Rittergüter und Schlösser im Königreiche Sachsen: Röhrsdorf

Textdaten
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Autor: M. G.
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Titel: Röhrsdorf
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aus: Meissner Kreis, in: Album der Rittergüter und Schlösser im Königreiche Sachsen. Band 2, Seite 193–195
Herausgeber: Gustav Adolf Poenicke
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Erscheinungsdatum: 1856
Verlag: Expedition des Albums Sächsischer Rittergüter und Schlösser
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Commons = SLUB Dresden
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Röhrsdorf


auch Kleinröhrsdorf, das Rittergut Haus Röhrsdorf genannt, 2¼ Stunde westlich von Pirna und südsüdöstlich von Dresden, 1 Stunde von Dohna, an einem wohlunterhaltenen Nebenwege der Strasse von Dresden nach Maxen gelegen, mit Borthen, Gurknitz u. a. O. rainend, in einem flachen, über das Elbthal sehr erhöhten Grunde, dessen Bächlein bei Wittchensdorf im Süden quillt, hier aber ost- und dann nordostwärts fliesst, unweit Gamig den Gurknitzer Bach aufnimmt, 500 Schritte unter Dohna das rothe Wasser erreicht, an welchem hin sich die herrlichsten Spaziergänge befinden, sowie die ganze Umgegend wie in einen Park umgeschaffen ist: Ueberall Gänge, Alleen, Bänke. Auf einem Hügel im Westen, dem Steinberge, sind auch mehrere Ringe aus grossen Steinen so gelegt, als bildeten sie sogenannte Heidengräber. Alle diese Punkte bieten die reizvollste Uebersicht des Elbthals aus der sächsischen Schweiz herab bis Dresden dar. Auch verschönert das Birkenholz im Süden, worinnen Spaziergänge geführt sind, die Gegend.

Am herrlichsten wird die Gegend durch das dasige Schloss geschmückt, welches zu den ansehnlichsten von Sachsen gehört und zwei Flügel von drei Etagen, auch einen besondern Hof begreift. Vom hohen Schlossthurme geniesst man wohl eine der reizendsten Fernsichten.

Der sehenswerthe, mit seltenen Gewächsen reichlich versehene, zum Theil im französischen Geschmack angelegte Ziergarten verbreitet sich im Süden zum Bache hinab; durch colossale Statuen von Knöfel (Bacchus und Flora) erhielt derselbe noch mehr Interesse.

Der Garten ist vom Amtshauptmann, dem nachherigen Obersteuer-Director und Kammerherrn Georg Heinrich von Carlowitz angelegt. Vielfache Andenken seiner zahlreichen Freunde, die bald durch steinerne Denkmäler, bald durch Inschriften auf Blechtafeln an Bäume befestigt, den treuen Freundessinn herzlich aussprechen, bilden noch jetzt in diesem Garten ein lebendiges Stammbuch der Freundschaft und der wohlverdienten Liebe Aller, die ihn kannten.

Ein Einsiedlerhaus, dessen innere Wände mit Strohgeflecht bekleidet sind, bietet dem Besucher einen Ruhepunkt und bei unfreundlicher Witterung einen Camin zur Erwärmung, der mit schönen Krystallen, Achaten und Amethysten ausgelegt ist.

In der Kuppel des Innern befinden sich Inschriften, die von den älteren, nunmehr verewigten Gliedern unseres Regentenhauses selbst gedichtet wurden; ein Album wird ausserdem darinnen aufbewahrt, das die eigenhändigen Namenszüge aller Fürsten und Prinzessinnen der sächsischen Königsfamilie und anderer bedeutender Männer birgt.

Dem prüfenden Auge des Beschauers ist so manche Abwechslung geboten, die gewiss ihn erfreuen muss. Hier ruht sein Blick auf einer über 200 Jahre alten Linde, die mit zahlreichen Inschriften vieler nicht mehr unter den Lebenden wandelnder Freunde geziert ist, dort entflammt die Statue des jugendlichen Apoll zu dichterischen Gedanken: Geht er weiter und übersteigt den Steinberg, so übersieht er aus freier Höhe unter sich das freundliche Dörfchen Röhrsdorf mit seinem Schlosse, seiner Kirche, und lässt er den Blick in die Ferne schweifen, so wird er das schöne Lustschloss Pillnitz ansichtig, sowie den grössten Theil der sächsischen Schweiz, mit König- und Lilienstein bis an die böhmischen Gebirge.

