Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft
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M. Minucius Felix, Apologet um 200 n. Chr.
Band XV,2 (1932) S. 18161820
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12) Marcus Minucius Felix. In dem Cod. Parisinus lat. 1661 saec. IX ist als 8. Buch von Arnobius’ Schrift adversus nationes ein anonymer Dialog erhalten. In ihm führen ein aus Cirta gebürtiger Heide Caecilius Natalis und ein Christ Octavius Ianuarius ein Gespräch über die Überlegenheit des Christentums über die heidnischen Religionen. Der in dem Dialog mit Marcus angeredete Verfasser berichtet einleitend über den Anlaß, der ihn zur Abfassung des Dialoges getrieben hat. Die vortrefflichen Eigenschaften seines nunmehr verstorbenen Jugendfreundes Octavius haben ihn veranlaßt, dessen Unterredung mit Caecilius zu überliefern. Nach dieser Einleitung (c. 1) beginnt die Schilderung der Situation des Dialoges. In den Gerichtsferien wandern Caecilius, Octavius und der Autor nach Ostia und werden dort am Meere in ein Gespräch verwickelt. Caecilius wegen seiner Verehrung eines Serapisbildes angegriffen, entwickelt vom Standpunkt eines konservativen, auf die Erhaltung der Sitte bedachten Römers seine Gedanken über die Überlegenheit des Heidentums gegenüber der Lebenshaltung und Religiosität der Christen (c. 5-13). Seine Darlegungen werden von einer zwar nicht radikalen, aber dem Weltgeschehen gegenüber sich distanzierenden Skepsis getragen. In dem Wechsel und dem Zufall, dem das Leben unterworfen ist, gilt es an den alten Göttern festzuhalten. Die Christen sind deshalb eine verwerfliche Sekte, weil sie in lichtscheuen [1817] Kulten die von den höchsten Geistern nicht geklärten Fragen zu lösen sich anmaßen. Die Unsichtbarkeit des Christengottes widerlege sein Vorhandensein. Das auf das Jenseits gerichtete Sinnen der Christen zerstöre die Moral auf der Erde. Sokrates’ Wort: quod supra nos nihil ad nos (13, 1) ist für die Gedanken des Caecilius bezeichnend. Nach einem kurzen Zwischengespräch des Autors mit Caecilius (c. 14-15) widerlegt Octavius Stück für Stück die Angriffe des Caecilius. Seine Ausführungen bezwecken vor allem, die Nichtigkeit und Lächerlichkeit der Heidengötter zu zeigen. Der Polytheismus sei ein spätes, minderwertiges Ergebnis des Monotheismus; Octavius betrachtet, wenn auch nicht ausdrücklich, die Götter als Dämonen. Ordnung und Gesetz in der Natur deuten auf einen Gott. Der monotheistische Charakter der christlichen Religion wird von Octavius gegen den Polytheismus des Caecilius mit den geläufigen Argumenten des Stoizismus verteidigt. Ciceros Schrift de natura deoram liefert ihm vielfach das Beweismaterial. Für Einzelheiten der christlichen Lehre, wie die Vernichtung der Welt, Auferstehung, das kommende Gericht, bringt er Zeugnisse aus den alten Philosophen bei. Hingegen wird das Eigentümliche des Christentums, die Geschichte und die Lehre von Jesus Christus so gut wie gar nicht berührt. Bezeichnenderweise begegnet in dem ganzen Dialog nicht einmal der Name Jesus Christus, noch ein Hinweis auf das Alte oder Neue Testament. Im Unterschied von allen anderen christlichen Apologeten wird auf den geschichtlichen Beweis des Christentums verzichtet, umsomehr im Sinne der römischen Popularphilosophie auf die sittlichen Forderungen des Christentums Wert gelegt. Igitur qui innocentiam colit, deo supplicat; qui iustitiam, deo libat, qui fraudibus abstinet, propitiat deum, qui hominem periculo subripit, optimam victimam caedit. Haec nostra sacrificia, haec dei sacra sunt; sic apud nos religiosior est ille qui iustior (c. 32, 3). Der Dialog schließt damit, daß sich Caecilius den Argumenten des Octavius unterlegen erklärt. Der klar gegliederte, rhetorisch geschickt abgefaßte Dialog ist ein gutes Beispiel für die Art, wie gebildete Christen mit Heiden gleichen Standes über das Christentum disputierten.

