Scheffel’s Jubiläumsgruß
[290] Scheffel’s Jubiläumsgruß. Joseph Victor von Scheffel erblickt in der in Nr. 12 der „Gartenlaube“ veröffentlichten poetischen Entgegnung auf seinen Jubiläumsgruß einen Angriff gegen seine literarische Ehre und hat sich deshalb mit einer Beschwerde an uns gewendet. Es muß uns schmerzlich berühren, daß Derjenige, welcher im Drange seines warmen Herzens jenen Worten des „Bettlers vor dem Throne“ die Aufnahme gewährte, seitdem nicht mehr unter den Lebenden weilt und also seine Entscheidung in dieser seiner Angelegenheit nicht selber treffen kann. Der Protest des Dichters ist leider um einige Tage zu spät gekommen. Wie jedoch Jeder sieht, hat Ernst Keil das betreffende Entgegnungsgedicht nicht abgedruckt, ohne einen deutlichen Beweis zu geben, daß ihm eine mißverständliche Auffassung der Scheffel’schen Verse und jede Absicht eines Angriffs auf den Charakter des Dichters vollständig ferngelegen hat. Der Beweis liegt in der Bemerkung, welche er unter den Text des betreffenden Entgegnungsgedichtes stellen zu müssen glaubte. Aus eigener Erfahrung können wir bezeugen, daß er mit uns dem gefeierten Dichter des „Ekkehard“ stets die freundlichste Gesinnung, die herzlichste Verehrung und Anerkennung gewidmet hat. Die gegenwärtig fungirende Redaktion dieses Blattes glaubt daher der Pietät gegen den so allseitig verehrten Gründer und bisherigen Führer der „Gartenlaube“ nicht untreu zu werden, sondern ist vielmehr überzeugt, ganz in seinem Sinne, im Geiste seines starken Gerechtigkeits- und Billigkeitsgefühls zu handeln, wenn sie über seinem frischen Grabe keinen unnützen Hader erwachsen, keine bitteren Empfindungen in solchen Persönlichkeiten sich festsetzen läßt, von denen uns zweifellos ist, daß sie ihm wert gewesen sind. Gern und ohne Zögerung kommen wir darum dem Wunsche Scheffel’s nach, indem wir dem Urtheile unserer Leser nachträglich auch den vollen Wortlaut des Festgedichtes bieten, welches zu jenem herben Schmerzensrufe den Anlaß gab. Der Jubiläumsgruß Scheffel’s an den Großherzog von Baden lautet:
Heut’ weh’n die Banner gelb und roth; heut’ jubilirt das Badnerland,
Daß es in Freud’ wie Leid und Noth in Friedrich seinen Führer fand.
Was nebelfern, erreichbar kaum vor fünfundzwanzig Jahren schien,
Gelobt sei Gott! es blieb kein Traum, es ward erreicht durch Gott und Ihn.
Der Zwietracht Wunden heilgenarbt, das Land versöhnt und wohl bestellt,
In milder Pflege, wer noch darbt, – gleich einem Garten Wald und Feld,
Des Rheins Geländ’, des Schwarzwalds Höh’n durchschnaubt von frohem Dampfroßschall,
Die Städte neugebaut und schön - Gewerb’ und Schulen überall;
Im Glauben keine Scheidewand, ein sittig Volk in Bildung frei,
Geeint durch der Verfassung Band, dem Kaiser und dem Reiche treu,
Familienglück in jedem Haus, - des Lebens Müh’n von Kunst verklärt –
Und droht der Feind mit blut’gem Strauß, ein deutsches Heer, ein siegreich Schwert:
So war sein fürstlich Ideal! Und wie Er treu ihm nachgestrebt,
Weiß Jeder, der des Zweifels Qual, des Siegs Gewißheit miterlebt.
Schon reift die Saat, die Er gestreut, und ein Geschlecht, das Er erzog,
Ruft jubelnd einstmals wie wir heut: Dank, Friedrich, Badens Großherzog!