Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft
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Sammlung moralischer Sentenzen
Band V,1 (1903) S. 358 (IA)–370 (IA)
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Dicta Catonis, Sammlung moralischer Sentenzen in je zwei Hexametern, die wir, wie Spruchsammlungen gewöhnlich, in mehreren im Bestande stark von einander abweichenden Fassungen kennen.

I. Der Grundstock muss bereits gegen 200 n. Chr. vorgelegen haben: das Distichon II 3 wird citiert CIL VI 11252 = Buecheler Anthol. epigr. 1567 v. 5f. (vgl. Hosius Rh. Mus. L 300. Buecheler a. O. p. 858), und eine Anzahl Stellen ist von Commodian im Apologeticum benutzt worden, das vielleicht auch in seiner distichischen Composition dem Cato nachgeahmt ist (Manitius Rh. Mus. XLVI 151). Die nächste Spur von [359] Lectüre des Gedichts findet sich gegen Ende des 4. Jhdts. in einem Briefe des comes archiatrorum Vindicianus an den Kaiser Valentinian (dist. II 22, 2; der Brief ist abgedruckt in Helmreichs Marcellus p. 24, 14). Seit dem 6. Jhdt. etwa gehört der Cato zu den gelesensten Büchern, ja ‚während des Mittelalters hat kein Werk eine entfernt so weite Verbreitung gefunden. Die Distichen waren das Factotum beim Unterrichte der Jugend, die aus ihnen die Anfangsgründe der Grammatik, Poesie und Moral kennen lernte, sie blieben meistens ein Lieblingsbuch auch noch der Erwachsenen‘ (Zarncke 1). Von der Beliebtheit im früheren Mittelalter legt, ausser nicht wenigen Citaten (Manitius Philol. LI 164), insbesondere die Thatsache beredtes Zeugnis ab, dass die in einer Reihe von Handschriften des 9.–11. Jhdts. vorliegenden Praecepta vivendi per singulos versus quae monastica (d. h. monasticha) dicuntur (so der Titel namentlich in der ältesten Baseler Hs.) viele einzelne Hexameter aus dem Cato enthalten. Der Verfasser der Monastica hat sich leider noch nicht mit völliger Sicherheit ermitteln lassen. Dümmler, dem wir eine vortreffliche Ausgabe der Monastica verdanken (Poet. aevi Carol. I 275ff.), schreibt auf Grund eines Zeugnisses des Servatus Lupus, der im 20. Brief den 90. Vers der Monastica aus den versibus moralibus quos Alcuinus dicitur edidisse citiert, sowie auf Grund mannigfacher Anklänge an die Monastica in andern Schriften Alcuins diesem die Autorschaft zu (S. 164f.). Man könnte zur Stütze dieser Ansicht darauf hinweisen, dass Alcuin zweifellos den Cato gekannt hat (s. unten S. 360); auch der Protest Karls d. Gr. gegen die nicaenische Synode (die sog. Libri Carolini; ed. Heumann Hannover 1731), in dem Cato (II 31) citiert wird (S. 391 Heum.), stammt ja nach vieler Gelehrten Meinung von Alcuin (s. Hauck Kirchengeschichte Deutschlands II 283f., der freilich selbst anderer Meinung ist). Aber es fehlt nicht an ernsten Bedenken gegen Dümmlers Ansicht. Insbesondere kommt in Betracht, dass die Handschriften der Monastica, soweit sie überhaupt einen Verfasser angeben, nicht Alcuin, sondern Columban nennen, und auch dieser weist in seinen zweifellos echten Schriften schlagende Ähnlichkeiten mit den Monastica auf (Gundlach N. Arch. f. ält. d. Gesch. XV 517 Anm.). Noch anderes macht Peiper in seiner Ausgabe des Alcimus Avitus p. LXXf. zu Gunsten des Columban geltend und glaubt das anscheinend entgegenstehende Zeugnis des Lupus teils als Schreibfehler unserer Handschriften, teils als Irrtum des Lupus erklären zu können. Sonach sind wir zwar nicht in der Lage, auch nur das Jahrhundert völlig bestimmt anzugeben, dem dies Document gründlicher Bekanntschaft mit den catonischen Distichen entstammt, aber seine Wichtigkeit für die Beurteilung des ehemaligen und jetzigen Bestandes unserer Sammlung wird dadurch nicht geringer (s. u. und vgl. im allgemeinen Manitius Gesch. d. christl.-lat. Poesie 392). Für die Beliebtheit der Disticha spricht sodann seit dem 9. Jhdt. die grosse Zahl teils erhaltener, teils in Bibliothekskatalogen (zuerst 821 Reichenau, Becker Catalogi biblioth. antiqui 307) erwähnter Handschriften; unter den ersteren ist die [360] älteste und wichtigste der Veronensis aus dem Beginn des 9. Jhdts., es folgen Handschriften aus Madrid, Zürich, Montpellier, Leyden, alle noch demselben Jahrhundert angehörig, Handschriften aus Mailand und Paris, die dem 10. Jhdt angehören (Bährens PLM III 205ff.).

