Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft
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Kauf/Verkauf nach Römischem Recht
Band V,2 (1905) S. 25362540
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Emptio venditio ist der übliche Doppelname des Kaufes, vermutlich hergeleitet von dem Naturalkaufe oder Barkaufe, der auf der Stelle ausgeführt wird, bei dem also der Gegenstand durch venditio preisgegeben und gegen Bezahlung sofort hingenommen wird (emptio). Derselbe Name bezeichnet aber auch den Vertrag, bei dem das Geben und das Nehmen nicht sogleich geschieht, sondern zunächst bloß versprochen wird und später ausgeführt werden soll. Hier entsteht die beiderseitige Verpflichtung, sobald Ware und Preis durch Abrede bestimmt worden sind, Gai. III 139. Cic. pro Tullio 17. Isid. orig. V 24, 23. Der Kaufvertrag ist dann nur ein Vorläufer des Eigentumserwerbs durch Übergabe oder durch Ersitzung, Auct. ad Herenn. IV 40. Er kann in Verbindung mit der nachfolgenden Übergabe den Ersitzungstitel pro emptore bilden, Dig. XLI 4.

Die e. v. war der wichtigste Consensualkontrakt (s. Consensus). Er setzte voraus, daß der Preis der Ware in Geld bestand. Sonst lag ein Tausch vor. Diesem fehlte die Vollkraft des Consensualkontraktes, er gehörte daher zu den contractus innominati (s. Contractus und vgl. über das rechtsgeschichtliche Verhältnis von Kauf und Tausch Voigt Röm. Rechtsg. II 921). Gegenstand des Kaufes ist in der Regel eine körperliche Sache, aber auch ein Recht kann als res incorporalis gekauft worden. Es kann sogar jeder Vermögensvorteil, der einen bleibenden und endgültigen Wert hat, als verkaufte Ware in Betracht kommen, z. B. die Bestellung eines dinglichen Rechts an der Sache des Verkäufers, vielleicht sogar die Aufhebung einer dinglichen Last, die auf der Sache des Käufers ruht (Kauf der Befreiung von einer Dienstbarkeit). Dagegen kann eine Dienstleistung nur das Ziel einer locatio oder conductio sein und desgleichen auch die vorübergehende Nutzung einer Sache.

Der alte Barkauf wurde, wenn es sich um eine res mancipi (s. d.) handelt, in der Form der mancipatio vollzogen. Manche der für diese alte Geschäftsform entwickelten Regeln wurden für das spätere Recht des formlosen Kaufvertrags vorbildlich.

Auch bei verkauften res nec mancipi, die durch bloße Tradition veräußert wurden, war ursprünglich die Barzahlung üblich. Damit hängt sicherlich zusammen, daß nach der Vorschrift der zwölf Tafeln (Inst. II 1, 41) das Eigentum der übergebenen Sache auf den Käufer erst dann überging, wenn der Preis gezahlt oder gestundet war (vgl. Jörs in Birkmeyers Encyklopädie 139).

Die Klagbarkeit des Kaufvertrages fällt bereits in die lezten Jahrhunderte der Republik. Sie entstand, seitdem bei dem Austausche der Güter die stipulationes (s. d.), bei denen die Anwesenheit der Parteien erforderlich war, die also weder durch Boten noch durch Briefe abgeschlossen werden konnten, den Verkehrsbedürfnissen nicht mehr genügten.

