Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft
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Münze
Band V,1 (1903) S. 433436
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Didrachmon (δίδραχμον), nach Poll. IX 60f. eine Münze im Betrage von δύο δραχμαί, synonym mit στατήρ (s. d.). 1. Da in einigen Fällen sogenannte leichte und schwere Schekel neben einander hergingen (vgl. Drachme § 1), so konnte das D. nicht blos als der Stater zu seiner Hälfte, der Drachme, sondern auch als Hälfte eines schweren Staters angesehen werden. Das euboisch-attische Tetradrachmon war ursprünglich ein schwerer Stater, und das D. derselben Währung [434] ein leichter Stater. Im Gebiete der phönicischen Währung galt das Tetradrachmon im Normalgewichte von 14,55 g. bald als Stater, mithin die Hälfte als schwere Drachme, bald wurde die Hälfte als leichter Stater angesehen und eine leichte Drachme von 3,64 g. ihr zugeordnet. So ist eine rhodische Drachme sowohl als schweres, wie als leichtes Gewicht bezeugt (s. Drachme § 9); so gilt auch der schwere mosaische Schekel bei den Septuaginta als δίδραχμον, während dieselbe Benennung später auf den leichten Schekel überging (u. § 4). Selbst die aeginaeische Drachme ist, weil sie merklich schwerer als die attische war, in einer Glosse bei Hesych. s. nayeta als D. bezeichnet worden. Hultsch Metrol. 2 192, 2. 470. 562f. 604f.; Abh. Gesellsch. d. Wiss. Leipzig, philol.-hist. Cl. XVIII 2 (1898), 40. 43. 44, 1. 65f.

2. Nach Aristot. Ἀθην. πολιτ. 10 war in Athen ὁ ἀρχαῖος χαρακτὴρ δίδραχμον, womit wahrscheinlich der vor Solon in Athen umlaufende aeginaeische Stater gemeint ist. Eine andere Tradition, als deren frühester Gewährsmann Philocho-ros erscheint, fügt hinzu, dass das Gepräge der ältesten athenischen D. ein Rind gewesen sei. Schol. Aristoph. av. 1106. Poll. 1X60. Hesych. s. βοῦς ἐπὶ γλώσσῃ und ἐννεάβοιον. Suid. s. βοῦς ἐπὶ γλώττης. Etym. M. s. ἑκατόμβη. Gilbert Jahrb. f. Philol. 1896, 539ff. Diese Überlieferung ist, anlangend das Gepräge, irrtümlich; denn schon die ältesten athenischen Silber- und Elektronmünzen, mögen sie nun in der Stadt selbst oder auf Euboia geprägt worden sein, zeigen auf der Vorderseite eine Eule, auf der Rückseite ein eingeschlagenes Quadrat. Daran reihen sich dann, etwa vom J. 594 an, silberne Tetradrachmen Athens, die auf der Vorderseite das behelmte Haupt der Stadtgöttin und auf der Rückseite eine Eule mit Olivenzweig zeigen. Das D. kommt in dieser ältesten, etwa bis zum J. 527 reichenden Münzperiode noch nicht vor; zuerst hat man es gegen Anfang des 5. Jhdts. geschlagen. Hultsch Metrol. 199f. 207. 218,2. Head HN 310. 312; Catalogue of Greek Coins, Attica XIIff. XVIIIf. XXV lf. 8. Erhalten ist auch ein D., dessen Gepräge nach der künstlerischen Vollendung des Stils auf die Epoche des Perikles hinweist, Meletopulos Κατάλογος ἀρχαίων νομισμάτων 84. In den auf das J. 430 folgenden Münzperioden kommen keine D. mehr vor.

Auch goldene D. sind in Athen ausgeprägt worden; doch haftete an dieser Münze der von alters her überkommene Name στατήρ, zumeist mit den Zusätzen χρυσοῦς oder χρυσίου oder χρυσοῦ, Metrol. 224. 'Nach Head Catal. a. a. O. XXVIII hat die athenische Goldprägung nicht früher als 407 v. Chr., wahrscheinlich im J. 393, stattgefunden.

