Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft
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Dichter aus Kolophon
Band XX,1 (1941) S. 423424
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6) Von Kolophon.

Literatur: Diehl Anthol. Lyr. I 3² (1936) 104ff. Meineke in Babrius ed. Lachmann (Berlin 1845) 140ff. Powell Collectanea Alexandrina (Oxford 1925), 231ff. Knox Herodes, Cercidas and the Greek choliambic Poets (London 1929), 242ff. G. A. Gerhard Phoinix von Kolophon (Lpz. 1909). Powell and Barber New Chapters in the History of Greek Literature I 12ff. II 63f. Vallette Rev. Phil. 37, 162. Serruys ebd. 183. Einzige biographische Nachricht Paus. I 9, 7: Lysimachos habe die Bewohner von Kolophon und Lebedos nach dem ans Meer verlegten Ephesos übergesiedelt und ihre Städte vernichtet, ὡς Φοίνικα ἰάμβων ποιητὴν Κολοφωνίων (Κολοφώνιον Hss.) θρηνῆσαι τὴν ἅλωσιν. Das genannte Ereignis wird zwischen 287 und 281 v. Chr. angesetzt (Gerhard 177, 4). Da P. damals doch wohl erwachsen war, muß er jedenfalls vor 300 geboren sein. Er ist demnach älterer Zeitgenosse des Kallimachos und Apollonios. Daß dieser Dichter mit dem Athen. VIII 359 e. X 421 d. XI 495 d, e. XII 530 e genannten Φοῖνιξ ὁ Κολοφώνιος ἰαμβοποιός (und ähnliche Bezeichnungen), dem Verfasser der dort zitierten Versreihen identisch ist, steht außer Zweifel. Athen. XII 530 e steht außerdem ἐν τῷ πρώτῳ τῶν ἰάμβων. Es waren von P. also – wenn man nicht mit Knox 243, 1 den Ausdruck auf das erste Gedicht der Sammlung beziehen will – mindestens 2 Bücher ἴαμβοι bekannt. Die Gedichte enthalten Genrebilder aus Gegenwart und Vergangenheit, wie sie in hellenistischer Zeit verbreitet sind. Das Versmaß ist das choliambische. Die Sprache ist frisch und lebendig, zeigt gelegentlich Anklänge an Hipponax. den Begründer der Choliambenpoesie (vgl. Diehl Apparat).

Einzelne Gedichte. Diehl 2 (Bergk Kl. Schr. II 152) ist ein Bettellied, von Leuten vorgetragen, die mit einer gezähmten Krähe herumziehen, vorgeblich Futter für die Krähe erbitten, in Wirklichkeit aber Spenden für sich sammeln und dabei den Gebern Segen wünschen. Athenaios zitiert 17 Verse, dann mit der Bemerkung: καὶ ἐπὶ τέλει τοῦ ἰάμβου φησίν weitere 4 Verse. Diehl 3: Ninos, der unermeßlich reiche König, der nichts tut als essen, trinken und lieben, hinterläßt beim Tode seinen Völkern eine Rede, in der er erklärt: einst war ich πνεῦμα (das Wort bedarf der Interpretation), jetzt bin ich nichts als Erde, und die Feinde [424] rauben meine Reichtümer. Das Gedicht enthält offenbar Interpolationen (Gerhard 189f., anders Powell 232). Diehl 4 Verspottung des weichlichen Ninos. Nach Gerhard 191 ein vollständiges 3zeiliges Epigramm. Diehl 5 und 6 Lob des Thales und Verspottung eines Geizhalses, wohl Fragmente aus längeren Gedichten. Die Frage der Echtheit von Diehl 1 bedarf einer neuen Untersuchung. Das in der ,choliambographischen Florilegiumrolle‘ Pap. Heidelb. 310 mit der Überschrift ἴαμβος Φοίνικος erhaltene Gedicht ist ein Stück kynischer Moralpoesie in populärer Form (Vallette 173f. macht freilich auch hier Einschränkungen). Im Adressaten Poseidippos hat man den Komiker aus Kasandreia oder den Epigrammatiker aus Alexandreia sehen wollen (Gerhard 103). Gerhards Versuch, das Gedicht zum Ausgangspunkt seiner P.-Behandlung zu machen und von ihm aus die übrigen zu interpretieren, kann als verfehlt gelten. Die anderen Gedichte schildern nur und überlassen es dem Leser, Schlüsse zu ziehen. Unmittelbare philosophische Belehrung, zumal im Sinne der kynischen Schule, findet sich in ihnen nirgends. Ferner ist Diehl 1 sprachlich von tragischen Floskeln durchsetzt (vgl. Diehl Apparat), die in den anderen Gedichten fehlen. Die Überschrift scheint auf falscher Zuteilung zu beruhen. Die Darstellung von Schmid-Stählin I⁶ 189 stützt sich auf Gerhard. Daß der Epitaphios auf Lynkeus und die anderen von Knox 260 vermutungsweise dem P. gegebenen Fragmente von ihm stammen, ist nicht beweisbar.