Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft
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Gallus, Q. Schauspieler, von Sulla in den Ritterstand erhoben
Band I A,1 (1914) S. 11231125
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16) Q. Roscius Gallus (der volle Name Suet. de poet. 11, 2ff. Reiff. = Diomed. G. L. I 489, 12ff. Keil. Schol. Bobb. 357, 18 Or. = 163, 11 Hild.), der Schauspieler, stammte aus Solonium bei Lanuvium (Cic. nat. deor. I 79; de div. I 79. II 66). Daß er, wie die meisten Schauspieler, ursprünglich Sklave gewesen sei, darf man aus Plin. n. h. VII 128 nicht schließen; da seine Schwester mit P. Quinctius vermählt war (Cic. Quinct. 77), so wird man lieber annehmen, er sei von Geburt an frei gewesen (vgl. auch Cic. de div. I 79). Sein Name Gallus kann allerdings darauf deuten, daß er von einem Freigelassenen gallischer Nationalität abstammte. Sulla erhob ihn durch Verleihung des goldenen Ringes in den Ritterstand (Macrob. Sat. III 14, 13. Mommsen St.-R. III 518, 1 wo auf Cic. fam. X 32, 2 und Macrob. Sat. II 7, 8 verwiesen wird) und befreite ihn dadurch von der Infamie. Diese Auszeichnung verdankte er sowohl der von Sulla bekanntlich hochgeschätzten Kunst, in der er Meister war, als auch der anerkannten Vornehmheit seines Charakters (Cic. Quinct. 78; Rosc. Com. 71–21. 25f. 39. 48. 50). Es wäre ihm, wie die Vergleichung von Cic. Quinct. 78 mit Rosc. Com. 17 zeigt, sogar der Zutritt zum Senat offen gewesen, wenn er seiner Kunst völlig entsagt hätte (vgl. Ähnliches Sall. Cat. 37, 6. Tac. ann. III 75, 1). Daß er unbeschadet der Ritterwürde auch weiterhin öffentlich auftreten durfte, war eine Folge davon, daß R. in den späteren Jahren kein Honorar annahm (Cic. Rosc. Com. 23f. Macrob. Sat. III 14, 13. Gelzer Nobilität d. röm. Republik 1912, 10; vgl. Warnecke Neue Jahrb. f. klass. Alt. XVII [1914] 99f. mit dem Beispiel des Laberius, aber ohne scharfe Folge für Roscius). Daß er damals den Rittercensus hatte, legen die Stellen über seinen Reichtum (Cic. a. O. 22) nahe. Über seine Kunst können die Zeugnisse der Schriftsteller natürlich nur ungenügend orientieren. R. war zum [1124] Theaterkünstler geeignet durch seine natürliche Schönheit (Cic. de orat. I 251; pro Arch. 17. Gell. V 8, 4), die ihm eine poetische Huldigung des Cimbernsiegers Catulus eintrug (Cic. nat. deor. I 79. Cichorius Untersuchungen zu Lucilius 290f.). Nur seine Augen waren schielend (Cic. ebd. Suet. de poet. 11, 2ff. Reiff.); aus diesem Grund soll R. den Gebrauch der Maske eingeführt haben (Suet. ebd. Cic. de orat. III 221, woraus sich die Zeit der Neuerung um 644 = 110 ergibt). Zur schönen Gestalt gesellte sich ein lebhaftes Temperament, das erst im Alter sich beruhigte (Cic. de orat. I 254; de leg. I 11) und ihn besonders als Komödienschauspieler glänzen ließ (Quintil. XI 111); doch trat er auch in tragischen Rollen auf (Cic. de orat. III 102. 109). Durch unablässige Übung (Val. Max. VIII 7, 7), wobei er auch nicht verschmähte, von einem Redner wie Hortensius zu lernen (Val. Max. VIII 10, 2), hatte er es zur Meisterschaft in Gesang, Rezitation und Gebärdenspiel gebracht (außer den sonst genannten Stellen Cic. de orat. II 233. Tac. dial. 20). Das Wichtigste schien ihm der intuitive Takt (Cic. de orat. I 132). Seine Hauptrollen prägten sich dem Hörer unvergeßlich ein (Cic. de orat. II 242. III 102; Rosc. Com. 20; ad fam. IX 22, 1); sein Name wurde typisch für einen vollendeten Künstler überhaupt (Cic. Brut. 290; de orat. I 130, 258, daraus Fest. p. 288. 289). Er war der Liebling des ganzen Volkes (Cic. pro Arch. 17; vgl. Rosc. Com. 29ff. Macrob. III 14, 13), und wenn er fehlte, so gab man ihm nicht schuld (Cic. de orat. I 124). Man erzählte, daß er schon bei seiner Geburt von den Göttern zu Großem bestimmt worden war (Cic. de div. I 79. II 66; rep. IV 14 προνοίᾳ θεῶν). Archias besang ihn, Pasiteles porträtierte ihn (Cic. de div. I 79). Seine Honorare erreichten eine gewaltige Höhe: bis zu 4000 Denaren im Tag (Macrob. III 14, 13), 500–600 000 Sesterzien im Jahre (Plin. VII 128. Cic. Rosc. Com. 23, wo eher 600 000 als 300 000 zu korrigieren ist, wegen Plinius und des folgenden decem his annis). Für die Überlieferung seiner Kunst sorgte er durch Errichtung einer Schauspielerschule (Cic. Rosc. Com. 28f.; de orat. I 129) und Abfassung einer Schrift über Schauspielerei und Redekunst (Macrob. III 14, 12; vgl. Hor. ep. II 1, 82 ‚doctus‘ Roscius; vielleicht Quintil. XI 71; Cic. de orat. I 254 deutet eher auf mündliche Mitteilung).

R. stand im Verkehr mit den geistigen Größen Roms (Val. Max. VIII 7, 7), so Catulus (s. o.), Sulla (Plut. Sulla 36, Macrob. III 14, 13) und besonders Cicero (Cic. de leg. I 11; de div. I 79. Schol. Bobb. 357, 19 Or. = 163, 12f. Hild. Plut. Cic. 5, 8). Dieser verteidigte auf seine Veranlassung seinen Schwager P. Quinctius (Cic. pro Quinct, 77ff.) und etwas später ihn selber in einem Privatprozeß gegen C. Fannius Chaerea (s. o. Bd. VI S. 1994) mit der noch erhaltenen Rede (über Zeit und Rechtsfrage orientieren Drumann V 345ff. = V² 369ff. und Schanz I³ 245f. Legt man die Tatsache zugrunde, daß er zur Zeit des Prozesses seit 10 Jahren kein Honorar annahm, also seit dieser Zeit Ritter war, so wäre 68 der terminus ante quem, von Sullas Tod an gerechnet). Er starb in hohem [1125] Alter, kurz bevor Cicero 692 = 62 seine Rede für Archias hielt (Cic. pro Arch. 17. Schol. Bobb. p. 357, 19f. Or. = 163, 13 Hild; vgl. Cic. Rosc. Com. 27). Noch 691 = 68 hatte er gespielt, als das Volk dem Roscius Otho seine Mißbilligung zu erkennen gab (Macrob. III 14, 12; vgl. Nr. 22). Wiskemann Untersuchungen über den römischen Schauspieler Q. Roscius Gallus, Progr. Hersfeld 1854 (mir unzugänglich). Ribbeck Röm. Trag. 671. Schanz Röm. Lit.-Gesch. I³ 201.