Textdaten
<<< >>>
Autor: J. Freytag
Illustrator: {{{ILLUSTRATOR}}}
Titel: Die Goldgräber der Rauris
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 21, S. 349–350
Herausgeber: Adolf Kröner
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1889
Verlag: Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig
Drucker: {{{DRUCKER}}}
Erscheinungsort: Leipzig
Übersetzer:
Originaltitel:
Originalsubtitel:
Originalherkunft:
Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
Eintrag in der GND: {{{GND}}}
Bild
[[Bild:|250px]]
Bearbeitungsstand
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Um eine Seite zu bearbeiten, brauchst du nur auf die entsprechende [Seitenzahl] zu klicken. Weitere Informationen findest du hier: Hilfe
Indexseite
[349]

Die Goldgräber der Rauris.

Von J. Freytag. Mit Abbildungen von H. Nestel.

Edle Metalle haben äußerst selten ihre Lagerstatt tief im Erdinnern aufgeschlagen. Sie drängten sich bei einstigen Eruptionen durch ihre größere Leichtigkeit an die Oberfläche, so lehren Erfahrung und Wissenschaft. Die neue Phase der Technik, welche unser Jahrhundert geschaffen, kann alles umgestalten; ob es ihr aber jemals gelingen wird, direkt aus dem Boden der mütterlichen Erde noch heut außergewöhnliche Goldwerthe zu erschließen, ist jedenfalls für Europa zu bezweifeln.

Das Goldbergwerk in der Rauris.

Was wir ernten können, das sind nur die mühsam zu gewinnenden Reste edler Metalle, welche an den Stätten einstiger offener Lager zwischen härteren Erzen festgehalten wurden. Es ist ein lehrreicher Rückblick, den wir auf die Geschichte des europäischen Bergbaues werfen können, indem wir das Einst und das Jetzt vergleichen. – In ganz besonderer Weise tritt uns der Unterschied zwischen der früheren und heutigen Ausbeutung der Edelmetalllager entgegen, wenn wir den Bergwerken im Salzburger Land unsere Aufmerksamkeit zuwenden. Hier fanden römische Scharen, als sie ihren Weg über die norischen Alpen nach dem Norden suchten, offene Goldlager, und mühelos fielen ihnen die werthvollen Schätze zur Beute.

Die sogenannten Bergwerke, welche von ihnen an den Fundorten errichtet wurden, waren offenbar nur ein leichtes Ausschachten der zu Tage getretenen Adern des edlen Metalles. Ein systematischer Bergbau wurde erst von dem unternehmenden Hause der Fugger im Mittelalter ins Leben gerufen. Es waren damals fürstliche Schätze, welche das Salzburger Land den Begründern in den Schoß warf und sie demgemäß zu einem fürstlichen Hause emportrugen. Wäre aber von dem reichen Gewinn jener Zeit nur ein kleiner Theil andauernd zu besserem Weiterbetriebe veranlagt worden, so hätten ganz andere Ergebnisse erzielt werden können, während bei der Unterlassung einer soliden Fundirung die Werke für immer verloren gehen mußten.

Die Ueberlieferungen erweisen, daß gerade die wichtigsten Fundorte vergletschert sind, dagegen konnten sich die Menschen im Hochgebirge wenig schützen. Aber es traten noch andere Umstände hinzu, welche der hohen Blüthe einer für jene Zeit seltenen Kultur ein beklagenswerthes Ende bereiteten. Die vom Hause Fugger hingesandten Bergarbeiter aus Goslar brachten im 16. Jahrhundert die neue Lehre des Protestantismus ins einsame Thal und fanden dort gar bald Gesinnungsgenossen. Grund genug für die finsteren Mächte jener Zeit, darob einen Bruderkrieg zu beginnen, der das blühende Kulturleben im Lande Salzburg vollständig vernichten mußte. Was der Verfolgung nicht erlag, wurde vertrieben, so daß während der traurigen Zeit des Dreißigjährigen Krieges der Bergbau ganz eingestellt wurde. Wohl versuchte später die österreichische Regierung, auf Staatskosten wenigstens einige der Bergwerke wieder in Betrieb zu setzen, aber sie hat wenig Vortheile davon gehabt. Bei den Goldbergwerken in Böckstein und auf der Rauris hat sie andauernd nicht unbeträchtliche Zuschüsse zahlen müssen, um sich schließlich dennoch genöthigt zu sehen, beide Betriebe einzustellen. Seltsam eigenartige Umstände haben dann in beiden Orten ein neues Leben wachgerufen. Während das erstgenannte Goldbergwerk in unmittelbarer Nähe von Gastein allen Besuchern des heilkräftigen Bades bekannt ist, muß man schon ein tüchtiger Bergkletterer sein, um das 2371 Meter über dem Meere gelegene Rauriser Goldbergwerk erreichen zu können. Früher war das freilich anders, da führte ein jetzt vergletscherter Aufstieg unmittelbar auch aus dem Gasteiner Thale hinauf. Der direkte Weg durch das Rauriser Thal bis Kolm-Saigurn, der Bergbauansiedlung, ist von der Eisenbahnstation Lend 9 Stunden, von Taxenbach 8 Stunden lang. Zwischen Taxenbach und Kolm-Saigurn liegt nur der Markt Rauris und weiter hinauf das Dorf Bucheben, mit 166 Einwohnern und einer 1783 erbauten Kirche.