Wie der Cato in den genannten Handschriften mit Ausnahme der Veroneser vorliegt (von geringen Einzelabweichungen abgesehen), umfasst er vier Bücher. Dem ersten geht eine Vorrede in Prosa voraus, in der der Verfasser den filius carissimus anspricht, sowie eine Anzahl knapp gefasster Ratschläge in Prosa, die zum Teil paarweise zusammengehören (so gleich am Anfang: deo supplica – parentes ama oder 26f.: libros lege – quae legeris memento; mehr bei Bischoff 51 u. a.); hierauf folgen 40 Distichen. Das zweite, dritte und vierte Buch (31, 24, 49 Distichen) sind von hexametrischen Prologen (10, 4 und 4 Verse) eingeleitet. Auf dieser Gestalt der Sammlung beruhen die zahlreichen mittelalterlichen Übersetzungen des Cato in einen grossen Teil der lebenden Cultursprachen (s. u. Abschnitt X), auf ihr auch mehrere Umarbeitungen, die die Sprache des Originals gewahrt haben, aber im Metrischen abweichen (s. Abschnitt XI).

II. Von der Fassung der übrigen Handschriften entfernt sich erheblich der zuerst von Κ. Schenkl (Ztschr. f. österr. Gymn. 1873, 485ff.; vgl. Cipolla Rivista di filol. VIII 517ff.) herangezogene und in Abschrift veröffentlichte Veronensis. Er bietet einerseits vieles nicht, was in der vulgaten Sammlung vorhanden ist, und den Rest in gestörter Reihenfolge: die Unursprünglichkeit seiner Anordnung wird dadurch bewiesen, dass z. B. auf die Überschrift Exp. lib. sec. inc. lib. terti. die Vorrede des vierten Buchs (haec praecepta tibi semper relegenda memento u. s. w.) und zwar nicht unmittelbar, sondern inmitten einer Reihe von Distichen und einzelnen Hexametern aus dem zweiten, vierten und dritten Buch folgt, die dann mit der Subscriptio abgeschlossen wird Expl. lib. III inc. lib. IIII. Andererseits enthält der Veronensis fünf Distichen und drei einzelne Hexameter, die in der gesamten übrigen Überlieferung fehlen (nur Scriverius, der den Cato Amsterdam 1646 herausgab, kannte eins der fünf Distichen aus einer anderen, jetzt verschollenen Handschrift; über den dritten einzelnen Hexameter, der bei Schenkl und in Bährens Text fehlt, s. Cipolla 529. Bährens 307). Auch die Züricher Handschrift, die im übrigen mit der Vulgata geht, enthält zwei Distichen mehr als diese, die auch im Veronensis fehlen (was ein Cambridger Codex s. X, den Schenkl Wiener Studien V 166 verglichen hat, von jüngerer Hand am Rande notiert bietet, wird man aber kaum als echtes altes Gut ansehen).

