RE:Iulius 566
Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft | |||
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Iulia Domna, zweite Gattin des röm. Kaisers Septimius Severus (193–211) | |||
Band X,1 (1918) S. 926–935 (IA) | |||
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566) Iulia Domna, zweite Gemahlin des römischen Kaisers L. Septimius Severus (193–211).
I. Quellen. a) Inschriften. Vgl. besonders CIL III. VI. VIII. Die wichtigsten Inschriften werden im folgenden angeführt.
b) Münzen: Eckhel VII 194ff. Cohen² IV 105ff. Vgl. v. Sallet Die Daten der alexandrinischen Kaisermünzen 45.
c) Antike Literatur. Vgl. die Indices zu Cassius Dio (ed. Dindorf), Herodian (ed. Ludw. Mendelssohn), Hist. aug. Sev.; Caracall.; Get. (ed. Peter). Philostrat. vit. Apollon. I 3 (4, 2 Kayser); vit. soph. 622 (2, 121, 24 Kayser). epist. 256, 17 (Kays.). Oppian. Cyneg. I 1ff. Aurel. Vict. de Caes. 20, 23. 21, 3; epit. 21. 23. Eutrop. brev. ab urbe cond. VIII 20. Oros. hist. adv. pagan. VII 18, 2 (= Hieron. Chron. Olymp, p. 248). Zonar. epit. hist. XII 12. 13.
d) Neuere Literatur. Lenain de Tillemont Histoire des empereurs, Venise 1732. III (vgl. Table des matières 572). Edw. Gibbon History of the decline and fall of the Roman empire, London 1875. Chap. VI p. 51. 56. Ad. de Ceuleneer Essai sur la vie et le règne de Septime Sévère, Bruxelles 1880, 195ff. 202ff. Ranke Weltgesch. 1883 III 371ff. Schiller Gesch. der röm. Kaiserzeit 1883 I 2, 738. 754. 759ff. Herzog Geschichte und System d. röm. Staatsverfass. 1884 II 472–475. 483. C. Fuchs Gesch. d. Kaisers Septimius Severus, Wien 1884, 91ff. Wirth Quaest. Severian., Leipzig 1888. Duruy-Hertzberg Gesch. d. röm. Kaiserreichs 1888 IV 85. 91. 123ff. J. J. Bernoulli Röm. Ikonographie 1894, 36ff. Dessau Prosop. imp. Rom. II p. 227 nr. 438, Mary Gilmore Williams Studies in the lives of Roman Empresses I. Iulia Domna (Americ. Journ. Arch. VI 1902, 267ff.). O. Th. Schulz Beiträge zur litt. Überlieferung von Commodus’ Sturz, Dissert. Leipzig 1903. v. Domaszewski Gesch. der röm. Kaiser 1909 (s. Index). Karl Hönn Quellenuntersuchungen zu den Viten d. Heliogabalus und des Sev. Alexander, Leipzig u. Berlin 1911 (s. Register).
II. Name und Ehrentitel. Gewöhnlich wird sie von den Neueren Iulia Domna genannt; die antiken Schriftsteller schreiben jedoch, soviel ich sehen konnte, durchwegs nnr ,Iulia‘, mit oder ohne Hinzufügung von ,Augusta‘ (Σεβαστή), vgl. die im folgenden zitierten Quellenstellen. Dagegen findet [927] sich ,Domna' sowohl in den Inschriften als auch auf den Münzen außerordentlich häufig, und zwar immer nach ,Iulia‘; ,Domna‘ (nach Iulia) erscheint auf allen Münzen der Provinz Achaia (Cohen² IV 129f.; Iulia oft fehlerhaft geschrieben, offenbar der Aussprache gemäß: Iulga, lulea, luila, vgl. Cohen a. a. O.). Nur an einer Stelle wird die Kaiserin bloß mit ,Domna‘ (Domin- statt Domn-, vgl. Eckhel III 3119. 7520) bezeichnet und da ist es poetische Lizenz: Oppian. Cyneg. I 3f.: Αὐσονίου Ζηνὸς γλυκερὸν θάλος, Ἀντωνῖνε · τὸν μεγάλη μεγάλῳ φιτύσατο Δόμνα Σεβήρῳ. Nachdem ihr Gatte zur Regierung gekommen war (193), führte sie den offiziellen Titel: Iulia (Domna) Augusta Mater castrorum (Ἰουλία Δόμνα Σεβαστή μήτηρ κάστρων oder κάσστρων oder στρατοπέδων). Der Ehrentitel ‚Mater castrorum‘ erscheint zuerst auf Basen von Narbo und Ostia 196 (CIL XII 4345. XIV 120) und ist darauf zurückzuführen, daß I. bei ihrem Gemahl im Lager von Lugudunum weilte. Wahrscheinlich hat sie den Ehrentitel anläßlich der Siege über die Adiabener erhalten, zur gleichen Zeit, als Septimius Severus zum 6. und 7. Male als Imperator begrüßt wurde, also 195 (vgl. Cass. Dio LXXV 1–4. Wirth Quaest. Severian. 