Textdaten
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Autor: Johann Peter Hebel
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Titel: Rettung einer Officiersfrau
Untertitel:
aus: Schatzkästlein des rheinischen Hausfreundes
S. 286-288
Herausgeber:
Auflage: 1. Auflage
Entstehungsdatum: 1803-1811
Erscheinungsdatum: 1811
Verlag: Cotta
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Erscheinungsort: Tübingen
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Originaltitel:
Originalsubtitel:
Originalherkunft:
Quelle: ULB Düsseldorf und Djvu auf Commons
Kurzbeschreibung:
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[286]
Rettung einer Officiersfrau.

Es muß manchmal recht wild und blutig in der Welt hergehen, daß die edle Denkungsart eines Menschen bekannt werde, den man nicht drum ansieht. [287] In Tyrol, wo es während des lezten Krieges recht wild und blutig hergieng, da hatten sie eben einen baierischen Staabsofficier ermordet und mit noch blutigen Säbeln und Mistgabeln drangen sie in das Gemach, wo seine Gattin mit ihrem Kind in dem Schooß weinte und ihr Leid Gott klagte, und wollten sie auch ermorden. „Ja,“ fuhr sie einer von ihnen wüthend an, und war der allerärgste, „für euer Leben gibt es kein Lösegeld, und euer Bürschlein da hat auch baierisch Blut in den Adern. In einer Stunde müßt ihr sterben, zuerst euer kleiner Sadrach, hernach ihr. Laßt ihr eine Stunde Zeit,“ sagte er zu den andern, „daß sie noch beten kann; sie ist eine katholische Christin.“

Nach einer Viertelstunde aber, als sie allein war und betete, kam er wieder und sagte: „Gnädige Frau, ihr kennt mich noch, so bitte ich euch, Ihr wollt ob mir nicht erschrecken und nicht in Bösem aufnehmen, was ich in guter Meynung gesagt habe. Gebt mir euer Kind unter den Mantel, so will ich es retten und zu meiner Mutter bringen, und zieht unterdessen dieses Plunder an, das er unter dem Mantel hervorzog, so will ichs versuchen, ob ich euch mit Gottes und unserer Frauen Hülfe auch kann retten.“ Als er das Kind in Sicherheit gebracht hatte, und wiederkam, stand sie schon da angekleidet wie ein Tyroler. Da drückte er ihr den schlappen Hut recht ins Gesicht, richtete ihr den Hosenträger besser zurecht, und gab ihr seine Mistgabel in die Hand, als wenn sie auch ein Rebeller wäre, und zu den Leibgardisten und Hellebardieren des Sandwirth Hofers gehörte. „Kommt denn jezt,“ sagte er, „in Gottes Namen, und tretet herzhaft auf, wenn ihr [288] hinaus kommt, und macht euch ein wenig breit.“ Als sie aber miteinander die Treppe hinab giengen, kamen die andern wieder, und, „hast du ihr den Treff schon gegeben, Seppel?“ fragte ihn einer. Da sagte er: „nein, sie hat die Thüre zugeschlossen und gebetet. Jezt kann sie fertig seyn. Ich hab sie durchs Schlüsselloch gesehen, und sie stand eben auf, als ich durchsah.“ Also gieng er mit ihr die Treppe hinab, und die andern stürmten an ihr vorbei, die Treppe hinauf, und während sie vor der verschlossenen Thüre lärmten und pochten, und in das leere Gemach hinein riefen: „seid ihr bald fertig? die Thüre soll bald eingetreten seyn,“ brachte er sie auch zu seiner Mutter, und gab ihr ihr Kindlein wieder, und das Kindlein lächelte, aber sie weinte und drückte es brünstig an ihr Gesicht und an ihren Busen. Also hatte sie der edle Tyroler glücklich und mit Gottes Hülfe aus den Händen ihrer Mörder errettet, und hat sie hernach die Nacht hindurch auf heimlichen Wegen fortgeführt, und bis an ein baierisch Piquet gebracht, als eben die Sonne aufgieng.