Aber nicht nur aus dem Veronensis und Turicensis lässt sich erkennen, dass die Vulgata nur eine verkürzte Fassung der ursprünglichen Spruchsammlung bietet, sondern auch die Monastica müssen eine vollständigere Vorlage gehabt haben. Denn sie enthalten nicht nur Catoverse, die der Veronensis allein hat (5, 1 Βährens = Monast. 107, citiert auch von Alcuin p. 242 v. 23 Dümmler; 9, 2 = Monast. 36), sondern es lässt sich auch ein gut Teil ihrer bisher in keiner Recension des [361] Cato nachgewiesenen Verse auf Grund ihrer ganzen Art (Wortgebrauch und Inhalt) als catonisch ansprechen, mit besonderer Wahrscheinlichkeit da, wo sich zwei einzelne Hexameter zu einem Distichon zusammenfügen lassen, was öfters mit Leichtigkeit gelingt (Beispiele bei Bischoff 15). Ein ähnliches Verhältnis aber waltet endlich auch ob zwischen dem Cato und einer anderen Sammlung Monosticha, die sich unter verschiedenem Titel (versus magistri monendo discipulos, sententiae generales in singulis versibus, proverbia philosophorum, proverbia Catonis, auch versus Platonis translati de graeco) in Handschriften des 9.–12. Jhdts. (Cambridge Vatican Paris Vorau Tours, Bährens p. 212f. und über den Cantabrigensis aus dem Ende des 9. Jhdts. H. Schenkl S.-Ber. Akad. Wien CXLIII 1901, 80) erhalten hat: Monost. v. 53–55 (die freilich nicht in allen Hs. stehen) finden sich auch im Turicensis des Cato, andere Monosticha in den Monastica wieder, und auch hier fügen sich nicht nur solche Verspaare, die in der Überlieferung auf einander folgen, zu Distichen zusammen, sondern auch weit von einander abstehende (Bischoff 13).

Wenn hiernach nicht bezweifelt werden kann, dass die Vulgata nur ein Ausschnitt aus dem ursprünglichen Werke ist, so wünschte man zu wissen, welche Gesichtspunkte ihren Urheber bei seiner Verkürzung geleitet haben. Christliche Anschauungen haben gewiss bei der Bearbeitung eine Rolle gespielt: es ist nicht nur ein Distichon von so zweifelhafter Moral wie Veron. 4 (dissimula laesus si non datur ultio praesens: qui celare potest alium, pote laedere quem vult) getilgt, sondern aus dem Vers II 2, 1, den der Turicensis in dieser Fassung giebt: an di sint caelumque regant, ne quaere doceri, hat der Urheber der Vulgata die Vielgötterei durch gewaltsame Umdichtung entfernt: mitte arcana dei caelumque inquirere quid sit. Freilich kann der christliche Sinn nicht allein für ihn bestimmend gewesen sein. Denn einmal ist doch auch manches, was in die Vulgata übergegangen ist, noch heidnisch genug (wie I 26 qui simulat verbis nec corde est fidus amicus, tu quoque fac simules, sic ars deluditur arte), und andererseits vertrug sich vieles von dem Ausgeschiedenen vollkommen mit christlicher Moral, wie am einfachsten seine Aufnahme in die Monastica zeigt.