25. M. G. Williams Americ. Journ. Arch. VI 1902, 262ff. v. Domaszewski Religion des röm. Heeres 72). Die oben erwähnte Benennung geben ihr so zahlreiche Inschriften und Münzlegenden, daß es unmöglich erscheint, hier alle Zitate anzuführen. Ich begnüge mich daher, ebenso wie im folgenden, mit etlichen Musterbeispielen und verweise im übrigen auf die Indices der Inschriftencorpora (vor allem kommen natürlich in Betracht CIL III. VI. VIII), auf Cohen² IV 105ff. Festschrift f. O. Hirschfeld 291 f. 295f. und den trefflichen, schon oben zitierten Aufsatz von Williams im Americ. Journ. Arch. VI 259ff., wo das Iulia Domna betreffende Inschriften- und Münzmaterial sehr ausführlich behandelt wird. Man vergleiche z. B. CIG 4701 b. 6829. CIL III 75. 482 Z. 1–6. 7485. VIII 5699. 6702. IX 4880. X 7272. XII 4345 XIV 120. Cagnat IGR III 337. 404 (hier ist der Name getilgt, also nach 213). 856 (hier heißt sie zugleich νέα Ἥρα, vgl. CIG 3956 b add.). 1497. Rev. arch. 1899, 487, 116 d. 1911 XVIII 228: [καὶ Ἰουλίας Δόμνης σεβαστῆς μητρὸς ἀνει]κήτων στρατοπέδων. Ztschr. f. Numism. 1898, 237: μητρὶ CTPA (τοπέδου), vgl. das Londoner Exemplar (Cat. Alexandria nr. 5 1472), Journ. hell. Stud. 1898, 322: matre]m castror(um). Hiller v. Gaertringen Priene 230.
Zwischen 196 und 198 wird zu Iulia Domnas Titel noch hinzugefügt: mater Caesaris (196–198 ist Caracalla Caesar und Imperator destinatus, vgl. Groebe Art. Aurelius o. Bd. II S. 2440) dazu kommen die Ehrennamen Mater senatus (der Titel Pater senatus wurde von Claudius zurückgewiesen, vgl. Tac. ann. XI 25, von Commodus angenommen, vgl. Cohen² III 280) und Mater patriae (für Livia von Tiberius zurückgewiesen, vgl. Tac. ann. I 14 Dio LVII 12, 4. LVIII 2. Suet. Tib. 50). Außerdem finden sich häufig die Epitheta ,Pia‘ und ‚Felix‘, z. B. CIL XII 4345. Ephem. epigr. 1898, 284 Rev. arch. 1911 XVIII 488. Wilmans Exempla 122. 198–209 figuriert Antoninus neben seinem Vater als Augustus, Geta als Caesar (die Beleg[928] stellen s. Groebe Art. Aurelius o. Bd. II S. 2440). Nun ist I. Mater Augusti, bezw. Imperatoris (vgl. v. Domaszewski Gesch. der röm. Kaiser II 254: Iulia ‚erhielt den Titel Mutter des Thronfolgers, den uralten Ehrennamen des Harems im Osten‘) und Caesaris; z. B. CIL II 810. III 6714. VI 1035. 1063. 2086. VIII 8321. 20 208. IX 2165. IG IX 1, 7 (nach Getas Tod 212), 48 (Anfang mit I.s Namen verderbt; sie wird die Frau des Βρυταννικός μέγιστος genannt, die Inschrift stammt also wahrscheinlich aus den J. 209–211). Cagnat IGR III 806. Not. d. scavi 1899, 269. 1900, 17. 1910, 548. Rev. arch. 1898 (Juillet-Déc.) p. 438. 1903 II p. 158 = CIL III 14 192¹² (Pergamum): luliae Aug. matri Aug. et castrorum et senatui (sic) et patriae Domina (sic) suae; Rev. arch. 1909 XIV p. 495 (Getas Name getilgt, also nach 212). Numism. Ztschr., Wien 1911, 4.
I.s Söhne wurden filii Severi et luliae Aug. genannt (z. B. CIL VII 9035. 17 871. CIG 1075), sehr im Gegensatz zu dem Brauch der frühen Kaiserzeit (vgl. Tac. ann. I 14!), was M. G. Williams a. a. O. 277 richtig hervorhebt.