[350] Von dort erhebt sich die grandiose Gletscherwelt der Rauriser-Tauernkette zunächst im Herzog Ernst, dessen Vorläufer, Goldberg und die Schareck, jene seltenen Schätze bergen. Dennoch waren diese so mühsam zu heben, daß die österreichische Regierung 10 000 Gulden jährlichen Zuschuß zahlen mußte. Als aber das Urtheil ihrer Sachverständigen dahin lautete, daß, um den Bergbau lohnender zu gestalten, es unerläßlich sei, eine Eisenbahn zu bauen, welche sie auf 15 000 Gulden für die kurze Strecke veranschlagten, da fand man es vortheilhafter, den Betrieb einzustellen. Dazu kam es jedoch glücklicherweise nicht, denn unter den zu Entlassenden war einer, welcher sich zutraute, den nothwendigen Bau billiger auszuführen, um sich und seinen Gefährten die Existenz erhalten zu können. Es war der derzeitige k. k. Hutman Ignaz Rojacher, welcher keinen Kreuzer Geld besaß, als das, welches er sich von seinem Lohn mühsam erspart hatte. Kühn trat er nach Vereinbarung mit seinem Freunde, dem k. k. Hutman Toni Pelzler, an die Regierungsbeamten mit dem Gesuch, ihm den Betrieb in Pacht zu geben. Was konnte man Besseres thun? Ignaz Rojacher war ein kreuzbraver Bursch, der schon als Geißbub seine armen Eltern zu unterstützen gewußt hatte. Als Bergknappe begriff er dann im Zusammenleben mit einer an Kenntnissen ihm überlegenen Mehrheit den Vortheil einer besseren Schulbildung. So war es sein erstes Ziel, seine Freistunden dazu zu benützen, um schreiben und lesen zu lernen. Sicher war es der richtige Weg zu seinem Fortkommen, denn schon nach wenigen Jahren wurde er von seinen Vorgesetzten zum Hutman befördert. Als solcher wußte er sich offenbar eine ganze Summe von Kenntnissen zu erschließen, wozu ihm im Betriebe selbst die mannigfachste Gelegenheit geboten wurde. Dazu kam, daß sein Freund Toni nicht ohne Kenntnisse in der Chemie war, und so konnte der kühne Schritt gewagt werden, ohne die bisherigen Vorgesetzten und Fachgelehrten einen so umfassenden Betrieb zu übernehmen.

Das Poch- und Waschwerk Kolm-Saigurn am Fuße des Rauriser Goldberges.

Das war im Jahre 1875. Als Pächter der umfangreichen Werke baute sich Ignaz Rojacher jene nothwendige Bahn, welche gleichzeitig durch die thalwärts gehenden Erzwagen die leeren wieder hinaufwindet. Er baute sie ebenso, wie sie nach den Regierungsplänen veranschlagt war, aber ihn kostete sie nur 6000 Gulden. Während ihm nun der Ertrag der Arbeiten gestattete, alle nothwendigen Verbesserungen durchzuführen, konnte er natürlich einen hohen Reingewinn noch nicht erübrigen. Es war aber eine sichere Anlage des Gewinnes, ihn dem Betrieb selbst anzuvertrauen, und als sechs Pachtjahre verflossen waren, hatte Rojacher immerhin 3000 Gulden baren Ueberschuß.

Da trat er sofort an die Regierung mit dem Gesuche, ihm das gesammte Bergwerk verkaufen zu wollen, um ganz unabhängig arbeiten zu können. Da man begriff, daß der mühsame Betrieb nur für denjenigen zu einer wirklichen Goldader werden könne, welcher, abgeschlossen von der Welt, mitten in dieser Umgebung der Bergriesen sein Leben ganz und gar der Arbeit widmete, so willigte man ein. Für den Kaufpreis von 4500 Gulden gingen die gesammten Eigenthumsrechte an den wackern Pächter über, der damit, nach der Ausdehnung des erworbenen Gebietes, einer der ersten Großgrundbesitzer werden mußte.