III. Als Gegenstück zu dem Nachweis, dass die Vulgata unvollständig ist, erhebt sich die Frage, ob alle Teile der Vulgata echt und alt sind. Sie wird allermeist verneint und zwar mit einer Energie, die zu der Güte der Gründe in einem umgekehrten Verhältnis steht. Das Verdammungsurteil richtet sich insbesondere gegen die poetischen Vorreden der Bücher II–IV. Die Gründe, zuerst von Boxhorn (in Arntzens Ausgabe p. 405), dann eindringlicher von Cannegieter entwickelt (hinter dieser Ausgabe p. 11f. 129ff.), haben sich wie eine Krankheit bis auf Bischoff 63f. und Schanz Röm. Litt.-Gesch. III 33 fortgeerbt. Cannegieter spottet über die Unbeholfenheit im Ausdruck; sie ist nicht grösser als die der Distichen selbst. Er findet es thöricht, dass der Verfasser seiner zweiten Vorrede den Inhalt giebt: wer Landbau lernen will, soll Vergil lesen, wer Kräfte der Kräuter, [362] den Macer, wer die Liebe, den Ovid, wer aber weise werden will, diese Distichen; namentlich dürfe in der Vorrede eines so moralischen Gedichts der Leser nicht auf Ovid hingewiesen werden. Man hat dies Urteil Cannegieters ‚witzig‘ gefunden, das mag es sein; um es aber richtig zu finden, müsste man sich schon jeglichen eigenen Denkens entschlagen haben. Um der Thätigkeit künftiger Leser des Cato in dieser Richtung nicht vorzugreifen, verzichte ich auf jedes Wort der Widerlegung. Das einzige, was man wirklich an der Vorrede tadeln kann, ist, dass der Verfasser den Leser für die punischen Kriege auf Lucan verweist. Die Unmöglichkeit eines solchen Lapsus für den Cato ist leicht behauptet, aber nicht zu beweisen; es scheint ihm eine Verwechslung mit Silius untergelaufen zu sein. Der Ausfall von Vers 7–10 im Veronensis endlich ist natürlich nicht durch Unechtheit veranlasst, sondern durch das Homoioteleuton legendo. Über dieser tiefgründigen Argumentation haben leider die Vitilitigatoren versäumt, sich die unbedingt für die Echtheit beweisenden Übereinstimmungen zwischen der Sprache der Vorreden und des echten Cato anzusehen. Ich stelle hier einiges zusammen, ohne erschöpfen zu wollen. Praef. II 1 si forte ~ IV 13; 2 mage II 6. IV 42; 4 si .. cupis .. noscere ~ IV 17 si .. servare cupis; 7 petito ~ IV 13, wie überhaupt der Cato gern im Imperativ auf -to redet, vgl. legito 2; 6, 8, 10 discere ein Lieblingswort Catos und auch gerade im Infinitiv und Imperativ. Auch in den Vorreden zu Buch III und IV fehlt es trotz ihrer Kürze nicht an bemerkenswerten Übereinstimmungen mit der zu II (deren Echtheit ja jetzt wohl feststeht) und mit den Distichen selbst. Praef. III 1 quicumque praef. IV 1, Lieblingswort des Cato, z. Β. IV 18 an derselben Versstelle; ebd. cognoscere an derselben Versstelle und in ähnlichem Zusammenhange praef. II 1; 3 sin autem an derselben Versstelle praef. II 7. Praef. IV 1 quicumque s. o.; 3 memento Lieblingswort des Cato, immer wie hier als Hexameterschluss (zwanzigmal!).

Auch an der Echtheit der prosaischen Vorrede zum Ganzen, sowie an der der kurzen prosaischen Sentenzen ist gezweifelt worden. Ob mit Recht, kann sich erst bei Lösung der Autorfrage, über die wir in Abschnitt IV sprechen, herausstellen. Wie weit schliesslich und ob überhaupt unter den Distichen selbst spätere Einschübe sich finden, lässt sich nicht bestimmen. Dass wiederholt in ihnen derselbe Gedanke zweimal vorliegt, ist öfter hervorgehoben worden, so von Boxhorn p. 404 (z. Β. Ι 22 ~ II 3. I 24 ~ II 17). Aber diese Tautologieen der ursprünglichen Sammlung abzusprechen, sind wir wohl um so weniger berechtigt, als sprachlich und metrisch angesehen (vgl. Abschnitt VIf.) das Ganze einen durchaus einheitlichen Eindruck macht.

