Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft
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Dikaios, letzter griechisch-baktrischer König
Band VIII,1 (1912) S. 4546
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2) Heliokles, mit dem Beinamen Dikaios ist, nach den baktrischen Münzen zu urteilen, der letzte griechisch-baktrische König gewesen. Seine Münzen erweisen ihn als unmittelbar folgend auf Eukratides, und da sein Name mit dem des Vaters des Eukratides übereinstimmt (s. Vorigen), so darf man die übliche Annahme, er sei der Sohn des Eukratides gewesen, als äußerst wahrscheinlich bezeichnen (Cunningham Num. Chron. 2. Ser. IX 239ff. v. Sallet Nachfolg. Alexand. d. Gr. 22ff.). Iustin XLI 6, 5 erwähnt nun einen Sohn des Eukratides, der zugleich socius regni seines Vaters gewesen ist, und man identifiziert zumeist diesen Sohn mit H. Cunningham a. a. O. freilich sieht in diesem Sohn und Mitregenten den indischen König Apollodotos Philopator, dessen Regierungszeit um die Mitte des 2. Jhdts. v. Chr. anzusetzen ist, und seine Gründe (vor allem die rein münztechnischen) haben manches für sich; H. wäre also dann als der jüngere Sohn anzusehen. Insofern darf man auch die Schreckenstat, welche Iustin. a. a. O. von dem seinen Vater so glühend hassenden Sohn berichtet, die Ermordung und Nichtbeerdigung des Eukratides, als dieser nach der Besiegung des Demetrios und der Eroberung des nordwestlichen Indien von dort nach Baktrien zurückkehrt, nicht unbedingt dem H. zuweisen. Als Zeit der Thronbesteigung des H. ist spätestens etwa das J. 156 v. Chr. anzusetzen; denn die Erfolge des indischen Herrschers Menander, welche um 155 v. Chr. beginnen (Smith The early history of India² 204f.), sind bei Lebzeiten des Eukratides kaum denkbar. Die sog. Jahreszahl ΠΓ auf einer Münze des H. erscheint mir zu unsicher, um zu chronologischen Schlüssen verwandt zu werden (s. v. Sallet a. a. O. 22f.). Das ganze Reich, das Eukratides zuletzt besessen hat, hat H., nach seinen Münzen (griechische und griechisch-indische Legenden) und ihren Fundorten zu urteilen, nicht beherrscht. Von den indischen Eroberungen scheint ihm nur ein Teil des Kophen(Kabul)gebietes geblieben zu sein; ob allerdings längere Zeit, ist recht unsicher. Freilich, Aspirationen auf Indien dürfte auch H. gehabt haben; darauf weisen uns hin die zweisprachigen Münzen des H. und das gegenseitige Überprägen von Münzen durch H. und einen griechischen Herrscher im Pendschab, Strato (Cunningham Numism. Chron. 2. Serie X 213ff., s. auch IX 243ff.). Trotz der letzten großen Erfolge des Eukratides – dieser ist als echte Condottierenatur zu werten – ist das baktrische Reich, als H. die Regierung antrat, schon sehr geschwächt gewesen (Iustin. XLI 6, 3. Strab. XI 515. 517). Um seine Herrschaft innerlich zu [46] festigen, hat H. anscheinend das einheimische Element begünstigt; wenigstens hat erst er den einheimischen reduzierten Münzfuß, den Eukratides in seiner letzten Zeit neben dem attischen eingeführt hat, in größerem Umfange angewandt (was W. W. Tarn Journ. hell. Stud. XXII 270f. für die Begünstigung des einheimischen Elements durch H. anführt, erscheint mir durchaus hypothetisch). In der Ausführung sind die Münzen minderwertiger als die sehr wohl ausgeführten des Vorgängers, was auch auf Zeiten des Niedergangs hinweist. Die Ausdehnung der parthischen Herrschaft bis nach Indien um 140 v. Chr. (Diodor. XXXIII 20. Oros. V 4, 16) zeigt dann die Beschränkung des baktrischen Reiches auf die nördlichen Gegenden, und bald nach 140 v. Chr. ist es dem vom Nordosten aus erfolgenden Ansturm der Yuetschi – ethnisch keine geschlossene Volksgruppe, die Tocharen spielen unter ihnen eine große Rolle – allmählich erlegen (Strab. XI 511. Trog. prol. 41 und vor allem chinesische Quellen, für sie s. V. A. Smith Journ. Roy. Asiat. Soc. 1903, 18ff. Allote de la Fuye Rev. numism. 4. Ser. XIV 25ff.). Die allgemeine Auffassung, daß das Ende des baktrischen Reiches mit dem Ende der Herrschaft des H. zusammenfalle, erscheint mir aber nicht berechtigt; denn die chinesischen Quellen (s. Smith a. a. O. 19f. Allote de la Fuye a. a. O. 30) heben ausdrücklich hervor, daß es in Baktrien zur Zeit des Angriffes der Yuetschi ein einheitliches Oberhaupt nicht gegeben habe, sondern daß damals die einzelnen Teile des Landes selbständig nebeneinander bestanden hätten. H. und seine Herrschaft muß also schon vorher zu Ende gegangen sein. Wann und ob infolge des Todes des Königs oder durch äußere oder innere Ereignisse, läßt sich vorläufig nicht näher bestimmen; der Zerfall Baktriens nach seinem Ende würde freilich zu einer gewaltsamen Beseitigung des H. gut passen. Die verhältnismäßig wenigen Münzen des H. legen übrigens eine kürzere Regierung des H. immerhin nahe. Cunningham Num. Chron. 2. Ser. IX 239ff. v. Sallet a. a. O. 21ff. v. Gutschmid Geschichte Irans 47ff. 58. 104. Niese Gesch. d. griech. u. maked. Staaten III 288. 291. V. A. Smith The early history of India² 211ff. 232ff. Für die Münzen v. Sallet a. a. O. 103ff. Gardner Coins of the Greek and Scythic kings of Bactria a. India 21ff. 161. V. A. Smith Catal. of the coins in the Indian museum Calcutta I 13ff.

Anmerkungen (Wikisource)

Heute scheint man zwei Heliokles Dikaios zu unterscheiden: w:Heliokles I. und w:Heliokles II.