Der Vertrag erzeugt zwei Klagen, die actio empti des Käufers und die actio venditi des Verkäufers, die zu den iudicia bonae fidei gehörten (s. Bona fides), Dig. XIX 1. Cod. IV 49. Cic. de off. III 70 (nach Voigt Röm. Rechtsgesch. [2537] II 921 sind dies neuere Namen, die an die Stelle der älteren actio ex empto und actio ex vendito getreten sind). Beide Klagen richteten sich auf eine Geschäftserfüllung Zug um Zug, d. h. jeder Teil brauchte erst zu erfüllen, wenn ihm zu gleicher Zeit die Erfüllung von der Gegenseite gewährt wurde. Stellte eine Partei der andern das Ansinnen, im voraus zu leisten, so schützte sie eine exceptio. Dig. XIX 1. 25. Der Verkäufer konnte jedoch nach römischem Recht eine Zahlung auch dann begehren, wenn der Gegenstand von ihm nicht geleistet worden, sondern durch Zufall untergegangen war (periculum est emptoris), Inst. III 23, 3. Dig. XVIII 6, 8. Cod. IV 49, 12, so daß in solchem Falle der Käufer eine Ware bezahlen mußte, die er gar nicht erhielt; Bedenken erweckt Dig. XIX 2 frg. 33 (vgl. namentlich G. Hartmann Jahrb. f. Dogm. XXII 417ff.). Es muß bezweifelt werden, daß der Satz periculum est emptoris auch dann galt, wenn der Verkäufer für den Verlust der Sache von dritter Seite voll entschädigt worden war, z. B. infolge einer von der Obrigkeit anbefohlenen Enteignung (Literatur s. bei Windscheid-Kipp zu II § 390 u. §321 n. 18).

Diese Pflicht des Käufers, die Gefahr zu tragen, war Termingeschäften äußerst günstig, weil der Käufer schon in der Zwischenzeit, in der er mit der Ware nicht mehr Handel treiben konnte, auf den ihm völlig sicheren Preis hin Kredit finden und anderweitige Geschäfte betreiben konnte. Zuweilen erklärt man sie in ansprechender Weise als Überrest einer älteren Auffassung des Kaufvertrags, vgl. z. B. Jörs a. a. O. 133 § 69, 2. S. 133. 144, 2 b α, worin dann mehr die Entstehungsursache, als der Beibehaltungszweck dieser Regel zu sehen sein würde.

Der Käufer konnte die Übergabe der Sache verlangen und, wenn es eine res mancipi war, auch deren mancipatio (a. M. Voigt Röm. Rechtsg. II 922), nach Gai. IV 131 konnte diese sogar vor der Besitzübergabe (der vacuae possessionis traditio) begehrt werden. Hiernach durfte sich der Verkäufer mit der tatsächlichen Hingabe nicht begnügen, sondern mußte alles tun, was nötig war, um sein Eigentum dem Käufer zuzuwenden. Es ist daher nicht genau, wenn behauptet wird, der Verkäufer hafte nach römischem Recht nicht für Übertragung des Eigentums, sondern müsse bloß rem habere licere praestare, d. h. dem Käufer den tatsächlichen Besitz der gekauften Sache gewähren und ihm lediglich dafür einstehen, daß die Sache durch einen dritten nicht entzogen würde (evictio), eine Meinung, die freilich durch den Wortlaut von Dig. XVIII 1, 25, 1 nahegelegt wurde. Gegen diese Auffassung richtet sich die bahnbrechende Schrift von Eck Die Verpflichtung des Verkäufers zur Gewährung des Eigentums nach röm. u. gem. R., Halle 1874 (vgl. die hierauf bezügliche neuere Literatur bei Windscheid-Kipp II § 389 Anm. 8 a, insbesondere auch Jörs a. a. O. 140). Eine in der dargestellten Weise beschränkte Haftung des Verkäufers trifft namentlich im Falle seiner Arglist nicht zu, Dig. XIX 1, 30, 1. Die Römer gingen, wie es scheint, davon aus, daß der Verkäufer sich nur die Überzeugung von seinem Eigentum verschaffen und dann dem Käufer gegenüber [2538] das Veräußerungsgeschäft vorzunehmen habe. War der Verkäufer im Eigentum, so ging dann das Eigentum mit Notwendigkeit über. Irrte er sich aber in dem Glauben an sein Eigentum, so hatte das zunächst keine Folgen. Zum Inhalte des Geschäftes durfte aber ein Vorbehalt des Eigentums nicht gehören; denn ein Vertrag, bei dem der Verkäufer eine Sache versprach, an der er sich das Eigentum vorbehielt, war nach römischem Rechte überhaupt kein Kaufvertrag, Dig. XVIII 1 frg. 80 § 3. Richtig ist dagegen, daß der Käufer, der kein Eigentum erhielt, sich in vielen Fällen entweder endgültig oder wenigstens vorläufig mit einer bloß tatsächlichen Gewährung der Sache zufrieden geben mußte, die ihm das erwünschte Eigentum noch nicht verschaffte, sondern nur ein habere licere, Dig. XVIII 1 frg. 25 § 1; vgl. auch Dig. XII 4, 16, eine Stelle, die auf ein Gegengeschenk ἀντίδωρον zu beziehen sein dürfte, bei dem keine der Parteien gebunden war, ehe nicht beide erfüllt hatten.