In reicher Abwechselung sind noch unzähliche Dörfer, Villen, die Veste Stolpen u. s. w. zu schauen, bis endlich ein Birkenwäldchen die weitere Fernsicht beschränkt und über dessen Wipfel der Pavillon von Weesenstein den Schlusspunkt einer Fernsicht abgiebt, die unwillkührlich das Gemüth höher und höher stimmt und doch auch wieder auf das [194] Tiefste ergreift. Denn zugleich durchweht das Innere eine geheiligte Rückerinnerung an Anton dem Gütigen, welchen seine Unterthanen so zu sagen an das Herz gewachsen waren und sie alle wie Kinder liebte; für sich aber nur 40 lange Jahre den bescheidenen Wunsch hatte: einst Erholung in der ländlichen Stille Weesensteins zu finden.

Bei einem regen Sinn für Naturschönheiten, hochbegabt mit einem leutseligen theilnehmenden Herzen, hatte König Anton schon in früher Jugend die Umgebungen von Röhrsdorf liebgewonnen und ihre Besitzer konnten sich des Besuches ihres hohen Gastes länger als 50 Jahre rühmen.

Selbst als greiser König, oft bei dem ungestümsten Wetter, begab er sich von Weesenstein nach Röhrsdorf und nur in den letzten Jahren seines Lebens unterblieben diese für denselben angenehmen Wanderungen durch die Anlagen dieses Gutes; er stieg dann gewöhnlich im Schlosse ab und gab der Familie von Carlowitz so recht die Beweise seiner Huld.

Einen rührenden Beweis seines wahrhaft königlichen Sinnes und der unausgesetzten Anhänglichkeit an diejenigen, die er mit seiner Gnade so lange beglückt hatte, gab er, als die Gattin des 1816 dahingeschiedenen Besitzers von Röhrsdorf im Jahre 1824 zur Heimath ihrer Ahnen eingegangen war. In verschwiegener Nacht war auf seinen Befehl auf der Lieblingsstelle, wo sie oft mit treuer Liebe des rückkehrenden Gatten geharrt hatte, eine schöne Urne gesetzt worden, auf deren Würfel die Worte eingegraben sind:

„Zum Andenken der treuesten Gattin, der zärtlichsten Mutter, der besten Freundin.“

Zwei hohe Pappeln beschatten dies Denkmal, gestiftet von einem wahrhaft königlichen Herzen. Täglich weilen hier die Kinder der Heimgegangenen und segnen ihr Angedenken.

Die Dankbarkeit für den unvergesslichen hochherzigen Gründer dieses Monuments errichtete am Jahrestage seines Todes, den 6. Juni 1835, die Büste Anton’s des Gütigen jenem Denkmal gegenüber; hohe Linden und Felsstücke umgränzen sie.

Das geräumige Schloss von Röhrsdorf gehört, wie schon erwähnt, zu den ansehnlichsten des Landes, da es zwei Flügel von drei Etagen und resp. 11 und 7 Fenster in der Breite, auch einen besondern Hof begreift. In demselben sind zwei grosse Säle und meist hohe Zimmer. Die Anlage desselben ist darauf berechnet, die Oeconomie überschauen zu können, deren Gebäude rings den Hof umfassen.

Als antiquarische Merkwürdigkeit befindet sich hier eine aus den Hof führende Pforte, die zierlich aus Stein gehauen ist und die Jahreszahl 1599 an sich trägt. Das Schloss selbst ist in späterer Zeit erbaut und vermuthlich auf derselben Stelle, wo die alte Burg oder das Vorwerk stand. Denn alter Sage zufolge war Röhrsdorf das Vorwerk von Pillnitz und ist erst nach der Reformation davon getrennt und zu einem besonderen Rittergute erhoben worden.

Die ersten uns bekannten Besitzer sind die Herren von Bärenstein.

Von Johann Erasmus von Bärenstein kam das Gut an Hans Asmus von Bärenstein, welcher 1657 in Röhrsdorf starb und daselbst begraben wurde, sowie auch seine Gemahlin, geb. von Heinitz aus dem Hause Cöthen.

Nach dessen Tode acquirirte der Obristlieutenant Rudolph von Neitschütz das Gut Röhrsdorf, dem sein Sohn, Hans Carl von Neitschütz kurfürstlich sächsischer Rittmeister und Kammerherr, folgte, und war von 1682 an Besitzer, auch Erb-, Lehn- und Gerichtsherr von Thronitz und Sürssen.