Vielleicht schon am 10. Dezember 208 hatte Kaiser Severus auch seinen jüngeren Sohn Geta zum Augustus erhoben (vgl. Wirth Quaest. Sever. 13; s. unter Septimius Geta). I. trägt nun unter ihren übrigen Ehrennamen den einer Mater Augustorum (vgl. CIL VI 226. VIII 2368. 2557. 6340. 6998. 17 872. Rev. arch. 1899 [Juillet-Déc.] p. 173 nr. 41. Ausonia VI 1911, 49. Ebenso wie zu den obenerwähnten Titeln: Cohen a. a. O.). Sie wird gefeiert als Gattin des Restitutor pacis publicae, vgl. CIL II 1668. 1669. 1670. 2124. Über die Dedikationsinschriften der Soldaten und Offiziere der Legio III Pia Vindex (z. B. CIL VIII 2527) vgl. Americ. Journ. VI 265ff. Über ihre Rolle bei den Säkularspielen vgl. Mommsen Comment. dei Ludi secolari Aug. e Sev. Tab. E frg. VI Z. 18; frg. VII Z. 8. 10. Tab. F Z. 6–10; vgl. Ephem. epigr. 1898 p. 284, pt. IV Z. 8–10. Nach ihrem Tode wird sie (gewiß erst unter Elagabal) Diva (vgl. Rev. arch. 1899 p. 178 nr. 56. Eckhel VII 197. Konsekrationsmünzen und die Schleierstatue im Kapitol, vgl. Bernoulli Röm. Ikonogr. II 3, 46). Auf den Münzen erscheint die Kaiserin als personifizierte Pietas (Cohen² IV 117), Pudicitia (a. O. 119), Fecunditas (108), Fortuna felix (110), auch wohl als Concordia oder Pax (114). Mit dem Ehrentitel Mater Castrorum dürfte es zusammenhängen, daß auf der Rückseite von Münzen Iulia Domnas Bild und Name der Fortuna Redux erscheint (Cohen² IV 111); in vielen Inschriften (CIG 3956 b, wo I. νέα Ἥρα Ῥωμαία genannt ist, 5973. CIL III 138. 7836. VI 225. 227. 461. 738. 3786. VII 226. Rev. arch. XXXV 176) wird für die Kaiserin ebenso Rückkehr und Sieg erfieht, wie für ihren Gemahl und ihre Söhne.
Abgesehen von den Münzen wird Iulia Domna auch sonst gelegentlich mit Göttinnen identifiziert: in Sardes scheint sie als Ceres verehrt worden zu sein, in Tarsus als Proserpina; in Tarsus existierte auch ein Fest (,Theogamia‘), das ihre Hochzeit mit Septimius Severus verherrlichte (vgl. Krause Neocoros 79ff.). In Kolossai wurde sie als νέα Ἥρα Ῥωμαία geehrt (CIG 3956 b), in Aphrodisias (Karien) als θεὰ Ἰουλία νέα Δημήτηρ (CIG 2815), in Lampsakos ala Ιουλία Σεβαστή, Εστία, νέα [929] Δημήτηρ (CIG 3642). Über ihre Verehrung als Virgo Caelestis (Stadtgöttin von Karthago) vgl. v. Domaszewski Religion d. röm. Heeres 73. Abhandl. zur röm. Religion 148; Oriental. Studien für Noeldecke II 861: ‚die späte Rache der Semiten an der griechisch-römischen Kultur, deren Fesseln sie durch Jahrhunderte stumm getragen hatten, bricht unter der Regierung des Septimius Severus mit dämonischer Gewalt hervor. Der Triumph des neuen Hannibal verkörpert sich in der Verehrung seiner Gattin Iulia Domna als Virgo Caelestis, der Stadtgöttin des alten Carthago.‘ Vgl. auch Dieterich Abraxas 102ff. Göttliche Ehren werden ihr zuerkannt: CIL III 5939. VII 963. IX 5935. Cagnat IGR III 1497 = Premerstein Jahresh. III 189 wird eine ἀρχιέρεια, die in den Diensten der Σεβαστή Ἰουλία Δόμνα μήτηρ κάστρων steht und Νανῆλις heißt, geehrt. Ihr Name selbst hatte religiöse Bedeutung, vgl. Usener Götternamen 221.
III. Leben. Iulia Domna ist eine Tochter des Sonnenpriesters Bassianus (Aurel. Vict. Epit. 21. 23), nach Cass. Dio LXXVIII 24 ἐκ δημοτικοῦ γένους. Sie ist Syrerin (Dio LXXVII 6.10, 2. Hist. aug. Sev. 3, 8; vgl. Poehlmann in Pflugk-Harttungs Weltgesch. Altertum II 544). Ihre Heimatstadt ist Emesa (Herodian. V 3, 2. 4, 1. 8, 3. Hist. aug. Macrin. 9. 1), eine Stadt, die, in Syria Apamene am Orontes gelegen, bis auf Kaiser Domitian von einer selbständigen Dynastie regiert worden war (vgl. Marquardt Röm. St.-V. 245ff.). Paribeni (Bull. com. XXVIII 1900, 40ff.) schlicht aus dem Namen Iulia Soaemis (ältere Tochter von Iulia Domnas älterer Schwester Maesa; der letzte König heißt C. Iulius Soaemus) und Alexianus (= Alexander Severus), daß Iulia Domna und ihre Schwester der alten Königsfamilie von Emesa entstammen. Wichtig ist ferner das Vorkommen des Namens Basianus oder Bassianus, wie Domnas Vater, der Sonnenpriester, und nach ihm Caracalla hieß, ‚ehe er durch die wundervolle Adoption der ganzen Ahnenreihe des Commodus die Namen des Philosophen Marcus Aurelius Antoninus erhielt‘ (v. Domaszewski Abhandl. zur röm. Religion 209f.). Auch Soaemias führt den Namen Bassiana, und Elagabal wird bei Dio einmal (LXXVIII 30, 3) Βασσιανός genannt (vgl. Hönn Quellenuntersuchg. 40, 100). v. Domaszewski leitet den Namen von dem Worte Basus ab, das ein orientalischer Priestertitel ist, wie aus zwei dakischen Inschriften hervorgeht (CIL III 7756. 7834). Bedeutend war Emesa durch den Sonnenkultus, berühmt durch den Tempel des Sonnengottes (Baʿal) und die zu seinen Ehren gefeierten Spiele (vgl. Mionnet V 230 Suppl. VIII 157f.; s. den Art. Emesa o. Bd. V S. 2496f. Marquardt Röm. St.-V. 245. 265. 272. v. Domaszewski Abhandl. zur röm. Relig. 197ff. Vgl. auch Avienus in der Descriptio orbis terrae nach Dionys. perieg. v. 1082f.).