Als Verfasser des Dialoges, der nach dem Verteidiger des Christentums ,Octavius‘ betitelt ist, nennt Lactant. Div. inst. V 1, 21 den Rechtsanwalt M. Felix. Auch Hieronymus kennt M. Felix, ist aber in seinen Nachrichten von Lactanz abhängig (vgl. die Texte bei Waltzing, große Ausgabe 54ff.). Hieronymus lag (de vir. ill. 58) noch eine unter dem Namen des M. umlaufende Schrift de fato vel contra mathematicos vor. Hieronymus selbst zweifelt auf Grund des Stiles an der Echtheit der Schrift. Wahrscheinlich hat die Bemerkung des Minucius (c. 36, 2), er wolle de fato später ausführlicher handeln, ein späteres Pseudepigraphon veranlaßt. Angesichts der dürftigen Zeugnisse ist es fraglich, ob Lactanz und Hieronymus mehr über M. wußten, als was sie aus dem Dialog selbst herauslasen. Eine Datierung des Dialoges geben sie nicht. Denn es ist nicht sicher, daß Hieronymus (ep. 49, 13 CSEL 54, 369, 15 Hilb.) eine zeitliche Fixierung des Dialoges [1818] geben will, wenn er M. nach Tertullian und Cyprian aufzählt. Um so beachtenswerter ist der ausdrückliche Vermerk des Hieronymus (de vir. ill. 53): Tertullianus primus latinorum ponitur post Victorem.

Tatsächlich gibt der Dialog zu einer genauen Datierung keinerlei Hinweise. So ist nun seit der Mitte des 18. Jhdts. bis heute die Frage, ob M. vor oder nach Tertullian anzusetzen ist, keineswegs zu einer allgemein überzeugenden Klärung gelangt. Der einzig feststehende Zeitpunkt, nach dem der Dialog abgefaßt sein muß, ist die Erwähnung des Fronto (c. 31, 2, vgl. c. 9, 6) und dessen Rede (?) gegen die Christen. Fronto muß gegen 170 gestorben sein. Alle anderen Deutungsversuche, insbesondere der von Dessau auf Grund von Inschriften aus Cirta (vgl. Waltzing 52.53.), auf denen ein M. Caecilius Natalis, Sohn des Quintus, für die Jahre 210-217 genannt wird, setzen die Geschichtlichkeit der Personen und der Situation des Dialoges voraus. Das muß aber zuvor bewiesen werden. W. A. Baehrens (Herm. L 455ff.) hat darauf hingewiesen, daß der Skeptiker Favorinus nach Gell. XVIII 1 als arbiter in einem zwischen einem Stoiker und einem Peripatetiker in Ostia (!) gehaltenen Dialog auftritt, und dann in Verbindung mit anderen Argumenten geschlossen, daß der Octavius mit seiner deutlichen Tendenz gegen die Skepsis gegen den noch lebenden Favorinus und seinen Kreis (Fronto) gerichtet sei. B. gewinnt dadurch eine Datierung des Dialoges auf c. 160-163. Jedoch diese Argumente sind nur ein lehrreicher Kommentar für die Rede des Caecilius. Viel größer ist die Zahl der Forscher, die die Frage durch eine Vergleichung von Tertullians Apologeticum mit dem Octavius zur Klärung bringen wollen. Aber auch hier halten sich die Gründe die Waage. Geffcken (Zwei griechische Apologeten 278) und E. Norden (De Min. Fel. aetate et genere dicendi. Greifswald 1897) sowie Waltzing in seiner Ausgabe und später treten für die Priorität des M. vor Tertullian ein. Nach Harnack (Altchristl. Liter. II 2, 324ff.) hat R. Heinze in seiner Analyse von Tertullians Apologeticum (Ber. zu Leipz. Ges., phil.-hist. Kl. LXII [1919] 281ff) energisch die Abhängigkeit des Octavius von dem Apologeticum mit gewichtigen Gründen behauptet. Vgl. Kroll Rh. Mus. LX 307. Bei allen früheren Versuchen ist jedoch die auffallende Verwandtschaft des Octavius mit Cyprians Schrift Quod idola dii non sint nicht zum Ausgangspunkt der Untersuchungen genommen worden. Die Kapitel 1-9 von Cyprians Schrift, deren Echtheit H. Koch in seinen Cyprianischen Untersuchungen 1926, 1ff. eindeutig bewiesen hat, sind wörtlich in der Rede des Octavius enthalten. Die Abhängigkeit Cyprians von M. Felix ist ausgeschlossen, weil in Quod idola die Reihenfolge der Argumente in Tertullians Apologeticum im großen Ganzen getreuer beibehalten ist als bei M., wie J. Révay Eranos XX (1921/22) 122ff. gezeigt hat. Es kann überdies nicht bewiesen werden, daß Cyprian in seinen anderen Schriften neun Kapitel lang seine Vorgänger wörtlich ausschreibt. M. jedoch scheut sich nicht, Stellen aus Ciceros Schrift de natura deorum, weil diese für sein Vorhaben sich eignet, im Wortlaut zu übernehmen. J. Martin hat nun [1819] fernerhin in der Vorrede zu seiner Ausgabe des Octavius (Florilegium Patristicum 8, Bonn 1930) beobachtet, daß die tertullianischen Wendungen im Octavius Cyprian näher stehen als Tertullian selbst. (Man vgl. etwa Apol. 22, 1 mit Cyprian 6 und Oct. 26, 9.) Weiter führt eine systematische Vergleichung des Textes Cyprians mit dem des Octavius. M. folgt in der Rede des Octavius Schritt für Schritt Cyprian, unter Hinzufügung einiger Erinnerungen aus Cicero oder aus seinem eigenen großen Gedächtnis (vgl. z. B. die Erwähnung Platos c. 26, 12 mit Cyprian c. 6 I 24, 3ff. Hartel). Wenn M. nicht dem Aufriß von Cyprians Schrift folgt, so sind solche Abweichungen von der durch die Rede des Caecilius gegebenen Disposition verursacht. Schließlich sei darauf hingewiesen, daß der christologische Teil der cyprianischen Schrift (c. 10ff.), in dem starke Anleihen aus Tertullian gemacht worden sind, sich bequem in den Aufriß des Apologeticum wie die vorhergehenden Abschnitte einfügt und keinesfalls von Cyprian an den von Minucius etwa übernommenen Teil angehängt sein kann. Überdies ist es nicht ersichtlich, warum Cyprian in c. 1-9 nicht der Disposition des Octavius bei der Übernahme des Textes gefolgt sein sollte. Großes Gewicht verleihen diesen Gründen für die Priorität Cyprians die stilistischen Beobachtungen von H. Koch und vor allem die Feststellungen für die Klauseln von F. di Capua in Didaskaleion II (1913) 1ff , wodurch M. in die Nähe des Cyprian und Arnobius gerückt wird. Jedenfalls darf infolge dieser Argumente die Priorität Tertullians vor M. gesichert erscheinen. Die Vergleichung aber mit Cyprian wird dazu führen, den Octavius in die zweite Hälfte des 3. Jhdts., also zwischen Cyprian und Lactanz anzusetzen. (Eine nähere Begründung dieser Datierung werde ich in der Ztschr. f. neutest. Wiss. demnächst geben).