IV. Den Namen des Verfassers zu bestimmen ist unmöglich; es wäre schon erfreulich, wenn es gelänge, den Namen des Werkes festzustellen und was der Verfasser mit diesem Namen gemeint hat. Der Veronensis nennt das Werk dicta M. Catonis ad filium suum und den filius karissimus redet der Verfasser, wie ich schon sagte, in der prosaischen Vorrede an. Marci Catonis ad filium giebt die Madrider Hs. vor und nach dieser [363] Vorrede, sowie nach den prosaischen Sentenzen; libri (bezw. liber primus, quartus) Catonis philosophi hat der Montepessulanus an der ersten und der dritten Stelle, der Parisinus 2659 s. X am Schlusse, wo der Montepessulanus lib. IIII Catonis giebt. In den andern massgebenden Hss. scheint jeder derartige Titel zu fehlen, nur haben die Leydener und Mailänder vor dem ersten Buche die Worte incipit liber Catonis primus (wenn der Parisinus 8320 dazu Cordubensis fügt, so geht das wohl, wie Baehrens 208 annimmt, nur auf die Provenienz der Hs.). Mit den Worten illud Catonis führt Vindician sein Citat aus den Distichen ein (s. o.), mit den Worten ait enim philosophus Cato Karl d. Gr. das seinige; einfach Cato, selten Cato philosophus haben auch die andern mittelalterlichen Citate (z. Β. Joh. Sarisber. Polycrat. VII 9, Bd. IV 112 Giles in der merkwürdigen, für die Textgeschichte nicht unwichtigen Fassung ait vel Cato vel alius, nam auctor incertus est: multa legas u. s. w., dist. III 18). Dieser Einstimmigkeit gegenüber steht – um von thörichten Angaben in schlechten Hss. ganz abzusehen, über die man Cannegieter p. 5 vergleichen mag – ein sonderbares Zeugnis Scaligers (zu Beginn seiner Anmerkungen zum Cato), in libro vetustissimo Simeonis Bosii (solus ille codex bonae notae repertus est memoria nostra) sei der Titel so gefasst gewesen Dionysii Catonis disticha de moribus ad filium. Scaligern gesellt sich als Eideshelfer Elias Vinet, der zu Ausonius (298 Β; p. LI 2 verso der Ausgabe Bordeaux 1590) erzählt, ihm habe einst Bosius codicem visendae antiquitatis gezeigt, worin nur die Distichen standen et Dionysio Catoni (sic!) ad filium inscribebantur. Mehr wie einen Irrtum (oder auch eine Fälschung, denn Bosius erfreut sich nicht des besten Rufes) kann man in der unbegreiflichen Häufung von Cognomina wohl nicht sehen. Zur Erklärung des Irrtums hat man allerlei ausgedacht (gesammelt und besprochen von Bischoff 4). Am meisten Anklang findet Haupts Vermutung (Opusc. I 376), dass in irgend einer Hs. dem Cato die priscianische Übersetzung der Periegese des Dionysios vorausgegangen sei, wie denn im Turicensis thatsächlich beide Werke, nur nicht in dieser Reihenfolge vorliegen; ich kann diesem Einfall keinen Geschmack abgewinnen. Wie immer man erkläre, schwerlich kann sich die Nachricht Scaligers messen mit dem Zeugnis unserer noch vorliegenden, zum Teil vortrefflichen Hss.

Wir haben also nur mit den Titeln (dicta) M. Catonis ad filium und libri Catonis (philosophi) zu rechnen, von denen der erste durch die zwei wichtigsten Hss., den Veronensis und den besten Vertreter der Vulgata, bezeugt ist. Unter diesen Umständen kann, meine ich, nicht daran gedacht werden, Cato als den Namen des Dichters anzusehen. Diese Ansicht gewinnt auch nicht dadurch, dass elf Hexameter De Musis in einer Reihe von Hss. des 9.–11. Jhdts. ebenfalls von Cato oder Cato philosophus verfasst sein wollen (Baehrens PLM III 243f.); gerade im Turicensis der Distichen lautet der Titel nur Nomina Musarum. Noch weniger aber kann in dieser Frage das Epitaphium Vitalis mimi filii Catonis besagen (Baehrens 245f.), das sich öfters in [364] Hss. der Distichen findet (vgl. De Rossi Inscr. urb. Rom. Chr. II 1, 280. 283).