Iulia Domnas Schwester ist Iulia Maesa oder Varia (s. d.), die Gemahlin des Iulius Avitus (Hierodian. a. O. Hist. aug. Macrin. a. O.).
Septimius Severus nahm Domna zur Frau, als er Legat der Provincia Lugdunensis war (185–187), weil ihre Geburtskonstellation ihr einen Herrscher als Gatten verhieß; Hist. aug. Sev. 3, 8: cum amissa uxore (seine erste Frau war Paccia Mar[930] ciana, CIL VIII Suppl. 19 494 Dessau 440) aliam vellet ducere, genituras sponsarum requirebat, ipse quoque matheseos peritissimus, et cum audisset esse in Syria quandam, quae id geniturae haberet, ut regi iungeretur, eandem uxorem petit, Iuliam scilicet, et accepit interventu amicorum, ex qua statim pater factus est (vgl. Hist. aug. Get. 3, 1; Alex, Sev. 5, 4). Vgl. v. Domaszewski Rh. Mus. LVIII 222, 4: ‚Allerdings scheint die kluge Syrerin ihre Nativität nur aus ihrem semitischen Namen Martha, römisch Domna, abgeleitet zu haben‘. Daß Septimius Severus ein Anhänger der Astrologie war, ja sogar ‚in dieser Wissenschaft sehr bewandert‘, erfahren wir auch sonst; er glaubt an ὀνείρατα . . . χρησμούς τε καὶ ὅσα ἐς πρόγνωσιν τῶν μελλόντων σύμβολα φαίνεται (Herodian. II 9, 3), Träume beeinflussen seine wichtigsten Entscheidungen (Herodian. II 9, 4. Hist. aug. Get. 1, 3–5). Sehr ansprechend ist v. Domaszewskis Darlegung im Rh. Mus. a. a. O., daß Septimius Severus mit der orientalischen Theosophie in Berührung gekommen sein muß, als er die Legion Nordsyriens kommandierte (am Ende der Regierung des Kaisers Marcus, vgl. Hist. aug. Sev. 3, 6); ‚damals trat er auch in Beziehung zu dem Priesterhause von Emesa, so daß er im fernen Gallien späterhin die Ehe schloß mit der vom Schicksal gekrönten Frau‘; vgl. auch 197, 2.
Die oben zitierte Stelle aus der Vita des Severus (3, 9) deutet an, daß die Vermählung des Kaisers mit Iulia Domna im J. 185 stattfand, da Caracalla höchstwahrscheinlich 186 geboren wurde (Hist. aug. Sev. 4, 6. 16, 3 = Hist. aug. Diad. 6, 8); die Annahme, daß er 188 geboren sei (vgl. Dio LXXVIII 6, 5), scheint nicht zutreffend (vgl. Groebe o. Bd. II. S. 2439). Daß Faustina (Annia Galeria Faustina die Jüngere), die Gemahlin des Kaisers Marcus, die 175 verschied, die Hochzeit gerüstet haben soll, ist ein Traumbild des Severus (Dio LXXIV 3, 1). Caracalla, der nach seinem Großvater mütterlicherseits Bassianus hieß (Aurel. Vict. Epit. 21; in der Historia Augusta findet sich dieser Name am häufigsten), war I.s leiblicher Sohn (was schon durch die Namengebung nahegelegt wird). Vgl. die Inschriften und Münzen, besonders CIL VI 2086 = Dessau 451: ex te Aug(usta) Aug(ustum) videmus; ferner Philostrat. Vit. soph. II 30. Oppian. Cyneget. I 1ff. Hist. aug. Sev. 3, 9. Dio LXXVIII 23, 1. 24, 1. Hist. aug. Carac. 2, 7. Nur einer schlechten Überlieferung zufolge soll er ein Sohn der Paccia Marciana und ein Stiefsohn der Iulia Domna gewesen sein (vgl. o. Bd. II a. a. O.). Er wurde in Lyon geboren, sein Geburtstag ist der 4. April (Dio LXXVIII 6, 5) oder der 6. April (Hist. aug. Car. 6, 6), vgl. Wirth Quaest. Severian. 7. 20. Geta wurde in Rom geboren. am 27. Mai 189 (Hist. aug. Sev. 4, 2. 20, 2; Get. 3, 1. 3. Dio LXXVII 2, 5). Beide Söhne wurden sorgfältig erzogen. In der Vita des Severus (8, 1) wird von zwei Töchtern erzählt, die Severus, während er Kaiser war, verheiratete: filias suas dotatas maritis Probo et Aetio dedit. Beide Schwiegersöhne machte er zu Consuln (vgl. Hist. aug. Sev. 8, 2. Prosop. imp. Rom. III p. 99 nr. 727. I p. 39 nr. 304). Ob die Töchter leibliche Kinder der Iulia Domna waren oder aus Severus’ erster Ehe stammten, läßt sich nicht entscheiden.