Das Gepräge des silbernen wie des goldenen D. zeigt auf der Vorderseite den behelmten Kopf der Athena rechts hin, auf der Rückseite die Eule mit Olivenzweig, wozu als Beizeichen beim Goldstater noch eine Mondsichel oder ein liegender Korb (Kalathos) kommt. Head a. a. O. 8. 13 pl. IV 4. V 1. 2. Meletopulos a. a. O. 84 Taf. II 21. Friedländer und Sallet Königl. Münzcabinet 78 nr. 169. 170.

Das Normalgewicht des attischen D. betrug [435] 8,73 g.; die Silbermünze hatte einen Wert von 1,57 Mark, der Goldstater, zum zwölffachen Werte des Silbers gerechnet, galt etwa so viel als 19 Mark, Metrol. 210. 235. 240.

3. Dem attischen D. war der korinthische Silberstater an Gewicht und Wert gleich. In Sicilien, wo mit Ausnahme der nordöstlichen Küste die attische Währung herrschte, war das Grossstück in Silber in einigen Städten das Tetradrachmon, in anderen das D. (Metrol. 203. 209, 3 g. E. 659ff.). Um das sicilische Litrensystem zu erklären, gleicht Aristot. bei Poll. IV 174f. IX 80f. zehn Litren mit einem korinthischen Stater, wobei er die letztere Benennung deshalb wählt, weil es zu seiner Zeit in der Münze Athens keine Didrachmen gab (o. § 2 a. E.; Metrol. 660f.).

Wie in Athen, so ist auch im makedonischen Reiche seit Alexander, der die Silberprägung nach attischem Fusse einführte, das D. eine seltene Münze geblieben (Metrol. 244, 4). Etwa seit der Mitte des 4. Jhdts., als aus der athenischen Münze das Silbergeld nicht mehr so reichlich wie früher hervorging, und um so mehr seit dem J. 322, wo die Silberprägung ganz aufhörte, wurden an verschiedenen Stätten Asiens und Ägyptens Nachahmungen athenischer Münzen geschlagen. Unter ihnen hat auch ein silbernes D. sich erhalten, Head Catalogue of the Greek Coins, Attica XXXIf. 26.

4. Bei den Hebräern war der sog. mosaische oder heilige Schekel ein schwerer Stater phönicischer Währung im Normalgewicht von 14,55 g. Seine Hälfte, der Betrag der jährlichen Tempelsteuer, wurde von den alexandrinischen Übersetzern der heiligen Schrift als δραχμή aufgefasst (oben § 1) und demnach der ganze Schekel, der in 20 gerâh zerfiel, als ein D. zu 20 Obolen bezeichnet. Septuag. gen. 20, 16. 23, 15f.; exod. 21, 32. 30, 13. 15; levit. 27, 3. 16. 25; num. 3, 47 vgl. mit 18, 16; Jos. 7, 21. Epiphan. περὶ μέτρων καὶ σταθμῶν Metrol. script. I 266, 6. 269, 6f. Hes. s. δραχμή. Suid. s. δίδραχμον. Hultsch Metrol. 458. 460. 602f.

Zu den Zeiten Jesu und später galt als δραχμή ein Münzwert, der dem römischen Denar nahestand, und so ging der Name D. auf die Hälfte des mosaischen Schekels über. Matth. 17, 24. Jos. ant. Ιud. XVIII 312. Hultsch Metrol. 460. 604f. Wilcken Griechische Ostraka I 247, 1. In verschiedenen Auszügen und Überarbeitungen, die teils auf Mass- und Gewichtsbestimmungen der Ärzte Galenos und Dioskorides zurückgehen, teils an die im J. 392 verfasste Schrift des Bischofs Epiphanios περὶ μέτρων καὶ σταθμῶν anknüpfen, wird der heilige Schekel zu 4 neronischen Denaren (s. Denarius § 10f.) und seine Hälfte, das D., zu 2 Denaren bestimmt, Metrol. script. I 253, 9. 268, 1. 4. 276, 6. Suid. s. δίδραχμον.