Die erwähnte Beschränkung der Haftung des Verkäufers zeigte sich zunächst dann, wenn der Verkäufer eine Sache anbot, deren Eigentümer er nicht war. Hier durfte der Käufer nach römischem Rechte diese Leistung als vertragswidrig nur bei Arglist ohne Preiszahlungspflicht zurückweisen und außerdem nur dann, wenn bereits die Gefahr drohte, daß der wahre Eigentümer ihm die Sache abstreiten werde, namentlich wenn der dritte bereits deshalb gegen ihn einen Rechtsstreit begonnen hatte (exceptio evictionis eminentis frg. Vat. 12). Dig. XVIII 6 frg. 19 (18) § 1 interpoliert nach Cod. VIII 44, 24. Auch in diesem Falle mußte der Käufer den Preis zahlen, wenn der Verkäufer ihm zulängliche Bürgen dafür stellte, daß die Eviction nicht erfolgen werde. War jedoch eine solche Eviction nicht zu befürchten, hatte sich z. B. der wahre Eigentümer verpflichtet, der Veräußerung an den Käufer zuzustimmen, so konnte dieser die Leistung des Preises nicht ablehnen, obwohl das ihm zu gewährende Recht fehlte. Wenn die Sache bereits übergeben war und es sich nunmehr herausstellte, daß sie einem dritten gehörte, so genügte ebenfalls dieser Umstand nach römischem Rechte für sich allein nicht, um dem Käufer eine Klage auf Schadenersatz wegen fehlenden Eigentums zu geben. Der Käufer mußte vielmehr zunächst abwarten, ob der wahre Eigentümer ihm die Sache abstreiten werde, Dig. XXI 2, 56, 1. Geschah dies, so war der Verkäufer verpflichtet, ihn vor Gericht zu verteidigen, Dig. XXI 2, 56, 5 u. 6. Bis dahin verblieb dem Verkäufer die Gelegenheit, den dritten Eigentümer abzufinden und den Mangel seiner Leistung durch dessen Zustimmung zu dem Geschäfte nachträglich zu beseitigen. Es kommt hierbei in Betracht, daß nach römischem Rechte der Käufer durch die erst später erlangte Kenntnis vom Eigentum des dritten nicht verhindert war, die anfänglich im guten Glauben erworbene Sache weiter zu ersitzen, was heutzutage nicht mehr gilt (vgl. Fragm. Vat. 12).

Hieraus erklärt sich, daß im römischen Recht sich nur die Haftung des Verkäufers für Eviction entwickelt hat, während nachrömische Rechte diese Haftung bis zum Schadenersatze für nichtgewährtes Eigentum erweitert haben.

War endlich die Sache wirklich durch einen [2539] dritten abgestritten, so hatte der Käufer einen Regreß gegen den Verkäufer. Bei der mancipatio war ihm deshalb eine actio auctoritatis auf das Doppelte gewährt (Paul. II 17, 1 spricht nur von Eviction wegen des dem Verkäufer fehlenden Eigentums, was namentlich von Jörs a. a. O. 140, 1 betont wird, doch redet Paul. II 17, 3 allgemeiner). Bei formlosen Kaufverträgen half dem Käufer eine duplae stipulatio, die zu den üblichen Nebenstipulationen des Kaufvertrags gehörte, wie sie bei Varro de r. r. II 2ff. erwähnt sind. In ihr sagte der Veräußerer für den Evictionsfall dem Käufer das Doppelte zu, Dig. XXI 2 de evictionibus et duplae stipulationibus. Aber auch ohne ein derartiges Nebenversprechen konnte der Verkäufer im Evictionsfalle mit der actio empti das Interesse verlangen, Dig. XXI 2, 8, 60. 67.

