Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft
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Monat des delphischen Kalenderjahres
Band V,2 (1905) S. 25602561
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Endyspoitropios der zehnte Monat des delphischen Kalenderjahrs, entsprechend dem attischen Munychion (April). Name und Stellung im Jahr stehen jetzt durch zahlreiche inschriftliche Zeugnisse vollkommen fest, nur die Etymo¬logie ist nicht ganz aufgehellt. Boeckhs Annahme, daß ἐνδυσ– eine Abkürzung von ἐνδύσιμος d. h. ἐμβόλιμος sei, fällt mit seiner längst widerlegten Vermutung, der E. sei der Schaltmonat der Delpher. Wenn dagegen A. Schmidt Gr. Chronologie 53 ἐνδὺς Ποιτρόπιος ,der eingegangene (ehemalige) Poitropios‘ übersetzt, so hat einmal ἐνδῦναι diese Bedeutung überhaupt nicht, und dann ist übersehen, daß der (unveränderliche) erste Bestandteil des Kompositums doch unmöglich der Nominativ eines Partizipiums sein kann. Vielmehr hat A. Mommsen unzweifelhaft insofern das Richtige gesehen, als er hier ein Adverbium. ἐνδῦς erkennt, das sich zu ἐνδοῖ ähnlich verhält wie ὖς, ὅπυς zu οἶ, ὅποι. Nur bezieht er dies Adverbium nicht richtig, weil er den Namen Ποιτρόπιος irrig erklärt. Denn da jetzt die Form ποῖ für πρός ganz feststeht, so kann es auch keinem Zweifel mehr unterliegen, daß dieser Monatsname von ποιτρέπεσθαι, ποιτροπά (προστρέπεσθαι, προστροπή) herkommt, und daß man nicht mit Mommsen in der ersten Hälfte das Substantivum .πόσις = Herr (ind. patis), das hier den Poseidon bezeichnen soll, suchen darf. Daß der von der Heimat scheidende Seemann in diesem Monate dem Poseidon Opfer dargebracht habe, die ἐνδυσποιτρόπια geheißen hätten, dagegen macht Mommsen selbst mit Recht das Bedenken gelten, daß die Bedeutung ,daheim, im Vaterlande‘ für ἔνδον nicht belegt sei. Ein anderer Vorschlag Mommsens, ἐνδύσποινα als eine Nebenform von δέσποινα zu nehmen und auf Hera zu beziehen, ist noch bedenklicher. Vielmehr sagt der Name über die Gottheit, aus deren Kultus er stammt, überhaupt nichts aus, sondern der Poitropios ist von einem feierlichen Gebet benannt, [2561] das den sakralen Mittelpunkt eines in ihm gefeierten Festes bildete; daß es gerade ein Poseidonfest war, kann durch die Entsprechung des ionisch-attischen Poseideon gewiß nicht bewiesen werden. Fand nun im E. eine ähnliche Feier statt, aber im Inneren des Apollontempels (oder auch eines anderen Heiligtums), während sie im Poitropios unter freiem Himmel vollzogen wurde, so dürfte sich der zusammengesetzte Name in ungezwungener Weise erklären. S. A. Mommsen Delphika 8. 278. E. Bischoff Leipziger Studien VII 352.