Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft
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Ägyptios
Band XVIII,2 (1942) S. 24512455
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4) Π. Αἰγύπτιος ἢ Ἀθηναῖος• γραμματικός. Αἰγυπτιακὴν Θεολογίαν• Μυθικῶν α λύσεις τῶν μυθικῶς εἰρημένων• Ὑποθέσεις εἰς Σιμωνίδην· [2452] Τρωϊκά (ἅ τινες εἰς τὸν Ἀθηναῖον, τινὲς δὲ εἰς τὸν Πάριον ἀνήνεγκαν). ἔγραψε καὶ ἱστορίαν Ἰλίαν (Hss. ἰδίαν). Diese drei Viten enthalten zunächst nichts Unvereinbares, es kommen aber weitere Zeugnisse hinzu. a) Theon Progymn. 6 (II 96 Sp.): Π-ῳ τῷ Περιπατητικῷ ἐστιν ὅλον βιβλίον περὶ τῶν ἀπίστων ἐπιγραφόμενον, ἐν ᾧ τὰ τοιαῦτα ἐπιλύεται, d. h. für den Abydener P. wird durch Theon Schriftstellerei περὶ Ἀπίστων und deren Lösung bezeugt, die Su(i)d. für den Parianer und den Aegyptier (λύσεις τῶν μ. εἰρ. ist nur Erklärung von Μυθικῶν α: Wipprecht Progr. II 15, 2) in Anspruch nimmt. b) Wenn Philon gerade in Περὶ παραδόξου ἱστορίας des Abydeners gedachte, so liegt nahe, daß dieser ähnliche Stoffe behandelte. c) Das gleiche gilt davon, daß Theodoros den Abydener in Τρωικά erwähnt. Τρωικά aber werden von Su(i)d. dem Ägyptier zugeschrieben. d) Für den Ägyptier bezeugt Su(i)d. ὑποθέσεις εἰς Σιμωνίδην. Da fällt auf, daß Simonides PLG III 525, 203 der lernäischen Hydra 50 Köpfe zuschreibt und daß dieser nicht alltägliche Zug bei P. 38 wiederkehrt (Wipprecht Diss. 65, vgl. Festa St. It. IV 255). e) Ist der für die Datierung des Parianers genannte Artaxerxes A. Ochos (358-337, Bedenken: Wipprecht Diss. 61), so deckt sich seine Lebenszeit mindestens teilweise, wenn nicht ganz mit dem Abydener, der nach Alexander und Aristoteles datiert ist. Nimmt man all diese Berührungen zusammen, so wird man mit einem hohen Grad von Wahrscheinlichkeit sagen können, daß sich die sämtlichen Angaben des Su(i)d. auf dieselbe Person beziehen, wie es für 2) und 3) schon v. Gutschmid (s. Festa praef. XXXIVff.) getan hat.

Nimmt man dieses an, so wird man die Verschiedenheit der Herkunfts-Bezeichnungen dahin deuten, daß P. im Osten, ungewiß ob in Parion oder Abydos (Festa a. O.) beheimatet war, daß er als Jüngling mit Aristoteles, vielleicht in Atarna (v. Gutschmid a. O.) bekannt wurde und mit ihm nach Athen übersiedelte. Nach dem Tode des Philosophen mag er dann, wie Demetrios von Phaleron, nach Alexandria gegangen sein. Die Spaltung der Tradition wird darauf zurückzuführen sein, daß P. sowohl in Historikerverzeichnissen (der alphabetisch in umgekehrter Folge stehende Schriftenkatalog von Nr. 3 bietet keinen Anstoß) als in Grammatikerreihen aufgeführt wurde.

Ob P. der wirkliche Name dieses Schriftstellers oder ein Pseudonym (Susemihl II 54, v. Wilamowitz und Diels bei Festa St. It. X [1902] 435)) ist, läßt sich nicht feststellen. Denn daß P. als Menschenname nicht vorkommt (doch vgl. Festa 436), besagt nichts. Immerhin haben wir eine gewichtige Parallele gerade aus dem Peripatos. Diog. Laert. V 38 berichtet von Theophrastos: τοῦτον Τύρταμον λεγόμενον Θεόφραστον διὰ τὸ τῆς φράσεως θεσπέσιον Ἀριστοτέλης μετωνόμασεν• οὖ ... φησιν ἐρωτικῶς διατεθῆναι Ἀρίστιππος ἐν τετάρτῳ περὶ παλαιᾶς τρυφῆς. Bei P. könnte das gleiche vorliegen: Aristoteles mag auch diesem παιδικόν einen Übernamen (διὰ τὸ φάναι τὰ παλαιά) in Anlehnung an den Namen des Musensohnes P.‚ den auch Apollodor Schol. Eurip. Rhes. 346 kennt, gegeben haben, nur daß [2453] der eigentliche Name uns nicht mehr bekannt ist. Auch daran hat man erinnert, daß Hegesianax seine Troika unter dem Namen Kephalon der Gergithier (FGrH I 45 T 7) veröffentlicht hat.

