Disciplina arcani, ein seit dem 17. Jhdt. gebräuchlicher Terminus technicus für die in der alten Kirche nachweisbare Sitte, gewisse Bestandteile der Religion als secret zu behandeln. Bei Iustinus Martyr und den etwas jüngeren Apologeten ist von dieser Tendenz noch nichts zu spüren, Tertullian um 200 verkündet: Omnibus mysteriis silentii fides adhibetur (apolog. 7). Vom 6. Jhdt. an, als die ganze Culturwelt christlich geworden war, schwindet wieder mit dem Bedürfnis langsam die Übung. Vor Ungläubigen und vor Katechumenen (noch nicht getauften Gläubigen) wurden besonders heilige Dinge, wie die Riten der Taufe, Abendmahl, Ölung, der Wortlaut des Taufbekenntnisses und Dogmen wie das von der Trinität und der Erlösung geheim gehalten, teils um Profanation zu vermeiden, teils um mit pädagogischem Tact die Einführung in das Christentum auf mehrere Stufen zu verteilen, das Tiefste und Schwerste den durch längere Vorbereitung Gereiften vorzubehalten. Der Einfluss von Bräuchen,
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die im antiken Mysterienwesen ganz verbreitet waren, liegt hier auf der Hand; die gnostische Stimmung auch kirchlicher Kreise, die die Pneumatiker von den Psychikern unterschieden wissen wollten, und die Herrschaft der allegorisierenden Exegese, die hinter dem Buchstaben durchweg tieferen Sinn fand und mit dem Begriff des ökonomisch Gemeinten und Gehandelten bis zu einem Cultus der Lüge arbeitete, haben die Vorliebe für dies dem ursprünglichen Christentum recht fremde Verfahren steigern müssen.
Die Pflicht solcher Geheimhaltung erstreckte sich natürlich auch auf die Verfasser von Büchern, die etwa in ungeweihte Hände gelangen konnten; bestimmte Regeln indessen über das, was mündlich oder schriftlich nur vor Geweihten verhandelt werden dürfe, hat es nie gegeben. Es ist vielfach im confessionellen Interesse über die Ausdehnung der D. a. gröblich Übertriebenes behauptet worden; Lehr- und Rechtssätze späteren Ursprungs wurden mit ihrer Hülfe als zu jeder Zeit gültig behauptet, in Wirklichkeit wird unser Wissen um die alte Kirche durch den Betrieb der Arcandisciplin nur wenig geschädigt; was die Autoren sich scheuen, offen zu sagen, das deuten sie so an, dass der Kundige weiss, worauf sie zielen; die Geschichte des Trinitätsdogmas z. B. würde uns schwerlich klarer sein, wenn es nie als μυστήριον gegolten hätte. Vgl. R. Rothe De discipl. arc. origine 1841. N. Bonwetsch Ztschr. f. histor. Theol. 1873, 203–99: Wesen, Entstehung und Fortgang d. Arcandisciplin. Vgl. Art. Mysterien.