[931] Auf ihren Gemahl hatte I. den größten Einfluß; sie hatte ihn so sehr an sich gefesselt, daß er sie nicht verstieß, obgleich sie des Ehebruchs, ja sogar einer Verschwörung bezichtigt wurde (Hist aug. Sev. 18, 8. Aurel. Vict. Caes. 20, 23). Ein gefährlicher, gehaßter Nebenbuhler erwuchs ihr in dem allmächtigen Gardepraefecten C. Fulvius Plautianus, der dem Kaiser bald viel näher stehen sollte, als selbst die Kaiserin (vgl. CIL VI 1074: necessarius Augg. et comes per omnes expeditiones eorum. Not. d. scavi 1893, 135: necessarius dd. nn. Augg. Severi et Antonini). Καὶ οὕτω καὶ ἐς τὰ ἄλλα πάντα ὁ Πλαυτιανὸς αὐτοῦ κατεκράτει ὥστε καὶ τὴν Ἰουλίαν τὴν Αὔγουσταν πολλὰ καὶ δεινὰ ἐργάσασθαι· πάνυ γὰρ αὐτῇ ἤχθετο, καὶ σφόδρα αὐτὴν πρὸς τὸν Σεουῆρον ἀεὶ διέβαλλεν, ἐξετάσεις τε κατ’ αὐτῆς καὶ βασάνους κατ’ εὐγενῶν γυναικῶν ποιούμενος (Dio LXXV 15, 6; vgl. LXXVIII 24, 1). Vgl. v. Ranke Weltgesch. III 1, 365ff. K. Fuchs Gesch. des Kaisers L. Septim. Sev. 93ff. v. Domaszewski Gesch. d. röm. Kaiser II 260. Obgleich Caracalla den Plautianus ebenso sehr haßte, wie Severus ihn liebte, ließ er sich doch mit Plautilla, der Tochter des Gardepraefecten, verloben; die Hochzeit wurde noch im J. 202 mit großem Aufwand gefeiert (Cohen² IV 103. Eckhel VII 203. CIL VI 1074 = Dessau 456. Dio LXXVI 1. 2. Hist. aug. Sev. 14, 8. Herodian. III 10, 5. 7. Vgl. auch de Ceuleneer Essai sur la vie et le règne de Sentime Sévère 195). Daß der verhaßte Günstling auch noch ein Verwandter des kaiserlichen Hauses wurde, mußte I. empfindlich genug treffen; dazu kam der Kummer, den ihr die Feindseligkeiten zwischen ihren beiden Söhnen bereiteten. Von Anfang an vertrug sich Caracalla mit seinem jüngeren Bruder sehr schlecht (Hist. aug. Car. 2, 3; Get. 5, 1. 4, 2–5). Die Streitigkeiten nahmen an Heftigkeit zu, je älter die beiden Prinzen wurden (Herodian. III 10, 3–4. 13, 6. Dio LXXVI 7, 1–2). Vergeblich suchte Kaiser Severus sie zu versöhnen (Herodian. III 10, 4. 13, 3–5. Hist. aug. Sev. 21, 10). Nachdem der Kaiser gestorben war (zu Eboracum-York in England am 4. Februar 211), führten beide Brüder die Herrschaft. Gemeinsam hielten sie ihren Einzug in Rom und bestatteten die Asche des Vaters im Grabmal der Antonine (Herodian. III 15, 6–7. Aurel. Vict. Caes. 20, 30. Hist. aug. Sev. 19, 4); dann aber brach die offene Feindseligkeit aus, jeder wollte die Herrschaft für sich gewinnen, ganz Rom spaltete sich in zwei Parteien (Herodian. IV 3, 1–4). Einmal erwogen sie sogar den Plan, das ganze Reich in zwei Teile zu teilen, ἵνα δὴ μὴ μένοντες ἐν τῇ Ῥώμῃ ἀλλήλοις ἐπιβουλίνοιεν (Herodian. IV 3.5), wobei Antoninus in Byzanz, Geta in Chalkedon residieren sollte; doch Iulia Domna hielt sie von diesem Vorhaben zurück, indem sie unter Schluchzen erklärte, dann müßte sie erst getötet und unter ihre beiden Kinder geteilt werden (Herodian. a. O.). O. Schulz (Beiträge zur Kritik unserer literar. Überlieferung für die Zeit von Commodus’ Sturze bis auf den Tod des M. Aurelius Antoninus [Caracalla], Diss. Leipzig 1903, 94) hält es im Sinne von Ranke Weltgesch. III 350ff. für wahrscheinlich, ‚daß wir hier das rhetorisch aufgeputzte Rudiment der öffentlichen Meinung jener Tage vor uns haben‘. Mit Recht betont er die geschichtliche Wichtigkeit der [932] Erkenntnis, daß man in der ersten Hälfte des 3. nachchristlichen Jhdts. an ein Aufgeben der Reichseinheit dachte.
