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Röhrsdorf


auch Kleinröhrsdorf, das Rittergut Haus Röhrsdorf genannt, 2¼ Stunde westlich von Pirna und südsüdöstlich von Dresden, 1 Stunde von Dohna, an einem wohlunterhaltenen Nebenwege der Strasse von Dresden nach Maxen gelegen, mit Borthen, Gurknitz u. a. O. rainend, in einem flachen, über das Elbthal sehr erhöhten Grunde, dessen Bächlein bei Wittchensdorf im Süden quillt, hier aber ost- und dann nordostwärts fliesst, unweit Gamig den Gurknitzer Bach aufnimmt, 500 Schritte unter Dohna das rothe Wasser erreicht, an welchem hin sich die herrlichsten Spaziergänge befinden, sowie die ganze Umgegend wie in einen Park umgeschaffen ist: Ueberall Gänge, Alleen, Bänke. Auf einem Hügel im Westen, dem Steinberge, sind auch mehrere Ringe aus grossen Steinen so gelegt, als bildeten sie sogenannte Heidengräber. Alle diese Punkte bieten die reizvollste Uebersicht des Elbthals aus der sächsischen Schweiz herab bis Dresden dar. Auch verschönert das Birkenholz im Süden, worinnen Spaziergänge geführt sind, die Gegend.

Am herrlichsten wird die Gegend durch das dasige Schloss geschmückt, welches zu den ansehnlichsten von Sachsen gehört und zwei Flügel von drei Etagen, auch einen besondern Hof begreift. Vom hohen Schlossthurme geniesst man wohl eine der reizendsten Fernsichten.

Der sehenswerthe, mit seltenen Gewächsen reichlich versehene, zum Theil im französischen Geschmack angelegte Ziergarten verbreitet sich im Süden zum Bache hinab; durch colossale Statuen von Knöfel (Bacchus und Flora) erhielt derselbe noch mehr Interesse.

Der Garten ist vom Amtshauptmann, dem nachherigen Obersteuer-Director und Kammerherrn Georg Heinrich von Carlowitz angelegt. Vielfache Andenken seiner zahlreichen Freunde, die bald durch steinerne Denkmäler, bald durch Inschriften auf Blechtafeln an Bäume befestigt, den treuen Freundessinn herzlich aussprechen, bilden noch jetzt in diesem Garten ein lebendiges Stammbuch der Freundschaft und der wohlverdienten Liebe Aller, die ihn kannten.

Ein Einsiedlerhaus, dessen innere Wände mit Strohgeflecht bekleidet sind, bietet dem Besucher einen Ruhepunkt und bei unfreundlicher Witterung einen Camin zur Erwärmung, der mit schönen Krystallen, Achaten und Amethysten ausgelegt ist.

In der Kuppel des Innern befinden sich Inschriften, die von den älteren, nunmehr verewigten Gliedern unseres Regentenhauses selbst gedichtet wurden; ein Album wird ausserdem darinnen aufbewahrt, das die eigenhändigen Namenszüge aller Fürsten und Prinzessinnen der sächsischen Königsfamilie und anderer bedeutender Männer birgt.

Dem prüfenden Auge des Beschauers ist so manche Abwechslung geboten, die gewiss ihn erfreuen muss. Hier ruht sein Blick auf einer über 200 Jahre alten Linde, die mit zahlreichen Inschriften vieler nicht mehr unter den Lebenden wandelnder Freunde geziert ist, dort entflammt die Statue des jugendlichen Apoll zu dichterischen Gedanken: Geht er weiter und übersteigt den Steinberg, so übersieht er aus freier Höhe unter sich das freundliche Dörfchen Röhrsdorf mit seinem Schlosse, seiner Kirche, und lässt er den Blick in die Ferne schweifen, so wird er das schöne Lustschloss Pillnitz ansichtig, sowie den grössten Theil der sächsischen Schweiz, mit König- und Lilienstein bis an die böhmischen Gebirge.

In reicher Abwechselung sind noch unzähliche Dörfer, Villen, die Veste Stolpen u. s. w. zu schauen, bis endlich ein Birkenwäldchen die weitere Fernsicht beschränkt und über dessen Wipfel der Pavillon von Weesenstein den Schlusspunkt einer Fernsicht abgiebt, die unwillkührlich das Gemüth höher und höher stimmt und doch auch wieder auf das

     Meissner Kreis, 25. Heft, od. 121. d. g. F.

Empfohlene Zitierweise:
Gustav Adolf Pönicke (Hrsg.): Album der Rittergüter und Schlösser im Königreiche Sachsen II. Section. Expedition des Albums Sächsischer Rittergüter und Schlösser, Leipzig 1856, Seite 193. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Album_der_Schl%C3%B6sser_und_Ritterg%C3%BCter_im_K%C3%B6nigreiche_Sachsen_II.djvu/290&oldid=- (Version vom 17.1.2018)