Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft
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harzartiger Pflanzensaft, als Klebstoff verwendet
Band VII,2 (1912) S. 19331935
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Gummi (ägypt. kemai, kema, davon gebildet griech. τὸ κόμμι, lat. cummi, später gummi [Schrader Reallex. 314], vulgärlat. gummă-am f., ital. gomma [sizil. gumma], prov. goma, franz. gomme, cat. goma, span. goma, ptg. gomma [Körting Lat.-rom. Wörterb. 498]).

1) G., ein von den Alten den Aromaten zugerechneter Klebstoff, wird zuerst von Herodot (II 86) in seinem Berichte über die ägyptische Einbalsamierung der Toten erwähnt. ,Die Ägypter balsamieren ihre Toten in dreifacher, mehr oder weniger kostbaren Weise ein. Bei der teuersten Art der Einbalsamierung wird die von den Eingeweiden befreite Bauchhöhle mit Palmwein ausgespült, mit geriebenen reinen Myrrhen, mit Kasia und anderem Räucherwerk außer Weihrauch angefüllt und sodann zugenäht. [1934] Nachdem die Leiche 70 Tage lang in Natron auf bewahrt ist, wird sie gewaschen, mit aus Byssus geschnittenen Tuchstreifen umwickelt und mit G., dessen sich die Ägypter anstatt des Leims (ἀντὶ κόλλης) bedienen, bestrichen. Schließlich wird der Leichnam in dem hölzernem Abbild eines Menschen eingeschlossen und in der Grabkammer aufrecht an die Wand gestellt‘. G. wurde im Altertum von der Nilakazie (Acacia nilotica Del. = Acacia vera Willd.) gewonnen. Der Baum hieß altägypt. Cant, Sont, arab. Charad, auch Seģer fetna und Ṣenṣe-locht (Woenig Die Pflanzen im alten Ägypten 298). Die griechischen Bezeichnungen ἄκανθα (Herodot, Theophrast, Dioscurides, Strabon, Athenaios) und ἀκακία (Diosc. I 101) erklären sich aus den Stacheln (ἀκή) an Ästen und Zweigen. Plinius (XXIV 107) nennt den Baum spina Aegyptiaca oder Arabica, den Saft acacia. Nach dem Berichte Herodots (II 96) wurden die Frachtfahrzeuge der Ägypter aus dem Holze der ἄκανθα gebaut, deren Gestalt dem kyrenäischen Lotos sehr ähnlich und dessen tropfenförmig hervorquillende Feuchtigkeit (δάκρυον) G. sei. Aus der ἄκανθα zimmerten sie zwei Ellen lange Balken, die sie wie die Ziegelsteine übereinander legten. ... Der Stamm der ἄκανθα werde als Mastbaum gebraucht (ἱστῷ δὲ ἀκανθίνῳ χρέωνται). Theophrast (IV 2, 8) gibt eine Schilderung des Baumes. ,Der Stamm ist hoch, aber nicht gerade gewachsen. Den Stamm ausgenommen ist alles – Äste, Zweige, Blätter – dornig an dem Baume. Theophrast unterscheidet zwei Arten der ἄκανθα, eine weiße und eine schwarze. Das Holz der ersteren ist schwach und der Fäulnis leicht ausgesetzt, das der letzteren dagegen fest und dauerhaft, so daß es gern zu Schiffsplanken verwandt wurde. Der in einer Hülse ruhenden Frucht (ἔλλοβος) bedienten sich die Ägypter anstatt der Galläpfel zum Gerben des Leders. Die schönen Blüten dienen als Kranzblumen, wegen ihrer Heilkraft wurden sie von den Ärzten bei der Herstellung mannigfacher Heilmittel gebraucht. Das G. wird durch Einschnitte in die Rinde oder durch freiwilliges Ausschwitzen gewonnen‘. Ähnlich ist die Darstellung des Baumes bei Dioscurides (ed. Wellmann I 101). Die in Ägypten wachsende ἄκανθα ist ein baumartiges, strauchiges