Egerius. 1) Der aus Korinth nach Tarquinii ausgewanderte Demaratos (Suppl.-Bd. I S. 340) hatte zwei Söhne, Aruns und Lucumo; erst nachdem kurz hintereinander Aruns und sein Vater gestorben waren, gebar die Gattin des Aruns einen Sohn; das ganze Vermögen war inzwischen dem Lucumo zugefallen, und darum erhielt dessen Neffe von seiner Armut (egere) den Namen E. Als später Lucumo unter dem Namen L. Tarquinius Priscus römischer König geworden war, verlieh er seinem Neffen E. die Herrschaft über die eroberte latinische Stadt Collatia; E. nahm davon
[1982]
den Beinamen Collatinus an und vererbte diesen, sowie die Herrschaft seinem Sohne, dem L. Tarquinius Collatinus, dem Gemahl der Lucretia. So erzählen übereinstimmend Liv. I 34, 2f. 38, 1. 57, 6 und Dionys. III 50, 3. IV 64, 3. An der ersten Stelle gibt Dionys als vollen Namen des E. Aruns Tarquinius Egerius, an der zweiten beruft er sich für die ganze Version auf Fabius Pictor (frg. 14 Peter), beweist aber diesem, daß Tarquinius Collatinus ebensowenig der Sohn des E. sein könne, wie Tarquinius Superbus der des Tarquinius Priscus, sondern der Enkel sein müsse, was für Tarquinius Superbus schon Piso angenommen hatte. Fabius Pictor hat hier wohl unbekümmert um die chronologische Schwierigkeit eine juristische Kontroverse in die Sagengeschichte hineinverwoben, nämlich ob der nachgeborene Sohn, dessen Geburt bei der Testamentsaufstellung nicht vorhergesehen worden ist (vgl. darüber z. B. Cic. de or. I 241), erbberechtigt ist. In der juristischen Literatur ist die Sache nicht berücksichtigt, obgleich offenbar römische Rechtsbegriffe hier antizipiert sind.