Rom als Handelsstadt
Rom als Handelsstadt,
Die meisten Reisebeschreiber haben zuviel mit Kunst, Alterthum, Kirchenfesten etc. zu unterhalten, als daß sie sich mit dem Handel in Rom befassen könnten. Es ist übrigens auch leichter, über die Wallfahrtskapellen im Colosseum zu klagen, und Canovas Perseus mit dem belvederischen Apoll zu verglichen, als sich in diesem Lande statistische Notizen zu verschaffen. Auch alle Handbücher für Reisende schweigen über die meisten Punkte, welche diese rellen Interessen berühren. Darum gebe ich hier einige Notizen lückenhaft und oberflächlich, aber im Glauben, daß sie auch in dieser Gestalt meinen Landsleuten von einigem Nutzen seyn können.
Von jeher hatte der Römer keinen Hang zur Handelschaft, und schon im alten Rom trieben Ausländer den Handel, im Mittelalter Genuesen, später Florentiner. Auch jetzt ist er noch meist in den Händen ausländischer Häuser. Die Römer haben alle Talente, reich zu werden, keines, reich zu bleiben. Man hört sie zwar beständig von Geldgeschäften reden, kaufmännischen Geist aber, und die dazu nöthige Selbstverläugnung und Gewissenhaftigkeit haben sie nicht; in Neapel ist es noch schlimmer, auch dort ist der Handel von jeher den Ausländern anheimgefallen. In Rom befindet sich, trotz zweier Staatsbankerotte, und der französischen Einfällen noch sehr viel Geld, aber, wie in Spanien, mehr in Baarschaft und Silberzeug, als in activen Capitalien. Persönlicher Credit ist bei so verwickelter Gesetzgebung, bei so starker Bevorrechtung Eines Standes, natürlich selten. Doch zahlen die sichersten Schuldner in den Provinzen 2% mehr Zinse als in der Hauptstadt.
Rom hat einen Hafen, d. h. einen mit Magazinen umgebenen Landungsplatz, und für die Schiffe, welche den Tiber herabkommen, den Hafen von Ripetta. Die Landstraßen von Livorno, Florenz, Bologna, Ancona und Neapel laufen hier zusammen, mehrere Nebenstraßen sind von hier auf kürzere oder längere Strecke (selten über 50 Miglie) fahrbar. Die Ausfuhr Roms besteht in Getraide, Wolle, Puzzuolana, Lumpen, Saiten, Häuten, und zuweilen in Holz und Faßdauben, die Einfuhr in Colonialwaaren, gesalzenen Fischen, Tuch-, Linnen-, Baumwollen- und Seidenwaaren, Leder, Eisen, Quincaillerie und Wein. Für den Handel nach der See und von der See ist Civitavecchia der Zwischenposten. Stadt und Hafen sind außer der Mauthlinie, nur Salz und Tabak darf nicht gelöscht werden. Getraide geht vorzüglich in die Häfen des Mittelmeers, die Wolle nach Frankreich, die Puzzuolana als Ballast in die ganze Welt, die Lumpen nach Genua, die Darmsaiten nach dem Norden, Holz nach Frankreich. Die Einfuhr der Colonialwaaren wird aus Genua und Livorno, selten direct besorgt. Die Ellenwaaren werden auf der Messe von Sinigaglia bestellt, oder hier von Reisenden verkauft. Die Juden sind vorzüglich im Besitze dieses Handels, daher ist es sehr schwer, ganz vorzügliche Waare zu erhalten. Ebenso verhält es sich mit dem Ueberleder, denn das Sohlenleder wird hier sehr gut bereitet. Eisen kömmt von Elba und Gußwaaren sendet Frankreich, Quincaillerie kömmt vorzüglich aus Marseille, ist häufig verschleuderte Waare von Speculanten aufgekauft, und wird mit großem Gewinn, aber auch mit großer Wagniß und langem Kredit wieder verkauft. Wein wird aus Sicilien, Neapel, Sardinien und Spanien, aus Frankreich, ja aus Toscana, zur Schande der inländischen Weinbergsbesitzer, eingeführt. Der Hauptartikel der Einfuhr aber, welche 2–3 Mill. Scudi beträgt, sind die gesalzenen, gedörrten, marinirten Fische, Caviar etc., welche während der Fasten zu großem Nutzen der Engländer und Genueser, und zum Schaden der Gesundheit der Einwohner, gegessen werden müssen. Die hohen Salzpreise schrecken von Unternehmungen dieser Art an den römischen Küsten ab, und die Regierung vergütet den Salzaufschlag nicht. Dieser Handel beschäftigt die Mercanti di ripa vorzüglich. Rom versorgt einen ziemlich weiten Umkreis damit. Aus- und Einfuhr werden durch das Geld, welches die Reisenden in Rom verzehren, und welches der Datarie zufließt, in’s Gleichgewicht gebracht. Die französische Herrschaft hat mit vielen Bedürfnissen bekannt gemacht, im Ganzen herrscht aber weniger Luxus als ehemals. Möbeln, Wagen, Glas, Fortepianos werden erst seit Menschengedenken, und kaum mittelmäßig hier verfertigt. Die Hüte, Seidenzeuge und andere sonst berühmte Ausfuhrartikel sind sehr zurückgeblieben. Einige Marmor- und Mosaik-Arbeit wird durch viele kleinere hier übergangene Einfuhrartikel überwogen. Ebenso der Buchhandel, welcher sehr mit Verordnungen und Willkür zu kämpfen hat.
Die Durchfuhr wäre, wie ein Blick auf die Karte darthut, unbedeutend, wenn nicht in neuerer Zeit, durch die neapolitanischen Mauthgesetze, der Verbrauch der neapolitanischen Grenzprovinzen dem Schmuggelhandel von [486] Rieti anheimgegeben wäre. Dieser Handel fängt an, für Rom sehr bedeutend zu werden.
Der Wechselhandel hat durch das alljährige Einkehren der Fremden seinen eigenthümlichen Gang, weil in dieser Zeit natürlich die nordischen Papiere sich auf einmal anhäufen. Die Börse ist nicht öffentlich. Nur einige öffentlich anerkannte Bankiers dürfen darauf erscheinen. Es besteht eine Depositobank, die dem Hospital S. Spirito gehört; eine Discontobank, welche hier vor drei Jahren errichtet wurde, hatte das erste Bankhaus gegen sich, und macht schwache Geschäfte.
In Staatspapieren wird wenig gethan. Die römischen sind beinahe ganz in unbeweglichen Händen, in fremden wird nicht stark speculirt.
Es fehlt der römischen Handelsgesetzgebung an Stätigkeit und Klarheit, den Kaufleuten an Kredit und Kaufmannsgeist – wer es vermag, läßt sich adeln, und fängt an, auf großem Fuß zu leben, läßt den Handel in fremden Händen – dem Volke, um sich das Leben bequemer zu machen, an Arbeitsamkeit, der Umgegend an Landstraßen, und dem Tiber selbst an einer sicheren Fahrbahn. Ein Dampfboot zum Bugsiren der Schiffe soll demnächst das Büffelfuhrwerk ersetzen.