Von Letzterem erkaufte der Ober-Marschall und Geheimrath Hans Caspar von Loss das Haus Röhrsdorf, welcher mit Frau Magdalene Sophie, geb. von Ende, vermählt war und 1711 mit Tode abging. Nach ihm übernahm der Apellationsrath und Weissenfelsische Hof- und Justizrath, Johann Rudolph von Loss, die väterliche Besitzung.

Im Jahre 1714 ist der Oberst Christian Vitzthum von Eckstädt mit dem Gute beliehen worden, von welchem es an den Land-Kammerrath und Kreissteuereinnehmer Carl Adolph von Carlowitz kam, welcher auch Ottendorf und Kleinbautzen besass. Derselbe baute die hiesige Kirche ganz neu. Letzterer starb jedoch schon 1748 und seine Gemahlin Justine Elisabeth, geb. von Maxen aus dem Hause Pulsnitz, im Jahre 1771. Ihnen folgte im Besitze von Röhrsdorf der Obersteuer-Direktor Georg Heinrich von Carlowitz auf Gorknitz, Thronitz und Wittgendorf, dessen Gemahlin Frau Henriette Caroline, geb. von Rechenberg aus dem Hause Wendisch-Paulsdorf war, von welcher wir oben schon das Nöthige erwähnten.

Nach dem Ableben dieses hochverdienten Paares übernahm dessen älteste Fräulein Tochter, Justine Henriette von Carlowitz, das Gut. Nach deren im Jahre 1831 erfolgtem Ableben kam es in die Hände deren Schwester der Frau Caroline Wilhelmine von Wolfersdorf, geb. von Carlowitz, des Herrn Carl Friedrich Wilhelm von Wolfersdorf, des Hochstifts Merseburg Domherrn und Besitzer von Alt-Scherbitz bei Skeuditz, Frau Gemahlin und des Fräulein Juliane Elisabeth von Carlowitz, von welcher es an den Amtshauptmann Georg Heinrich von Carlowitz im Jahre 1847 kam. Nach dessen Tode 1857 übernahmen es seine Herren Söhne, die es noch besitzen und denen die Collatur über Kirche und Schule von Röhrsdorf zustehen.

Die Kirche ist ganz regelmässig in Kreuzesform gebaut, hat aber im Innern keine besondern werthvollen und bemerkenswerthen Gemälde.

Die Pfarrwohnung ist massiv gebaut und in gutem Zustande.

In die hiesige Kirche sind eingepfarrt zwei Mühlen in dem Thale [195] zwischen Lockwitz und Kreischa, die eine unter Borthen gelegen, die andere, die sogenannte Hummelmühle bei Bärenklause.

Das in früheren Zeiten die Dörfer Gross-Borthen, Klein-Borthen, Burgstädtel und auch ein Theil von Lockwitz in die Kirche nach Röhrsdorf gehört haben, ergiebt sich aus dem alten Kirchenbuche vom Jahre 1571.

Die drei ersten Gemeinden besuchen noch jetzt die hiesige ihnen so ganz nahegelegene Kirche regelmässig und lösen ihre Stände in derselben, sind aber in die eine Stunde weit entfernte Stadt Dohna eingepfarrt.

Der Ort bildet nur eine Gemeinde, deren Mitglieder aus zwei Bauern, einigen Gärtnern, übrigens lauter Häuslern, die auf Tagearbeit gehen, bestehen. In allen Häusern wird Stroh geflochten.

In dasiger Gegend ist der Obstbau, vorzüglich der Kirschenbau, ausgezeichnet.

Der Ort zählt 35 Gebäude, Kirche, Pfarre und Schule mitgerechnet, und 270 Einwohner, welche dem Gerichtsamte Pirna einverleibt sind.

Die Schicksale des Ortes anlangend, so lastete vorzüglich das Jahr 1813 auf hiesiger Gegend schwer. Rittergut und Dorf büsste beinahe die sämmtlichen Pferde und das ganze Rindvieh ein. Hier gab es viel zu helfen und Kraft und Muth zu bewahren, um nicht zu verzweifeln. Ueberall stand die dasige Gerichtsherrschaft helfend und tröstend zur Seite, und dieser Trost trug seine guten Früchte.

(M. G.)