Zur Bestimmung der Lebenszeit des P. sind wir im Wesentlichen auf die angeführten Angaben des Su(i)da(s) angewiesen. Wenn Demetrios von Skepsis (Strab. XII 550) ihn zusammen mit Hekataios von Milet und Menekrates von Elaia nennt, so scheint ihm P. kein ganz neuer Autor gewesen zu sein; er widerspricht also dem Su(i)da(s)ansatze nicht. Für sonstige, wenig ausgehende Indizien s. Festa Prol. XLff.

Von den in den Katalogen der Bioi erwähnten Werken haben wir nur noch Reste von Zweien. (Über die angeblichen Reste der Αἰγυπτιακὴ θεολογία s. Festa prol. XLVI; consid. 26f. 63f):

1. Τρωικά in mindestens 7 Büchern, die Bruchstücke sind gesammelt FGrH I 44, 1-4; sie haben mythischen und geographischen Inhalt. Da nur ein einziger kurzer Satz wörtlich überliefert ist, die drei übrigen gleichfalls nur knappe Sachangaben enthalten, ist ein Bild von Methode und Stil des Werkes nicht mehr zu gewinnen.

2. Περὶ ἀπίστων. Nach Su(i)da(s) 2 waren es 5 Bücher, Theon (s. o.) hatte dagegen in augusteischer Zeit nur noch eines vor Augen, aus dem er vier Beispiele zitiert, die sämtlich in dem uns erhaltenen Buch des P. wiederkehren (c. 1. 7. 6. 43). Auch Prob. Verg. Georg. III 113 führt aus P. in libro Aπίστων c. 1 an. Dazu stimmt, daß bei Su(i)d‚ 4 nur ein Buch Μυθικῶν = λύσεις genannt wird. Es scheint also zeitig eine Epitome hergestellt werden zu sein. Daneben las man aber noch mindestens Buch I des vollständigen Werkes. Eusebius (Hier.) d. h. Iulius Africanus zitiert P. öfter, und zwar dreimal mit der ausdrücklichen Angabe ἐν πρώτῃ Aπίστων bzw. in libro de incredibilibus primo. Von diesen drei Stellen deckt sich 57, 15 Helm (wie auch Prob. Verg. Georg. III 113) genau mit P. 1 (Kentauren); 53, 19 behandelt zwar denselben Mythos wie P. 3 (Σπαρτοί), gibt aber eine andere λύσις; 62, 21 lautet bei Hieron.: ea quae de Ulixe fabulae ferunt, quo modo trieri Tyrrhenorum Scyllam fugerit, spoliare hospites solitam. Scribit P. in incredibilium libro primo Sirenas quoque fuisse meretrices, quae deceperunt navigantes. Dazu Ioann. Ant. frg. 1, 17 (FHG IV 539): ἡ μυθευομένζ Σκύλλη τριήρης ἦν Τυρσηνῶν (τυράννων Hss.‚ verb. Cramer), ληῑζομένων τοὺς παραπλέοντας• αἱ δὲ Σειγῆνες ἑταῖραι ἐπιβουλεύουσαι τοῖς παραπλέουσιν. Der Bericht über Skylla deckt sich mit P. 30, die Sirenen kommen bei P. nicht vor, wohl aber steht die obige Lysis bei Herakleit. περὶ Απίστων l4. Da dieser nun auch die Skylla c. 2 für eine καλὴ ἑταίρα erklärt, während bei P. es eine solche Lysis überhaupt nicht gibt, so ist offensichtlich, daß quoque hinter Sirenas auf Herakleit. 2 verweist, d. h. bei Hieronymus (vgl. das Schweigen der griechischen Überlieferung) ist die Nennung des P. versehentlich zur zweiten Hälfte gestellt. Zwischen den beiden Angaben muß die schon von Eusebius ausgelassene Variante über Skylla gestanden haben, die wir bei Herakleit. 2 lesen. So stellt sich die Lage dar, wenn wir diese Stelle isoliert betrachten. Nehmen wir aber hinzu, daß die ‚Lösung‘ des Krios der [2454] Phrixossage bei Euseb. 50, 18 (P. ohne Buchangabe) gegen P. 30 wieder mit Herakleit. 24 übereinstimmt, daß umgekehrt 56, 21 (Sphinx) = P. 4 und 52, l3 (Pegasus) = P. 28 ist, daß schließlich 55, 17 (Statuen des Daidalos) zwar dieselbe Lysis gibt wie P. 21, aber für die Erklärung des Fliegens von P. l2 abweicht, ohne sich an Herakleitos anzuschließen, so muß eine andere Deutung gefunden werden, die den Gesamtbefund verständlich macht. Mit Ausnahme der Seirenen kommen sämtliche Zetemata bei Eusebius‚ der dreimal also wohl immer aus dem 1. Buch zitiert, in unserem P. vor, die ‚Lösungen‘ sind teils dieselben, teils erscheinen sie bei Herakleitos, in zwei Fällen (53, 19. 55, 17) weder hier noch dort. Daraus ist zu folgern: von den 5 Büchern περὶ Απίστων gab es zwar eine Epitome, diese aber bestand im wesentlichen aus Stücken des 1. Buches. In diesem 1. Buche waren aber die λύσεις nicht dogmatisch ausgesprochen, sondern es waren gelegentlich verschiedene zur Auswahl gestellt. Die einen lesen wir in unserem P., die anderen bei Eusebius. Wo Herakleitos mit Eusebius gegen den erhaltenen P. zusammengeht, hat er gleichfalls die zweite Lysis bevorzugt. Die Sirenen sind in unserem P. ausgelassen, weil sie sich an die zweite Erklärung der Skyllasage (Herakl. 2) anschlossen. Damit ist zugleich ausgesprochen, daß Herakleitos ebenso wie Eusebius aus dem ungekürzten P. geschöpft hat. Ob er dabei mehr als das 1. Buch benutzte, ist nicht sicher zu sagen, ist aber unwahrscheinlich, da nicht viele Kapitel über das in dem erhaltenen P. Gebotene hinausgreifen.