Neben dieser Evictionshaftung mußte der Käufer für die Abwesenheit heimlicher Mängel des Kaufgegenstandes einstehen. Bei mancipationes entschied die das Geschäft begleitende nuncupatio (vgl. Jörs a. a. O. 102, 5 b. 140, 4 a, bb); doch auch sonst haftete der Verkäufer für alle dicta promissa (zugesicherte Eigenschaften) und die in arglistiger Weise verschwiegenen Mängel. Einen weitgehenden Schutz gewährte ein Edict der Aedilen, das schlechtweg aedilicium edictum heißt. Dig. XXI 1. Cod. IV 58. Cic. de off. III 71. Hor. sat. II 3, 285ff. Gell. IV 2. Als Hüter der Marktpolizei beförderten diese Magistrate ähnliche Geschäftsgebräuche, wie sie in der Solonischen Gesetzgebung als ἀψευδεῖν κατ’ ἀγογάν anerkannt worden waren (Schulin Gesch. des röm. Rechts, Stuttg. 1889, 378 § 80). Zunächst wurde dem Verkäufer von Sklaven und Zugvieh eine Auskunftspflicht auferlegt, dem Verkäufer des Sklaven sogar eine Sicherheitsleistungspflicht bei dem Hervortreten von Mängeln und bei der Verletzung der Auskunftspflicht. Dig. 4 XXI 1, 1, 1. 38 pr. Aus diesem Edicte ließ aber die Jurisprudenz die Verkäufer ohne weiteres haften und zwar ohne Unterschied der Kaufgegenstände, Dig. XXI 1, 1 pr. 38 § 5. Jeder heimliche Mangel einer gewöhnlich vorausgesetzten Eigenschaft machte hiernach den Verkäufer auch ohne besonderes Versprechen haftbar. Der enttäuschte Käufer hatte die Wahl, das Geschäft aufzuheben (actio redhibitoria, Wandlungsklage) oder eine verhältnismäßige Preisminderung zu begehren (actio quanti minoris, Minderungsklage). Ausgeschlossen war die redhibitio bei den venditiones simplariae (Bruns Syrisches Rechtsbuch 207ff.). Für die Freiheit von Servituten stand der Verkäufer nur dann ein, wenn er das Grundstück mit der Formel uti optimus maximus est (d. h. etwa als ‚Grundstück erster Klasse‘) veräußert hatte, Dig. L 16 frg. 90. 169.

Eine besondere Rechtshilfe gaben Diocletianus und Maximianus dem Verkäufer, der die Sache unter dem halben Werte veräußert hatte (sog. laesio enormis), Cod. de rescind. vend. IV 44, 2. Der Käufer mußte sie dann zurückzahlen, sofern er nicht nachzahlte, was zum vollen Wert fehlt. Es ist dies eine schon nach römischem Rechte angreifbare Form des sog. Sachwuchers.

Literatur. In erster Linie steht Bechmann Der Kauf nach gemeinem Rechte, 1876. 1884.

[2540] Andere Schriften s. bei Windscheid-Kipp Pandekten II8 § 385; auch Rabel Die Haltung des Verkäufers wegen Rechtsmangels I 1902, 1—163. Girard Manuel élémentaire de droit Romain³, Paris 1901, 530-563. Karlowa Röm. Rechtsgesch. II 21. 209. 6l3ff. Voigt Röm. Rechtsgesch. I 642ff. II 920ff, Pernice M. Antistius Labeo I 454ff. II¹ 318ff. Über das aedilicische Edict vgl. namentlich Lenel Edictum perpetuum 435ff., der elf Stücke des Edicts unterscheidet. Kaufurkunden finden sich bei Bruns Fontes6 287ff. 322ff., vgl. auch Puchta-Krüger Institution.10 357ff. § 275. Sohm Institut.11 392ff. v.Czyhlarz Institutionen 191ff § 86. R. Leonhard Institut. 421ff.