Ende Februar 212 überredete Caracalla seine Mutter, zum Zwecke der Versöhnung, Geta und ihn zugleich in ihre Wohnung zu laden; Geta ging in die Falle und wurde von einigen Centurionen, die Caracalla vorher bestellt hatte, getötet. Vergebens hatte er sich in die Arme seiner Mutter geflüchtet, die selbst an der Hand verwundet und mit dem Blute ihres unglücklichen Sohnes bespritzt wurde (Dio LXXVII 2. Herodian. IV 4, 3. Hist. aug. Sev. 21, 6–7. 23, 7; Carac. 2, 4. Eutrop. VIII 19 = Oros. VII 17. Aurel. Vict. Caes. 20, 32; Epit. 21, 3. Zonar. XII 12). Vgl. v. Ranke Weltgesch. III 372. Herzog Gesch. u. System d. röm. Staatsverfass. II 473. Schiller Gesch. d. röm. Kaiserzeit I 2, 740f. v. Domaszewski Gesch. der röm. Kaiser II 264f. Geta war damals 22 Jahre und 9 Monate alt (Dio LXXVII 2, 5). Die unglückliche Mutter, die ihren Sohn auf so tragische Weise verloren hatte, durfte ihre Trauer nicht zeigen, ‚ἀλλ' ἠναγκάζετο ὡς καὶ ἐν μεγάλη τινὶ εὐτυχίᾳ οὖσα χαίρειν καὶ γελᾶν‘ (Dio a. О.); ihr Benehmen wurde streng überwacht, und sie hütete sich wohl, das Mißfallen ihres rohen, tyrannischen Sohnes zu erregen (Dio a. O. Hist. aug. Carac. 3, 3; Get. 7, 3), war doch Cornificia, Marc Aurels Tochter, von Caracalla hingerichtet worden, weil sie sich bei der Kaiserinmutter über die Ermordung ihres Sohnes beklagt hatte (Herodian. IV 6, 3).
Um sich über all das häusliche Elend hinwegzuhelfen, huldigte Iulia Domna schöngeistigen und philosophischen Neigungen. Nach Dio hatte sie sich mit Philosophie zu beschäftigen begonnen, als sie durch Plautian die einflußreiche Rolle, die sie bei ihrem Gatten gespielt hatte, einbüßen mußte (Dio LXXV 15, 7: καὶ ἡ μὲν αὐτή τε φιλοσοφεῖν διὰ ταῦτ᾽ ἤρξατο καὶ σοφισταῖς συνημέρευεν); vgl. Schulz Beiträge 61. v. Domaszewski Gesch. der röm. Kaiser II 260f. Dio berichtet (LXXVII 18, 3), daß sie sich mit den Spitzen des Staates, die sie gleich Caracalla in Audienz empfing, über wissenschaftliche Fragen unterhielt (ἐφιλοσόφει); Dio selbst zählte gewiß auch zu ihrem Kreise, vgl. Herzog Gesch. u. System II 472, 4. Flavius Philostratus war in ihrer Umgebung in Rom tätig und beschrieb auf ihre Anregung das Leben des Apollonius von Tyana (vit. Apollon. J 3 [4, 2 Kayser]); da das Werk der Kaiserin nicht gewidmet ist, kann man vielleicht annehmen, daß es zur Zeit ihres Todes (217) noch nicht fertig war. Philostratus (a. O.) bezeugt auch, daß sie τοὺς ῥητορικοὺς πάντας λόγους ἐπῄνει καὶ ἠσπάζετο. Vit. soph. 622 (2, 121, 24 Kayser) nennt er sie geradezu φιλόσοφος. Durch Iulia Domnas Vermittlung erlangte der Sophist Philiskos aus Thessalien eine Lehrkanzel in Athen προσρυεὶς τοῖς περὶ τὴν Ἰουλίαν γεωμέτραις τε καὶ φιλοσόφοις (Philostrat. a. O.). Vgl. auch den Brief des Philostratus an I., epist. 256, 17 (Kays.). Manche Gelehrte sind der Ansicht, daß die für Platon begeisterte Dame, der Diogenes Laertius seine Philosophenbiographien gewidmet hat, mit der Kaiserin Iulia Domna identisch sei (vgl. Christ Gesch. d. griech. Lit. II 2 685, 5), andere denken an Arria, die Freundin des Galenos (vgl. o. Bd. II S. 1259 nr. 42). Allerdings fehlt ein Prooimion, obgleich III 47 (φιλο[933] πλάτωνι δὲ σοὶ δικαίως ὑπαρχούσηι καὶ παρ᾽ ὁντινοῦν τὰ τοῦ φιλοσόφου δόγματα φιλοτίμως ζητούσηι) eine Widmung voraussetzt; H. Usener vermutet wohl mit Recht, diese Anrede sei wörtlich aus dem Prooimion genommen (Gött. Nachr. 1892, 210ff.).