Im übrigen ist sicher, daß die ursprüngliche Form des uns erhaltenen Buches im langen Schulgebrauch bis in die byzantinische Zeit mannigfache Veränderungen erfahren hat (vgl. v. Wilamowitz Herakles² [1909] l01. C. Robert Oedipus I 501f. Festa proleg. XLVIff., und daß auch der ursprüngliche Bestand nicht mehr vorhanden ist (s. die Stellen aus Malalas‚ Tzetzes und Eustathios, die Wipprecht Diss. 12ff. Schrader 7 besprechen). Schwankt doch Reihenfolge und Bestand auch in unseren vier Hss.-Klassen (Festa proleg. Vff.) beträchtlich.

Über die Person des Verfassers verraten die 45 Kapitel des erhaltenen Büchleins (c. 46—52 sind byzantinische Zusätze, die nur in einem Teile der Hss. erhalten sind und auch thematisch nicht zugehören) recht wenig. Die Sprache ist ‚Allerweltsgriechisch‘ (v. Wilamowitz a. O.) und gibt keinen Anhalt für Zeit oder Schulzusammenhang des Schriftstellers. Die analysierten Mythen sind allbekannt, selten (z. B. c. 13) begegnet eine nicht alltägliche Version. Belege fehlen. Daß der euhemeristische Pragmatismus des P., dessen Ergebnisse er in der Vorrede durch ausgedehnte Reisen und persönliche Erkundung gewonnen zu haben behauptet, sich schon seit dem 5. Jhdt. verbreitet hat und auch dem Peripatos nicht fremd war (v. Wilamowitz a. O.), hat Wipprecht Progr. I. II ausführlicher begründet. In der Vorrede legt P. seinen Grundsatz dar: ‚Was einmal geschehen ist, kann auch heute geschehen.‘ Nach dieser Regel wird jede mythische Unwahrscheinlichkeit in das P. möglich Scheinende umgedeutet. Die dabei angewandte Methode [2455] hat Wipprecht Progr. I 155ff. ausführlich beleuchtet. Für seinen Grundsatz beruft sich P. auf zwei Gewährsmänner: Melissos, und Lamiskos von Samos (ἐν ἀρχῇ–λέγοντας–ἔστιν• ἃ ἐγένετο, καὶ νῦν ἔσται, so zu interpungieren); dieses Zitat mit Diels-Kranz Vors. I 276 Anm. für gefälscht zu erklären, fehlen uns die Mittel. Denn von Lamiskos wissen wir nichts, außer daß er ein Freund des Platon und des Archytas war (Diog. Laert. III 22. Plat. ep. VII 350 b), und betreffs Melissos — auf ihn wird sich wohl τὸν Σάμιον beziehen, also umzustellen sein - liegt kein Grund vor, warum er nicht gesagt haben sollte: ἐν ἀρχῇ ἔστιν‚ grundsätzlich gilt‘ κτἑ.

Das Büchlein des P.‚ das uns heute wegen seines unsagbar platten Rationalismus nur noch als Zeugnis einer schwer verständlichen Phase des antiken Denkens von Bedeutung ist, wurde bis in das 18. Jhdt. viel gelesen und beachtet (Wipprecht Diss. 5. Schrader 1).

Literatur. 1) Ausgabe: Palaephati περὶ Απίστων ed. Nicolaus Festa = Mythographi Graeci III 2, Lpz. 1902. 2) Susemihl II 54—57. N. Festa Intorno all’ opuscolo di Palefato de incredibilibus, Firenze-Roma 1890. F. Wipprecht Quaestiones Palaephateae, Diss. Heidelb. 1892. Joh. Schrader Palaephatea, Diss. Berl. 1893. Festa Stud. it. fil. cl. IV (1896) 225-256; proleg. d. Ausg, XXXII—LII. Wipprecht Zur Entwicklung der rationalen Mythendeutung bei den Griechen, Progr. Donaueschingen I (1902). II (1908). Schmid-Stälin⁶ II 1, 433f.