kaum zu finden war. Bisher war es üblich gewesen, neue Professoren bei dem erstmaligen Betreten des Katheders mit Scharren und Stampfen zu empfangen. Bei Schiller zuerst verbot die natürliche Hochachtung den alten Brauch. All das erhob ihn, er las mit einer Stärke und Sicherheit der Stimme, die ihn selbst überraschte. Der Vortrag machte Eindruck, den ganzen Abend war von ihm die Rede, und der Tag schloß mit einer Nachtmusik und dreimaligem Vivat, was noch keinem neuen Docenten widerfahren war.

Schiller hat die beiden ersten Vorlesungen in der Abhandlung vereinigt, welche in seinen Werken den Titel trägt: „Was heißt und zu welchem Ende studiert man Universalgeschichte?“, ein Titel, der, sprachlich nicht untadelhaft, fast den Eindruck macht, als wollte sich der Herr Professor auch in seiner Ausdrucksweise den akademischen Überlieferungen anbequemen. Der Redner beginnt mit der berühmten Unterscheidung des Brotgelehrten, dem es beim Studium nur um die zu seinem Fortkommen erforderlichen Kenntnisse, und dem philosophischen Kopf, dem es um innerlich zusammenhängendes Wissen zu thun ist, und indem er diesen Gegensatz unmerklich erweitert und vertieft zu dem Gegensatz der beschränkten Fachgelehrsamkeit und der universellen, auf Einheit und Totalität dringenden Forschung, stellt er eben damit an der Schwelle jener großen und glücklichen Zeit, welche Jena nun in den zwei Jahrzehnten bis 1807 zu einer unvergleichlichen Blüthe emporhob, gleichsam das Programm, das geistige Zeichen auf, unter dem die Universität zu siegen sich anschickte, den Geist der wahrhaft freien und philosophischen Behandlung der Wissenschaft. Nur für den philosophischen Kopf, erklärt Schiller, hat das Studium der Universalgeschichte Bedeutung; denn diese ist im wesentlichen die Geschichte der Geistesentwickelung der Menschheit. Ihre Aufgabe ist, ein zusammenhängendes Bild der gesellschaftlichen Organismen, der verschiedenen Kulturzustände zu geben, die einzelnen Begebenheiten als Ergebnisse aller vorausgegangenen, als Momente im gesammten Weltverlauf zu verstehen; dabei wird sie aus der Summe der Ereignisse diejenigen herausheben, welche auf die heutige Gestalt der Welt einen wesentlichen und leicht zu verfolgenden Einfluß geübt haben, an dem überall erkennbaren Zusammenhang aber die großen Naturgesetze darlegen, welche den Gang der Geschichte beherrschen.

„Der Mensch verwandelt sich und flieht von der Bühne; seine Meinungen fliehen und verwandeln sich mit ihm: die Geschichte allein bleibt unausgesetzt auf dem Schauplatz, eine unsterbliche Bürgerin aller Nationen und Zeiten … Wie regellos auch die Freiheit des Menschen mit dem Weltlauf zu schalten scheine, ruhig sieht sie dem verworrenen Spiele zu; denn ihr weitreichender Blick entdeckt schon von ferne, wo diese regellos schweifende Freiheit am Bande der Nothwendigkeit geleitet wird. Was sie dem strafenden Gewissen eines Gregors oder Cromwells geheim hält, eilt sie, der Menschheit zu offenbaren: daß der selbstsüchtige Mensch niedrige Zwecke zwar verfolgen kann, aber unbewußt vortreffliche befördert.“ Indem der Redner so die geschichtliche Auffassung nach der sittlichen wie nach der geistigen Seite hin der Philosophie unterordnet, gelangt er zu dem schönen Schlußwort: „Unser menschliches Jahrhundert herbeizuführen haben sich, ohne es zu wissen oder zu erzielen, alle vorhergehenden Zeitalter angestrengt . . . Ein edles Verlangen muß in uns entglühen, zu dem reichen Vermächtniß von Wahrheit, Sittlichkeit und Freiheit, das wir von der Vorwelt überkamen und reich vermehrt an die Folgewelt wieder abgeben müssen, auch aus unsern Mitteln einen Beitrag zu legen und an dieser unvergänglichen Kette, die durch alle Menschengeschlechter sich windet, unser fliehendes Dasein zu befestigen . . . Jedem Verdienst ist eine Bahn zur Unsterblichkeit aufgethan, zu der wahren Unsterblichkeit meine ich, wo die That lebt und weiter eilt, wenn auch der Name ihres Urhebers hinter ihr Zurückbleiben sollte.“