Dorngewächs von nicht geradem Wuchse, die Blüte ist weiß, die Frucht ebenso wie die Lupine in Hülsen eingeschlossen. Aus der Frucht wird Saft ausgepreßt, der, im Schatten getrocknet, schwarz ist, wenn die Frucht reif, gelblich, wenn sie noch unreif ist. Dieser letztere hat den Wohlgeruch der Akazie. Das beste aus dem Dornstrauche gewonnene G. ist wurmförmig, glasglänzend, durchsichtig und holzfrei, demnächst ist noch das weiße G. wertvoll, während sich das harzige und schmutzige als unbrauchbar erweist. Plinius (XXIV 107. XIII 65) führt außer der schwarzen und weißen Art noch eine grüne an; für die Gewinnung des G.s kommen aber nach ihm nur die beiden erstgenannten Arten in Betracht. Bezüglich des Holzes verdient die schwarze Art den Vorzug. Ihr Holz ist im Wasser unverändert, daher liefert sie das beste Schiffsbauholz, das Holz der weißen Art fault leicht. Nicht nur Äste und Zweige, sondern auch die Blätter haben Stacheln. Der [1935] Same befindet sich in Schoten, er wird anstatt der Galläpfel zur Zubereitung des Leders gebraucht. Abgehauen schießt der Baum nach drei Jahren wieder auf. Der Dornbaum wächst in der Nähe des ägyptischen Theben, 300 Stadien vom Nil entfernt, der mit seinem Wasser die waldige Gegend befruchtet. Das vom ägyptischen Dornbaum gewonnene G. ist wurmförmig, graugrün, rein und ohne Rindenteile. Strabon (IZ c. 809) erzählt, daß unweit Memphis bei der Stadt Acanthus und dem Tempel des Osiris ein Hain aus thebanischen Dornakazien, von denen der G. herkomme, gelegen sei. Ein zweiter aus ägyptischen Dornakazien bestehender, dem Apollo geweihter Hain befand sich nach Strabon (IZ c. 813) an den Seiten eines Kanals, der von Abydos nach dem Nil führte. G. wurde von den Ärzten des Altertums vielfach zu Arzneizwecken verwandt. Dioscurides (B c. 133) schreibt ihm eine stopfende Kraft zu, den Arzneien beigemischt sollte es die Schärfe mildern. Mit Ei als Salbe angewandt verhinderte es bei Brandwunden die Blasenbildung. Plinius, der auch die Harze einer größeren Zahl von Obst- und anderen Bäumen bezw. Sträuchern als G. bezeichnet, das freilich dem G. der Akazie nachsteht, weiß von allen G.-Sorten besondere Heilkräfte anzugeben. Das G. aus der Sarkokolle, einem sonst nicht bekannten Baume, wurde nach ihm außer von den Ärzten auch von den Malern gebraucht, es soll dem zerriebenen Weihrauch ähnlich gewesen sein. Die Akazie, von der Schweinfurth 24 Arten im Nilgebiete namhaft macht (Woenig 298 Anm.), bildet noch heute einen Hauptbestandteil des gesamten Baumwuchses Ägyptens und der Länder im Quellgebiete des Nils. Freilich hat das aus der Nilakazie quellende G. seine ehemalige Bedeutung eingebüßt. Es dient nur noch dem Hausgebrauche, während es auf dem Weltmarkte seine Stellung an G. anderer Akazienarten abgetreten hat. Dagegen hat das Holz der Akazie noch heute seinen Wert behalten, und auch ihre Fruchthülsen, die nach den Berichten des Theophrast (IV 28), des Plinius (XIII 65) und des Athenaios (XV 25 p. 477. 478) im Altertum zum Gerben des Leders verwandt wurden, werden noch heute unter dem Namen karrat auf allen ägyptischen Märkten zu demselben Zwecke feilgeboten (Woenig 302).

[Orth. ]