Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft
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Bundesgenössische Elitetruppe der republikanischen Zeit
Band VI,2 (1909) S. 16961698
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Extraordinarii. Diese bundesgenössischen Elitetruppen der republikanischen Zeit waren schon durch den Namen von den in ordine dienenden Soldaten unterschieden und auch im Lager (s. d. Art. Castra, o. Bd. III S. 1763), von den Legionären sowie den andern auxilia durch die via principalis getrennt, im kleineren Teil desselben, in unmittelbarer Nähe des praetorium zum Schutze des Stabes gegenüber der porta decumana untergebracht. Auf dem Marsche befinden sie sich gewöhnlich an der Spitze des Zuges; sollte aber das Ende desselben gefährdet sein, übernehmen sie auch hier die Deckung (Polyb. VI 40, 4. 8), wie sie überhaupt zu besonderen Vertrauensposten und bei schwierigen Aufgaben [1697] verwandt werden, die Schlacht eröffnen und den Aufklärungsdienst besorgen, vgl. Liv. X 34, 7. Zweifellos sollten die Bundesgenossen durch diese Auszeichnung eines Teils der von ihnen gestellten Mannschaften geehrt werden. Ob sie höheren Sold oder sonstige Vorteile erhielten, ist nicht zu ermitteln. Die Zusammensetzung des Korps wird nur einigermaßen bekannt aus Polyb. VI 26, 6–9: οἳ πρῶτον μὲν τοῖς ὑπάτοις τοὺς ἐπιτηδειοτάτους πρὸς τὴν ἀληθινὴν χρείαν ἐκ πάντων τῶν παραγεγονότων συμμάχων ἱππεῖς καὶ πεζοὺς ἐκλέγουσι, τοὺς καλουμένονς ἐκτραορδιναρίους, ὃ μεθερμηνευόμενον ἐπίλεκτους δηλοῖ. τὸ δὲ πλῆθος γίνεται τὸ πᾶν τῶν συμμάχων, τὸ μὲν τῶν πεζῶν πάρισον τοῖς Ῥωμαικοῖς στρατοπέδοις· ὡς τὸ πολύ, τὸ δὲ τῶν ἱππέων τριπλάσιον (vgl. III 107, 12)· ἐκ δὲ τούτων λαμβάνουσι τῶν μὲν ἱππέων εἰς τοὺς ἐπιλέκτους ἐπιεικῶς τὸ τρίτον μέρος, τῶν δὲ πεζῶν τὸ πέμπτον. Es werden also zunächst von den Praefecten aus allen gestellten Bundesgenossen für die Consuln die zum wirklichen Dienst geeignetsten Mannschaften zu Fuß und Reiter ausgehoben. Ausdrücklich genannt sind diese e. noch Polyb. VI 30, 2. 31, 8. 32, 6. 40, 4. X 39, 1. Liv. XXVII 12, 14. XXXIV 47, 3. XXXV 5, 1. XL 27, 3. 31, 3. XLII 58, 13. Verwandte Bezeichnungen, wie extra ordinem, vgl. Fröhlich 4. 15, und Erwähnungen von delectae cohortes, wie Liv. II 11, 8, delecta manus II 20, 5. 26, 2. 33, 7, gehören nicht hierher. Da Polybios keine Ziffer der Mannschaften angibt, sondern nur relativ bemerkt, daß von den Reitern ein Drittel, von den Fußsoldaten der fünfte Teil den e. überwiesen wird, mußte, je nachdem man die Stärke der Legion beziffert, das Ergebnis der Untersuchung verschieden sein. Marquardt 392. 398 berechnete, lediglich gestützt auf Polyb. III 72, 11, das Korps zu Fuß auf 1600 Mann, Mommsen Herm. XIV 25 auf 2000, ohne anzugeben, weshalb die Doppellegion gerade 8200 Bürger und 8000 Bündner zählte, Nissen 36 auf 2100, doch fehlen die Unterlagen für diese Summe. Aus der von Fröhlich 6 aufgestellten Statistik der aus den J. 296–168 (vgl. auch das Programm 1884, 10f.) bekannten Angaben (Livius, seltener bei Polybios und Appian) über die Stärke eines consularischen Heers ergibt sich, daß die Bundesgenossen gewöhnlich wegen der dazu gehörigen e. an Zahl den Legionen überlegen sind. Polybios Notiz VI 30, 2 also zutreffend ist: ἔστι δὲ τὸ πλῆθος τῶν συμμάχων … τὸ μὲν τῶν πεζῶν πάρισον τοῖς Ῥωμαϊκοῖς στρατοπέδοις, λεῖπον τοῖς ἐπιλέκτοις, ferner, daß das volle Aufgebot der Bundesgenossen für ein consularisches Heer einschließlich der e. 15000 (12000 + 3000) Mann ausmachte. vgl. Liv. XL 36. 6 und über andere Stellen Fröhlich 8ff., der vor allem auch auf Plut. Aem. Paullus 15: οἱ μὲν ἐκτὸς τάξεως Ἰταλικοὶ τριςχίλιοι τὸ πλῆθος ἦσαν, wo diese Zahl der e. ausdrücklich genannt ist, hinweist.