Der Text des Octavius ist infolge seines schlechten Zustandes von je ein reiches Feld für die Arbeit der Philologen gewesen. Nach den von Waltzing und von G. Krüger (s.u.) gesammelten Arbeiten ist vor allem die von E. Heikel Eranos XXI (1923) 17ff. zu nennen. Grundlegend für den Text ist die Ausgabe von Halm im 2. Bande des Corpus scr. eccl. lat., Wien 1867. P. Waltzing hat eine neue Kollation für seine 1903 in Löwen erschienene Ausgabe gemacht. Dieser kritischen Ausgabe ist eine erschöpfende Einleitung, vollständige Notizen sämtlicher bis dahin gemachter Konjekturen und ein zuweilen allzureichhaltiges Verzeichnis der Parallelstellen beigefügt. Von den kleineren zahlreichen Ausgaben ist die von Waltzing besorgte, in der Bibliotheca Teubneriana Lpz. 1913 erschienene, vor allem aber die durch Übersichtlichkeit und sparsame Beigaben sich auszeichnende Ausgabe von J. Martin in dem von Geyer und Zellinger herausgegebenen Florilegium patristicum 8, Bonn 1930 hervorzuheben. G. Krüger verzeichnet die bis 1922 erschienene Literatur zu M. Felix in seinem umfangreichen Artikel über M. Felix in der Gesch. d. röm. Lit III³ (München 1922), 262-271 (Handb. d. klass. Altertumswiss. VIII 3). S. auch Teuffel III6 111. Daneben sind der große Kommentar von J. van Wageningen (Utrecht 1923) und die ausführliche Monographie [1820] von H. J. Baylis Minucius Felix and bis place among the early fathers of the Latin church London 1928 zu nennen.

Nachträge und Berichtigungen

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Band R (1980) S. 170
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12) M. Minucius Felix, Apologet um 200 n. Chr. S XI 952. 1365.