3) K., Gau- und Altersgenosse des Sokrates (Plat. Apol. 33E), dessen wohlhabender, stets hilfsbereiter Freund (Suid. Diog. Laert. II 121), der mit seinem Sohne Kritobulos neben Platon und Apollodoros im Prozeß für den Meister bürgte, als dieser eine Strafe von 30 Minen beantragte (Apol. 38B). K. hatte sich für das Verbleiben des Sokrates verbürgt (Phaed. 115 d) und hatte vor allen anderen Freunden (vgl. Krit. 45B) die Flucht des Sokrates aus dem Gefängnis vorbereitet; die ergebnislosen Verhandlungen mit Sokrates über diesen Plan sind der äußere Inhalt des platonischen Dialoges K. Diog. II 60. III 36 will dieses, Verdienst‘ dem K. ab- und dem Aischines zusprechen; diesem hätte es Platon aus Mißgunst entzogen; doch schwerlich hat Platon hierin ein besonderes Verdienst gesehen, velmehr ordnet sich auch der Dialog K. in den Rahmen des Bildes ein, das Platon sonst von diesem Freunde des Dokrates entwirft. Durchgehend wird er als praktischer, biederer, guter und hilfsbereiter, aber herzlich unphilosophischer Mann geschildert, den sicher in erster Linie persönliche Beziehungen an Sokrates binden. Vgl. das treffende Urteil K. F. Hermanns (Gesch. u. System der platonischen Philosophie I 633 n. 383). Im Phaidon ist von einem Eingehen auf die Gedanken des Sokrates wenig zu spüren. K. erhält den Auftrag, die Xanthippe zu
[1933]
entfernen (60A), unterbricht 63D das philosophische Gespräch mit einem Hinweis auf die möglichen bedenklichen Folgen des vielen Sprechens: es könne vielleicht das Gift nicht rasch wirken. Auch in der letzten Stunde macht K. bei aller Rührung (117D) die Gesichtspunkte bürgerlicher Nüchternheit geltend, fragt nach den letztwilligen Bestimmungen (115B), nach der gewünschten Art der Bestattung (115C) und zieht sich dadurch den gutmütigen Spott des Sokrates zu. Aber er allein begleitet ihn zur letzten Waschung (116A), und er schließt ihm endlich Mund und Augen, als die Totenstarre eintritt. Auch im Euthydemos beschränkt sich die Teilnahme des K. mehr auf die rein praktischen Fragen der Erziehung seiner beiden Söhne (306 Eff.). Wenn er bei Xenophon (mem. II 9, 1) sich von Sykophanten loskauft, um vor ihnen Ruhe zu haben, so paßt dieser Zug gut zu der bürgerlich durchschnittlichen Moral, von der aus er Sokrates die Flucht aus dem Gefängnis nahelegt. Die sonstigen Angaben des Diogenes über K. sind bestritten. II 20 (Befreiung des Sokrates von einem niederen Gewerbe) dürfte auf Verwechslung mit dem II 31 erwähnten Loskauf des Phaidon beruhen, zu dem Sokrates den K. veranlaßt. Die Angabe II 121, daß K. vier Söhne gehabt habe, während sonst nur noch einer neben dem bekannten Kritobulos erwähnt wird (Plat. Euthydem. 306 D), scheint in der Tat auf einer irrtümlichen Deutung von Phaid. 59B zu beruhen (so E. Wellmann Ersch-Gruber II 40, 56), da dort dieselben Namen neben dem K.s stehen und sicher keine Söhne des K. darstellen, wie es nur bei ganz flüchtigem Lesen scheinen kann. Schwieriger ist zu entscheiden, ob auch die 17 Dialoge, deren Titel Diog. II 121 anführt, gefälscht und die ganze Schriftstellerei des K. zu bezweifeln ist; so Zeller II 1⁴, 233. 1. Hirzel Dialog I 107 hält sie für echt und findet ihre meist praktischen Themen sehr wohl mit dem Charakter des K., wie wir ihn kennen, vereinbar. Zu der Schrift περί εύφημοσύνης vergleicht er gut Xen. Cyrop. VIII 5. 7. Gercke N. Jahrb. 1918, 190 vergleicht zu der bei Diogenes zuerst gennanten Schrift ότι ούχ έχ τόύ μαφείν οί άγαφοι. Plat. Protag. 328E έγώ έν μέν τώ έμπροσφεν χρόνω ήγούμην ούχ είναι άνφρωπίνην έπιμέλειαν η άγαφοι οί άγαφοι γιγνονται .... Was es auch damit auf sich haben mag: die Themen der Dialoge sind der Geistesart des K. nicht unangemessen und können auch ohne philosophischen Tiefsinn — etwa im Sinne Xenophons — behandelt worden sein; gerade wenn Platon den K. so gar nicht spekulativ schildert und ihm nie irgendwelche Theorien in den Mund legt, ist die Fälschung auf diesen Namen unwahrscheintlicher, als wenn der platonische K. als Philosoph aufträte. Vgl. über K. noch außer dem Angeführten J. Bruns Lit. Porträt 309, 381, 421. — Über des K. oft erwähnten Sohn Kritobulos, den Helden des xenophontischen Oikonomikos, der der sokratischen Erziehung wenig Ehre gemacht hat, vgl. die eingehende Würdigung des xenophontischen, platonischen und aischineischen Bildes bei Dittmar Aeschines von Sphettos 231—237 und Bruns Lit. Portr. 391. 405. 421; zu Vater und Sohn E. Wellmann Ersch-Gruber II 40, 56.