Raffaelsche Tapeten
[228] Raffaelsche Tapeten. – Einige Jahre vor seinem Tode erhielt Raffael vom Papst Leo X. den Auftrag, eine Reihe Entwürfe aus dem Leben des Heilandes und der Apostel zu zeichnen und nach diesen Entwürfen in der durch Wolltapetenweberei berühmten Stadt Arras in Frankreich für den Vatikan sieben Tapeten weben zu lassen, deren Anfertigung er selbst überwachen sollte. Diese Wolltapeten hatten in jener Zeit eine weite Verbreitung. Sie wurden nicht dicht an den Wänden befestigt, sondern hingen lose von der Decke herab, wie dies auch Shakespeare in seinen Dramen mehrfach erwähnt. So läßt er den Falstaff hinter der Tapete schlafen, und Hamlet glaubt seinen Stiefvater hinter der Tapete zu hören, was bekanntlich dem armen Polonius das Leben kostete.
Raffael führte den Auftrag des Papstes auch gewissenhaft aus, und so entstanden sieben farbenprächtige, reich mit Gold durchwirkte Tapeten. Glücklich trafen sie in Rom ein. Aber inzwischen war nicht nur Leo X., sondern auch Raffael [229] gestorben. So wurden die sieben herrlichen Tapeten beiseite gelegt und bald ganz vergessen. Erst 1798 kamen sie durch einen Zufall wieder zum Vorschein. Doch die Zeit hatte die Farbentöne gebleicht, Motten hatten große Löcher in das dichte Gewebe gefressen. Daher verkaufte man die Tapeten an einen Händler nach Livorno. Dieser, der sich von dem eingewirkten Golde blenden ließ, verbrannte sie, um das edle Metall zu gewinnen. Nur einzelne Stucke blieben davon übrig, die nach mannigfachen Irrfahrten in die Hände eines Antiquitätenhändlers in Rom gelangten, der ihren hohen Wert erkannte und diese Reste für Unsummen nach Amerika veräußerte. Das schönste dieser kostbaren Stücke erwarb im Jahre 1908 Vanderbilt für die Kleinigkeit von fünfzigtausend Dollar. Und dabei war dieser Tapetenrest kaum ein Quadratmeter groß, zeigte allerdings in einer Ecke den mit Silberfäden aufgenähten[1] Namen Raffaels.
Errata (Wikisource)
- ↑ Vorlage: ausgenähten