Textdaten
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Autor: August Diezmann
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Titel: Schiller’s Gedichte
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aus: Die Gartenlaube, Heft 37, S. 591–592
Herausgeber: Ernst Keil
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Erscheinungsdatum: 1868
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
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[591] Schiller’s Gedichte. Der Buchhändler Hempel in Berlin, der eine sogenannte „Nationalbibliothek sämmtlicher deutscher Classiker“ herausgiebt, kündigt auf dem Umschlag des sechsundfünfzigsten Heftes an: „es gebe mehrere hundert Schiller’scher Gedichte, die sich in keiner Ausgabe fänden, die er aber für zwei und einen halben Silbergroschen mittheilen werde“. Es ist wahr, es giebt viele Schiller’sche Gedichte, welche in allen bisherigen Ausgaben fehlen, obgleich sie bekannt genug sind. Sie fehlen eben in den Ausgaben der Schiller’schen Gedichte, weil der Dichter selbst, Schiller, sie nicht anerkannt und somit verworfen hat. Dem Dichter allein und ausschließlich muß jedenfalls das Recht zustehen, sowohl diejenigen seiner Gedichte auszuwählen, welche auch der Nachwelt vorgelegt werden sollen, als jene auszuschließen, welche er seines Namens nicht für würdig hält. Niemand wird einem Dichter dieses Recht absprechen, nur Herr Hempel thut es. Er läßt eine Sammlung von Gedichten drucken und wählt vorzugsweise solche aus, die Schiller nach reiflicher Ueberlegung ausschied. Diese Sammlung kündigt er nicht etwa als „von Schiller verworfene Gedichte“, sondern einfach als „Schiller’s Gedichte“ an, weil – er ein gutes Geschäft damit zu machen hofft. Aber es handelt sich hier um mehr als um ein Geschäft, es handelt sich um einen guten Namen, ja um einen der glänzendsten deutschen Namen. Auch Herr Hempel wird wissen, daß Schiller bisher vorzugsweise für den Dichter der Jugend galt, weil er der keuscheste und reinste war, da die Menge den Schmutz und die Rohheiten nicht kannte, womit Schiller in der Jugend, in der Zeit, als er „die Räuber“ schrieb, seine Feder befleckte und die nun Herr Hempel so sorgsam gesammelt hat. Auch jener Glorienschein von Reinheit und Keuschheit mußte um des Geschäfts willen vernichtet werden! Warum nicht? Hat es doch zu jeder Zeit Herostrate gegeben! Die Tempel werden ja neu aufgebaut und der Glorienschein wird glänzender wieder hergestellt.

Wer aber heilt nun den Schaden, der jungen Herzen angethan wurde? Herr Hempel hat seine Speculation darauf gebaut, daß von allen deutschen Büchern keines mehr und mit mehr Andacht und Begeisterung gelesen wird, als Schiller’s Gedichte. Wenn nun der Schmutz, den Herr [592] Hempel unter Schiller’s hochverehrtem Namen wohlfeil verkauft, auch nur in einem unschuldigen jungen Herzen unreine Gedanken weckt, so trifft die Schuld den Verleger, wie die Bibel sagt: „Wehe dem, von welchem Aergerniß kommt“. Herr Hempel giebt viel und Vielen Aergerniß und den Schaden, den er anrichtet, kann er nicht gut machen, selbst wenn er der Stiftung, welche Schiller’s Namen trägt, zehntausend Thaler als Buße zahlt. Seine Ausgabe von „Schiller’s Gedichten“ darf man der Jugend nicht in die Hand geben, und es wäre sehr zu wünschen, daß derselben der Eingang in jedes deutsche Haus, in jede deutsche Familie gewehrt werde, ja, daß das ganze deutsche Volk laut und öffentlich mit Entrüstung seinen „Schiller“ zurückwiese, denn es ist nicht der, welchen dasselbe an seinem hundertsten Geburtstage mit Jubel gefeiert hat – „so weit die deutsche Zunge klingt.“

Ich nenne die schlimmen und die schlimmsten Gedichte nicht. Hält aber Herr Hempel meine Worte für zu stark, so lade er zehn ehrbare, gebildete deutsche Frauen in sein Haus und lege diesen die Frage zur Entscheidung vor. Einem solchen Ausspruche unterwerfe auch ich mich.

A. Diezmann.