5. In der ptolemaeischen Münze kommen D. sowohl in Gold und Silber als in Kupfer vor. Normal stand das D. nach dem in Ägypten von alters her einheimischen phönicischen Fusse auf 7,28 g.: das thatsächliche Münzgewicht reicht nahe bis 7,14 g., ist aber im Fortgange der Prägung allmählich bis unter 7 g. gesunken. Die D. in Gold oder Silber sind selten; die Stücke in Kupfer sind während der ganzen Dauer der [436] Dynastie geschlagen worden. Die Gewichte der Kupfer-D. stehen zwischen 8,5 und 6,8 g.; es ist also, wie auch anderwärts, das im Vergleich zu Gold und Silber geringwertige Metall nicht streng nach der Norm und zum Teil mit Übergewicht ausgebracht worden. Mommsen Gesch. des röm. Münzw. 40f. (Traduct. Blacas I 52f.). Hultsch Metrol. 645f.; Abb. Gesellsch. d. Wiss., philol.-hist. Cl. XVIII 2, 44. 197f. Poole Catalogue of Greek Coins, Ptolemies XCff. 11. 39. 60. 86. 99f. 102f. 111.

Über das ägyptische D. im 3. Jhdt. n. Chr. und über die an den Gott Suchos zu leistende διδραχμία vgl. Mommsen Archiv f. Papyrusforschung 1900, 281. Wilcken Griech. Ostraka I 360.

6. Nach griechischem Brauche wird von den Neueren auch der leichte Stater der karthagischen Prägung als D. bezeichnet. Vorausgesetzt ist dabei eine Drachme im Normalgewichte von 3,93 g. Diese führt auf einen Stater oder D. von 7,86 g., der sich zum leichten babylonischen Silberstater wie 18 : 25, zum leichten phönicischen Stater wie 27 : 25 verhielt. In der karthagisch-hispanischen Prägung ist dieses D. nicht blos in Gold und Silber, sondern auch in Potin ausgebracht worden, Hultsch Metrol. 424f. 427; Abh. a. a. O. 143ff.

7. Als attische D. sind durch die Aufschriften oder oder mehrere aus Athen stammende Gewichtstücke bezeichnet, die zwischen 8,89 und 7,71 g. stehend annähernd dem Normalgewichte von 8,73 g. entsprechen, Pernice Griech. Gewichte nr. 523–537. Stücke einer jüngeren Reihe, die die Aufschrift tragen und als Höchstgewicht 7,7 g. aufweisen, sind ebd. nr. 590–592 verzeichnet. Auch das aus dem Piraeus stammende Gewichtsstück nr. 675, das, obgleich an den Rändern stark beschädigt, noch 6,69 g. wiegt, scheint der attischen Norm zu folgen.

Als Gewicht von 2 neronischen Denaren (s. Denarius § 11) = ¼ Unze = 6 Scripula = 6,82 g. wird das D. in einer zur galenischen Sammlung gehörigen Übersicht περὶ μέτρων καὶ σταθμῶν und häufig in den Auszügen aus Epiphanios angeführt. Metrol. script. I 107. 232, 13f. 265, 13. 266, 7. 268, 1 vgl. mit 9. 269, 6f. 274, 25. 304, 8f. Hes. und Suid. s. δίδραχμον. Da 4 neronische Denare dasselbe Gewicht wie 3 constantinische Solidi darstellten, so wird in der ἐξήγησις περὶ σταθμῶν καὶ μέτρων, die ἐκ τῶν Κλεοπάτρας geschöpft sein soll, das D. zu 1½ Solidus = 36 Siliquae bestimmt und ihm ein διπλοῦν δ. zu 3 Solidi zur Seite gestellt, Metrol. script. I 255, 14–16.