Die e. sind wie alle auxilia (o. Bd. II S. 2619) in Cohorten gegliedert (Liv. XXXIV 47, 3. XL 27, 3), und zwar zählte nach der letzteren Stelle das consularische Heer deren vier, gewöhnlich je 750 Mann stark. Nissen 36 nimmt fünf Cohorten an, doch ist aus verschiedenen Gründen wegen der Lagerordnung und mit Rücksicht auf die zwei alae auch für die Fußtruppe eine gerade Zahl wahrscheinlicher. Schwieriger läßt sich die [1698] Stärke der Reiterei bestimmen. Nach der genannten Polybiosstelle (vgl. VI 30, 2: ἔστι δὲ τὸ πλῆθος τῶν συμμάχων .. τὸ δὲ τῶν ἱππέων διπλάσιον ἀφῃρημένον καὶ τούτων τοῦ τρίτου μέρους εἰς τοὺς ἐπιλέκτους) ist die bundesgenössische Reiterei dreimal zahlreicher als die römische, beträgt also bei der Doppellegion normal 1800 Mann, das sind zwei alae zu je 600 und die 600 e. Diese zerfallen in zwei 300 Mann starke Abteilungen, equites extraordinarii sinistrae (Liv. XL 31, 3) und dextrae alae, die wieder zehn turmae zu 30 Mann zählten. Wie Fröhlich 13 ausführt, hält sich aber die Stärke der bundesgenössischen Reiterei seit dem Beginne des zweiten Punischen Krieges nicht auf dieser Höhe, sondern sinkt sogar bis auf 500 herab; da jedoch Polybios Angabe für seine Zeit zuverlässig sein wird, muß man annehmen, daß unter dem jüngeren Scipio die frühere Zahl wieder bestanden hat.

Daß das Korps schon vor dem J. 545 = 209 v. Chr., wo Livius XXVII 12, 14 es zuerst bestimmt erwähnt, vorhanden gewesen ist, kann nicht bezweifelt werden; Fröhlich 17ff. sucht nachzuweisen, daß die e. bereits in dem Zeitraume seit der Unterwerfung der Latiner und Auflösung des Bundes unter anderen Benennungen bei Livius vorkommen und vielleicht nicht lange nach 414 = 340 v. Chr. errichtet sind. Wahrscheinlich gehören hierher die bundesgenössischen delectae cohortes Liv. IX 37,8 (444 = 310), die campanischen equites delecti X 26, 14 (459 = 295), die zum Schutz des Feldherrnzeltes bestimmten lucanischen und suessanischen cohortes sociorum X 33, 1 (460 = 294), die 220 Reiter XXVII 26, 11 vgl. Mommsen Herm. XIV 25, 4, die zwei turmae sociorum Latini nominis X 34, 7 (460 = 294). Auch für einige Stellen in den Berichten über den zweiten Punischen Krieg dürfte der Nachweis erbracht sein, so betreffs der turma equitum Liv. XXV 16, 15, der turma Lucana XXII 42, 4, der quadringenti equites XXII 15, 4, der duo milia delectorum militum .. cum praefecto socium XXIV 40, 8, der duae turmae Samnitium XXVII 43, 5, während die χίλιοι Polyb. X 15, 9 kaum hieher gehören. Endlich sind aus späterer Zeit wohl als e. aufzufassen die lecti Liv. XXXI 33, 9 (554 = 200 v. Chr.), wenigstens ein Teil der 4000 auserlesenen pedites XXXII 11, 7 (556 = 198), die cohortes delectae XXXIV 14, 7. 20, 5 (559 = 195), die bina milia delectorum XXXVI 17, 1 (563 = 191). Zweifelhafter sind die Stellen, wo expediti erwähnt werden, trotz Liv. XXVII 18, 10 vgl. Polyb. X 39, 1, und ob die sonst genannten auserlesenen Truppenabteilungen, wie Appian. Iber. 52; Lib. 126; Syr. 31, ferner die bei Sallust. Iug. 46. 50. 90. 103 vorkommenden expeditae cohortes für e. zu halten sind, ist sehr fraglich. Fehlt es auch in der späteren Periode an sicheren Spuren, so läßt sich doch auch nicht beweisen, daß sie vor dem J. 664 = 90 v. Chr. beseitigt sind.

Literatur: Franz Fröhlich Die Gardetruppen d. röm. Republik. Programm Aarau 1882 mit Nachtrag 1884. Mommsen Herm. XIV 25ff. Marquardt Röm. St.-V. II² 391. 397ff. 402. Cagnat bei Daremberg-Saglio Dict. II 945f. Madvig Verf. und Verw. d. röm. Staats II 521. Nissen Templum 36ff. Klenze Philol. Abh. 112f.