Rittergüter und Schlösser im Königreiche Sachsen: Dölitz
Eine Stunde südlich von Leipzig, am rechten Ufer der Pleisse, liegt das freundliche, durch die zahlreichen Villen der Leipziger verschönerte, Dölitz, mit seinem alterthümlichen, gethürmten, einen hübschen Hof umgebenden Schlosse, das auf einer Insel gelegen ist. Das Rittergut gehörte während des dreissigjährigen Krieges der Familie v. Crostewitz, kam aber noch vor Beendigung desselben, und zwar im Jahre 1640, in die Hände des Andreas Winkler auf Stünz, Rathsherrn und Kaufmann in Leipzig, dessen Nachkommen unter dem Namen Winkler v. Sehwendendorff in den Freiherrnstand erhoben wurden. 1811 kam es an eine Nebenlinie, in den Besitz des Hrn. Major Joh. Ernst v. Winkler, welcher 1834 starb und es seinem Sohne, dem jetzigen Besitzer Hrn. Lieutnant Moritz v. Winkler hinterliess.
Auch Dölitz hat, wie die meisten in dem Umkreise von Leipzig gelegenen Orte, während der Völkerschlacht des Jahres 1813 bedeutend und vielleicht vorzugsweise gelitten. Schon am 13. October war hier förmliche Schlacht, indem die Oestreicher die von den Polen besetzte Mühle nach schwerem Kampfe einnahmen, und Dölitz selbst wurde am 10. October zweimal von den Oestreichern genommen. Alles war aus dem Dorfe in das Schloss geflüchtet und der menschenfreundliche Besitzer, der Major Joh. Ernst v. Winkler, der einsah, dass, wenn das Schloss in Brand gesteckt würde, Alle umkommen müssten, führte sie mit eigner Lebensgefahr nach Grossstädteln. Ein östreichischer Oberst und sein Neffe kamen unter Andern an jenem Tage hier ums Leben und liegen im Schlossgarten begraben.
[12] Es war das Corps des östr. Generals Meerveld, welches hier stand und Meervelds Gefangennehmung ist der wichtigste Moment in den Vorfällen, deren Zeuge das Dölitzer Schloss in jenen merkwürdigen Tagen ward. Als der Feldmarschall Alois Lichtenstein und der General Bianchi hier die Franzosen in die Flucht geschlagen hatten, wollte der General Meerveld den 16. October über die Pleisse, um Letzteren in die Flanke zu fallen und liess deshalb einen Steg bauen. Die Franzosen, welche dies gewahr wurden, fuhren Batterien dagegen auf und General Meerveld, der die begleitenden Truppen für Preussen und Ungarn hielt, ging, von seiner Kurzsichtigkeit irregeführt, mit seinen Leuten über den Steg bis auf 20 Schritt heran, wo ihn ein feindliches Feuer empfing, das sein Pferd tödtete, ihn selbst verwundete und in feindliche Gefangenschaft brachte. Die Truppen wurden zurück gedrängt, zerstörten schnell den Steg wieder und vertheidigten das Schloss. Nach acht Uhr Abends griffen die Franzosen abermals an und begingen die Treulosigkeit, dass sie, während sie durch einen Parlamentair das Schloss zur Uebergabe aufforderten, gleichzeitig das Thor bei der hintern Brücke mit Kugeln und Kartätschen beschossen. Selbst Granaten warfen sie auf das Schloss, welche aber glücklicherweise nicht zündeten, obschon sie das Dachwerk fürchterlich beschädigten. Die Vertheidiger hielten sich, selbst als um zehn Uhr Abends der Angriff immer stürmischer wiederholt wurde, mit grosser Tapferkeit.
Noch sehen wir in dem alterthümlichen Thore des Schlosses und in dem Schlosse selbst viele Kanonen- und Kartätschenkugeln, die an der Stelle, wo sie einschlugen, eingemauert sind, und noch hält die alte danebenstehende Linde ihre Schlacht- und Siegeszeichen, manche Kanonenkugel, als Andenken aus jenen Tagen für spätere Zeiten fest. In dem sogenannten Winkelgute, der jetzigen Richterwohnung, schlief Napoleon am 18. October 1813 Abends eine Stunde, von den Anstrengungen des Tages erschöpft und steht bei dem Vorwerke Meusdorf, welches seit vielen Jahren zum Rittergute Dölitz gehört, das dem Feldmarschall von Schwarzenberg zur Erinnerung an die Schlacht bei Leipzig errichtete Monument.
Zu dem Rittergute nebst dem Vorwerke Meusdorf gehören 300 Acker vorzüglichen Feldes, 60 Acker Wiesen, 40 Acker gut bestandenes Holz, und besteht der jetzige Viehstand aus 36 Stück Rindvieh, 1000 Schaafen, 16 Stück Zugvieh u. 30–40 Schweinen.