Wir haben hier im Schwung der Sprache, in der Hoheit der Gedanken den ganzen Schiller, denselben, der schon als Studierender der Medizin eine „Philosophie der Physiologie“ schrieb, den es von Kind auf drängte, in allem, was er betrieb, die großen Zusammenhänge aufzuspüren, den ruhenden Pol in der Erscheinungen Flucht zu suchen, der alles ergründend spalten und wiederum alles verknüpfend zur Einheit einer umfassenden Totalität emporführen mußte. Und hier zumal wirkte zum ersten Mal der mächtige Geist auf ihn ein, der hernach für ihn so bedeutungsvoll wurde, Immanuel Kant mit seiner Abhandlung von 1784: „Ideen zu einer allgemeinen Geschichte in weltbürgerlicher Absicht.“

Es ist heutzutage üblich geworden, von Schillers geschichtlichen Arbeiten ziemlich gering zu denken. Und doch ist es nicht billig, sie von dem Standpunkt der heutigen Wissenschaft aus zu beurtheilen, der erst mehrere Jahre nach Schillers Tod durch Niebuhr begründet wurde Es ist ja kein Zweifel, daß Schiller in dem, was man, zumal nach unsern jetzigen Begriffen, von dem Geschichtsforscher verlangt, manche Blößen bietet, daß er überhaupt seine geschichtlichen Arbeiten, die ihm eben nur eine Durchgangsstufe sein sollten, mitunter zu leicht genommen hat. Vergleicht man ihn aber in seinen Leistungen mit den Historikern seiner Zeit, so überrascht nicht nur der sichere, oft geniale Blick, mit dem er, der geborene Dramatiker der Völkergeschichte, die Persönlichkeiten und Verhältnisse durchschaut, man lernt dann auch ganz besonders die formelle Meisterschaft seiner geschichtlichen Darstellung schätzen, welche [349] im Gegensatz zu den hochgelehrten, trockenen Kompendien von damals durch die leuchtende Kraft des Kolorits und die Fülle der ausgestreuten Gedanken die Beschäftigung mit Geschichtswerken rasch den Gebildeten lieb und werth machte. Und wenn allerdings die neuere Geschichtswissenschaft von dem Versuch, den Gang der Weltgeschichte nach philosophischen Begriffen aufzubauen, übel denkt, jene anderen Seiten, welche dem Geschichtschreiber mit dem Philosophen, dem Dichter gemeinsam sind, der große Ueberblick, die Wahl der treffenden Gesichtspunkte, der innere Sinn für den lebendigen Zusammenhang des Geschehenden, die Kunst des Aufbaus, der Gliederung, der anschaulichen, fesselnden Darstellung, all das wird immer unsere Bewunderung des Schillerschen Geistes auch in seinen geschichtlichen Werken rege erhalten.

Leider konnte Schiller die mit so gutem Erfolg eröffneten Vorlesungen, denen er gelegentlich auch eine von ästhetischem Inhalt einfügte, nur drei Semester ohne Unterbrechung fortführen. Im Januar 1791 überfiel ihn jenes schwere Leiden, das von da an nicht aufhörte, an seinem Leben zu zehren. Inzwischen aber hatte er seine geliebte Lotte heimgeführt, und an ihrer Seite, in freundlich belebter Häuslichkeit war ihm dieses kleine Jena in seinem lieblichen Thal mit dem rauschenden Fluß und den schöngeformten Berghöhen so werth geworden, daß er ihm auch dann noch treu blieb, als aus der geliebten Heimath ein lockender Ruf an die Universität Tübingen kam. „Kein Ort in Deutschland,“ schrieb er damals, „würde mir das sein, was Jena und seine Nachbarschaft mir ist; denn ich bin überzeugt, daß man nirgends eine so wahre und vernünftige Freiheit genießt und in einem so kleinen Umfang so viel vorzügliche Menschen findet!“ Und seit nun vollends seinem Geiste im Bunde mit Wilhelm v. Humboldt und dann mit Goethe selbst ein unendliches Labsal bereitet ist, seit in der idyllischen Abgeschiedenheit seines Gartenhauses sein poetischer Genius, durch die geschichtlichen und ästhetischen Arbeiten lange zurückgehalten, aufs neue mächtig und siegreich sich aufschwingt, da fühlt er sich in großartiger Erhebung über Krankheit und körperliche Schwäche innerlich tief und voll beglückt, mit den Besten seiner Zeit verbunden, mit dem Geiste seines Volkes in innerer Fühlung, der geistige Führer der Nation auf der neu eröffneten Bahn der hohen Tragödie; und gerade sein Wallenstein, der noch ganz in Jena vollendet wurde, zeigt am schönsten, wie fruchtbar und bedeutend die Vertiefung in geschichtliche Studien, die zu der Jenaer Professur geführt hatte, auch für seine Dichtung und eben damit für die Mit- und Nachwelt geworden war.