Kolm-Saigurn hat eine schöne Kapelle mit altdeutschem Altar, welche dem Poch- und Waschwerk seinen Abschluß als Gemeindeverband verleiht. Auch einige Gäste finden gute Unterkunft, denn an Nahrung mangelt es nicht. Lustig spazieren in dieser Höhe von 1597 Metern Hühner und Geißen (im Sommer 40) und ständig zwei Kühe. Im Bodenhaus auf der Alm stehen weitere 4 Kühe, 5 junge Rinder nebst 20 Geißen, während ganz oben am Bergwerk nur noch Gemsen ihre Nahrung finden.

Eine Telegraphenleitung führt jetzt bereits vom Pochwerke längs des Aufzugs zum Maschinenhaus, welches 2177 m hoch sich befindet. Von dort geht dieselbe längs der 210 m langen Bremsbahn zu dem 2330 m hoch gelegenen Bremshaus, von diesem zu dem 2341 m hoch gelegenen Knappenhause. An die Bremsbahn schließt sich ein 600 m langer, auf Drahtseilen eingerichteter Aufzug. Von den vielen in diesen wenigen Jahren durchgeführten großen Neuerungen ist wohl ein überraschender Beweis auch die Thatsache, daß die Poch- und Waschwerke wie die Wohnräume bereits seit 1883 mit elektrischem Licht versehen sind. Interessant ist gleichfalls der Umstand, daß für die dortigen Verhältnisse es nothwendig war, die Leitung des Telephons anders zu gestalten, welche Ignaz Rojacher nach seinen eigenen Ideen hat umarbeiten lassen. Mitten in dieser einsamen Gletscherwelt lebt unser „Naz“, wie er in der urwüchsigen Ausdrucksweise noch heute genannt wird, umgeben von fast 100 seiner Arbeiter, mit denen er alle Lebensbedingungen in gleichen Gewohnheiten festhält. Da sind 50 eigentliche Bergknappen, 25 Hilfsarbeiter, die alle neben dem Bergbau noch eine Handwerksgeschicklichkeit besitzen müssen, um in dieser abgeschiedenen Welt allen Bedürfnissen gerecht werden zu können. Weil außer Salat in dieser Höhe nichts mehr von Pflanzen für die Küche gedeihen will, so bezieht unser guter Haushalter alle die Viktualien im Großen nach festem Abkommen aus dem Thal, bis aus Salzburg, um seinen Leuten, von denen er sich nach wie vor dutzen läßt, Besseres bieten zu können. In den Wintermonaten, wo die Beförderung größere Schwierigkeiten bereitet, läßt er nur den Bergbau betreiben und lebt wochenlang mit seinen Leuten in der Knappenstube, während sein getreuer Toni in seinem abgesonderten Revier den letzten weihevollen Akt im Goldschmelztiegel handhabt.

Es ist wohl ein in Europa allein dastehendes Beispiel, daß die Kraft eines einzelnen solche Erfolge auf einem Gebiete zu verzeichnen hat, welches erheischte, daß der wackere Mann sein eigener Hutman, Ingenieur, Architekt, Chemiker, Verwalter, Oekonom und Wirth sein mußte.

Und der Ertrag aller dieser Mühe? Bis jetzt ist noch keine Glücksader aufgeschlagen, immerhin ergab der Ertrag im ersten Jahre 6 Kilogramm feines Gold (= 16 740 M) und 900 Centner Schliche, das heißt gepochtes und gewaschenes Erz minder kostbarer Art. Im Jahre 1884 wurden infolge der angewandten besseren Arbeitsmittel hingegen schon 9 Kilogramm des allerfeinsten Goldes (= 25 110 M) und 1500 Centner Schliche gewonnen.

Dieser Ertrag wird vielen als ein zu geringer Ersatz für all die aufgewandte Mühe erscheinen, da die begehrliche Phantasie des Menschen annimmt, daß, wenn man einmal Gold gräbt, man doch auch gewaltige Schätze hervorzaubern muß. Aber auf solche Wundergabe einer verschwenderischen Fülle dürfen wir in Europa nicht mehr rechnen, wenn auch der treuen unermüdlichen Thätigkeit des wackern Ignaz Rojacher in Zukunft noch ein reicherer Lohn zu theil werden dürfte.