Julia Domna überragt alle ihre Vorgängerinnen an geistiger Bedeutung; sie ist die erste römische Kaiserin, von der wir erfahren, daß sie einen Kreis von Gelehrten um sich versammelte und sich für wissenschaftliche, besonders philosophische Probleme interessierte (vgl. Dio a. O. Philostrat. a. O.). Pompeia Plotina, die kluge, gebildete Gemahlin Kaiser Traians, und Vibia Sabina, Kaiser Hadrians Frau, die schöngeistige Interessen gehabt zu haben scheint, könnten mit ihr verglichen werden. In byzantinischer Zeit (vgl. F. Gregorovius Athenais³, Leipzig 1892. R. Hoche Hypatia, die Tochter Theons, Philol. XV 435–474. Krumbacher Kasia, S.-Ber. Akad. Münch., phil.-hist. Cl. 1897 I 305ff.) und im Zeitalter der Renaissance (vgl. J. Burckhardt Die Kultur der Renaissance in Italien¹¹ II 107ff. 116ff.) findet sich eine stattliche Anzahl von philosophisch bedeutenden Frauen, die man Iulia Domna an die Seite stellen könnte. Als die Kaiserin ihren Gemahl 208 auf seinem Zuge gegen Britannien begleitete und sich (wahrscheinlich) während des Krieges in York aufhielt, dürfte sie da den britannischen Volkstypus studiert haben; vgl. das Gespräch mit der Kaledonierin, die der Kaiserin unumwunden ihre Meinung über die sittlichen Zustände in Rom sagte (Dio LXXVI 16). Daß sie sich auch mit religiösen Fragen beschäftigte und die herrschenden Vorstellungen beeinflußte, ist natürlich. Sie war Syrerin, und es ist bekannt, wie zugänglich man damals in Rom orientalischen Einflüssen war (vgl. de Ceuleneer a. a. O. 205. v. Poehlmann in Pflugk-Harttungs Weltgesch. I 2, 579ff. v. Domaszewski Abhandl. zur röm. Religion 197ff.).
Unter Caracalla genoß Domna großen politischen Einfluß. Im einzelnen ließ er sich allerdings von seiner Mutter, die ihm viele vernünftige Ratschläge gab (Dio LXXVII 18) und ihn namentlich zur Sparsamkeit aufforderte (Dio LXXVII 10, 4. Zonar. XII 12), so gut wie gar nichts sagen; doch überließ er ihr 214/15 während seines Zuges nach dem Orient und 216/17 während des armenischen und parthischen Krieges die Erledigung seiner Staatsgeschäfte; Dio LXXVII 18, 2: τὴν τῶν βιβλίων τῶν τε ἐπιστολῶν ἑκατέρων, πλὴν τῶν πάνυ ἀναγκαίων, διοίκησιν αὐτῇ ἐπιτρέψας, καὶ τὸ ὄνομα αὐτῆς ἐν ταῖς πρὸς τὴν βουλὴν ἐπιστολαῖς ὁμοίως τῷ τε ἰδίῳ καὶ τῷ τῶν στρατευμάτων, ὅτι σῴζεται, μετ' ἐπαίνων πολλῶν ἐγγράφων (vgl. Dio LXXVIII 4, 2–3. 23, 1; vgl. Herzog Gesch. u. System d. röm. Staatsverf. II 472ff. v. Domaszewski Gesch. d. röm. Kaiser II 262. O. Fitch Butler Stud. in the life of Heliog. Michig. Stud.IV 43ff.).
214/15 weilte die Kaiserin mit ihrem Sohne im Orient (Dio LXXVII 18, 2); vielleicht befand sich auch ihre Schwester Maesa, die sich bis 217 ständig bei ihr aufhielt (Dio LXXVIII 30, 3. Herodian, V 3, 2), mit ihren (schon verwitweten?) Töchtern Soaemias und Mamaea in ihrer Begleitung (a. Keil-v. Premerstein Bericht über eine zweite Reise [934] in Lydien, Akad. d. Wiss. Wien, phil.-hist. Cl. LIV 56).
Angeblich hat Iulia Domna mit Caracalla in einem sträflichen Verhältnis gelebt (Herodian. IV 9. Hist. aug. Sev. 21, 7; Caracall. 10, 1ff. Aurel. Vict. Caes. 21, 3; Epit. 21. Eutrop. VIII 20. Oros. VII 18, 2. Hieron. Chron. Olymp. 248). Diese Nachricht kann man, in Erwägung damaliger Sittenzustände, den Schriftstellern glauben, wenn man will (Cassius Dio weiß nichts davon), nicht aber, daß Caracalla ihr Stiefsohn war (vgl. o.), was wohl nur deshalb fingiert wurde, um die Anstößigkeit der Tatsache zu mildern (vgl. Hist. aug. Sev. 21, 7ff.). Vgl. v. Rankes Urteil Weltgesch. IIІ 371.
Als Caracalla anfangs April 217 von Edessa nach Karrhai zog, um hier in einem Tempel zu opfern, wurde er unterwegs nach Dio LXXVIII 5, 4 am 8. April, nach Hist. aug. Carac. 6, 6 am 6. von Iulins Martialis ermordet; sein Gardepraefect M. Opellius Macrinus hatte ihn verraten (Dio LXXVIII 4–5. Hist. aug. Carac. 6, 6. Herodian. IV 13. Aurel. Vict. Epit. 21, 6. Eutrop. VIII 20; vgl. Mommsen Chron. min. I 147). Als I., die damals in Antiochia weilte, die Todesnachricht erhielt, geriet sie in die heftigste Aufregung und wollte sich das Leben nehmen (Dio LXXVII 23. Zonar. XII 13), nicht aus Trauer um den Sohn, den sie nach Dio a. O, sogar gehaßt haben soll, sondern aus Angst, ihre politische Stellung einzubüßen (ὅτι αὐτὴ ἰδιωτεύουσα ἤχθετο). Da sie aber in der Folge in ihrer Hofhaltung und Leibwache keinen Abbruch zu erleiden hatte und der neue Kaiser Macrinus ihr sogar χρηστά τινα zukommen ließ, gab sie ihre Todesgedanken auf. Bald merkte jedoch Macrinus, daß I. nach der Autarchie strebte, und verwies sie aus Antiochia (vgl. Xiphilin. 343, 21–23). Nun hatte das Leben für die unglückselige, ehrgeizige Frau keinen Reiz mehr, denn nach Rom konnte und wollte sie auch nicht mehr gehen (Dio LXXVIII 23, 6); sie war ohnedies leidend und beschleunigte ihr Ende durch freiwilliges Verhungern (Dio a. O.). Nach Herodian (IV 13, 8) ist es unsicher, ob sie freiwillig oder gezwungen den Hungertod starb.
Ihr Leichnam wurde nach Rom gebracht und im Grabmal des Gaius und Lucius beigesetzt: später wurden ihre Gebeine von ihrer Schwester Maesa in das Grabmal der Antonine überführt (Dio LXXVIII 24). Dio gibt a. a. O. einen Überblick über das so schicksal- und wechselvolle Leben dieser klugen, leidenschaftlichen und herrschsüchtigen Frau und knüpft eine erbauliche Betrachtung daran; vgl. Petr. Patr. exc. Vat. 151 (p. 232 Mai = p. 216, 19–21 Dind.): ὅτι ἡ Ἰουλία ἡ Σεουήρου γυνὴ ἐξ εὐτελεστάτων ἐπὶ τοσοῦτον ὕψος ἀρθεῖσα καὶ ἐλεεινῶς τελευτήσασα ἔδειξε τῆς ἀνθρωπίνης ζωῆς τὸ ἀβέβαιον.
IV. Äußeres. Die Schriftsteller schildern ihr Äußeres nicht, nur Spartian (Hist, aug. Carac. 10, 1) behauptet, daß ihre Schönheit ebenso groß gewesen sei wie ihre Sittenlosigkeit. Die Münzporträts Cohen² a. a. O. und Bernoulli Röm. Ikonogr. II 3, Münztaf. I 13–15) zeigen ein feines, scharfgeschnittenes Profil; die Nase ist leicht gebogen, wie das dem syrischen Gesichtstypus entspricht, das Kinn kräftig und energisch, die Lippen sind etwas zu voll, doch nicht ohne Anmut. Das ganze [935] Gesicht verrät neben Sinnlichkeit viel Geist und Charakter. Bernoulli Röm. Ikonogr. II 3, 36ff. unterscheidet zwei Frisurentypen (vgl. Cohen² IV 106ff.). Von Iulia Domna sind uns viele Statuen und Büsten erhalten (Bernoulli 37ff. Taf. XVff. Amelung Vatic. Sculpt. I 113. 157. A. Hekler Die Bildniskunst d. Griech. u. Röm. Taf. 288 b). Ob der Kolossalkopf der Rotunde im Vatikan nr. 554 (eines der größten Frauenbildnisse, die uns erhalten sind), der der Frisur nach in ihre Zeit weist, Iulia Domna zuzusprechen ist, läßt sich nicht entscheiden (Bernoulli a. a. O.). Im großen und ganzen lassen sich nach Bernoulli 39 zwei Typen unterscheiden: 1. Der gabinische Typus (nach zwei Büsten aus Gabii, jetzt Louvre nr. 2310 und 2312). Charakteristika: flache, lang herabhängende Haarscheitel, vor den Ohren flache Locken, in der Mitte etwas eingesenkte Stirn, scharf markierte Mundwinkel, gespitzte Oberlippe, lächelnder Gesichtsausdruck (Taf. XVI a. b. XVII). 2. Der capitolinische Typus (nach der schönen capitolinischen Büste, Kaiserzimmer nr. 27; Helbig Führer I 335). Charakteristika: Das Gesicht umsäumt ein umgeschlagener Haarwulst, statt der flachen Locken je ein Zierlöckchen in der Nähe der Ohren; ‚die Gesichtszüge sind die einer reifen Frau von stolzer Schönheit und deuten auf Geist und Charakter‘ (Bernoulli 42f.).
Das Bild der Iulia Domna auf dem Bogen der Goldschmiede (Taf. XV), das die Kaiserin en face zeigt, entspricht mehr dem gabinischen Typus (vgl. Americ. Journ, Arch. VI 280f.: ‚It is difficult to see any trace of beauty in her round face, of a Semitic type‘). Der gabinische Typus ist viel realistischer und hat bedeutend mehr Repliken, daher tut Bernoulli wohl recht, wenn er in diesem Typus Iulia Domnas echtes Porträt sucht (43ff.).