Vielmehr dürfte mit M. Cato der gemeint sein, auf den man bei diesem Namen zuerst verfällt. Seine libri ad filium, sein carmen de moribus, seine dicta müssen dem Schöpfer des Grundstocks der D. vorgeschwebt haben. So erscheinen ja auch in späteren Spruchsammlungen mit Vorliebe sententiae Catonis (Wölfflin Senecae monita, Erlangen 1878, 26; Philol. IX 681f.), und mancher Teil der D. mochte durch seinen sittlichen Ernst wirklich würdig scheinen, als sententia dia Catonis zu gelten. Freilich scheint mir nur die Frage erlaubt, ob gerade die versificierten Bestandteile unserer Sammlung zu solcher Bezeichnung locken konnten. Da im Altertum gewiss niemand auf den unglücklichen Gedanken moderner Philologen verfallen ist, dass Cato sein carmen de moribus in Versen geschrieben habe, so wäre es doch ein etwas barocker Einfall gewesen, hexametrische Distichen zu schreiben, in der Absicht, sie dann als catonisch in Curs zu bringen. Weitaus wahrscheinlicher ist es meines Erachtens, dass als catonisch zunächst nur die 56 prosaischen Sentenzen galten, die jetzt den Distichen vorangehen. Es ist wiederholt betont worden, dass diese kurzen Sätzchen sich zum guten Teil inhaltlich mit je einem Distichon decken (Bischoff 54ff., der freilich zu viel vergleicht; s. aber z. B. 4 datum serva ~ dist. III 8 quod tibi sors dederit tabulis suprema notato augendo serva ne sis quem fama loquatur, sent. 45 iracundiam rege ~ dist. I 37 servorum culpa cum te dolor urguet in iram, ipse tibi moderare, tuis ut parcere possis). Bischoff sieht darum die Sentenzen als Excerpte aus den Distichen an, weiss aber für diese Ansicht kein haltbares Argument vorzubringen. Mehr als ein solches existiert dagegen für die umgekehrte Anschauung, die, freilich nicht ohne viel Verkehrtes einzumischen, z. Β. Kärcher Philol. IX 413ff. vertreten hat. Nicht nur bei den beiden eben angeführten Fällen, sondern auch sonst öfters hat man den Eindruck, dass die kurze, in zwei Worten schlagend ausgesprochene Sentenz mühsam auf einem Prokrustesbett gestreckt worden ist, um volle zwei Hexameter zu füllen; tuis ut parcere possis und ne sis quem fama loquatur sind nichts als armselige Lückenbüsser. Schwer kann man sich auch bei der Bischoffschen Hypothese vorstellen, wie die Doppelsentenzen mutuum da, cui des videto u. ä., wo jeder Teil aus einem besonderen Distichon excerpiert sein müsste, zu stande gekommen sind. Endlich erklärt sich auch wohl die Thatsache, dass Sentenzen und Distichen sich nur zum Teile decken, für Bischoff minder leicht als für uns. Es wäre nicht absolut unmöglich, dass eine ganze Anzahl excerpierter Distichen in der Vulgata verloren gegangen ist. Bischoffs Versuche aber, gerade solche Distichen aus Monastica und Monosticha zu reconstruieren, sind nicht eben glücklich abgelaufen, und wahrscheinlicher, meine ich, ist an sich auch hier das Umgekehrte, dass nicht alle Prosasentenzen in Distichen umgesetzt, dafür aber den so entstandenen Distichen nachher eine ganze Anzahl anderer zugefügt worden sind, die nicht auf den Prosasentenzen beruhten. Am deutlichsten aber spricht [365] für die Priorität der Prosasprüche ein Blick auf verwandte Litteratur (s. Abschn. V).

Wenn hiernach die Annahme einleuchtet, dass die Distichen sozusagen Variationen oder, wenn man will, Ausführungen der in den Prosasentenzen gegebenen Themata sind, so kann man diese beiden Ausdrucksweisen schwerlich ein und demselben Autor zutrauen; die Prosasentenzen sind also wohl eher vorhanden gewesen. Und unter dieser Voraussetzung erklärt sich nun allerdings eine Bezeichnung wie (dicta) M. Catonis ad filium weit leichter, wie denn ja auch die von Wölfflin (s. o.) edierten Cato-Sentenzen in Prosa verfasst sind. Solch kurze körnige Prosasätze wie vino tempera; libros lege, quae legeris memento konnten sich wohl für Sprüche des knorrigen Alten ausgeben, der Freude dran hatte, seinen Mutterwitz in scharfer Form zu prägen (man vgl. z. Β. sent. 19 quod satis est dormi ~ Cat. de mor. bei Gell. XI 2 vestiri .. domi quod satis erat). Sie konnten es besonders leicht, wenn sie im 2. Jhdt. entstanden, wo unter den viel bewunderten, gelesenen und nachgeahmten Alten (man sehe, um von Gellius zu schweigen, z. Β. Fronto ad M. Caes. IV 5; ad Ant. I 2 u. a.) Cato nicht die letzte Stelle hat. Auf eine merkwürdige Übereinstimmung der Distichen selbst mit dem alten Cato macht mich Wünsch aufmerksam. Dist. I 19 lautet luxuriam fugito, simul et vitare memento crimen avaritiae; nam sunt contraria famae. Ganz ähnlich lässt Livius (XXXIII 4) den Cato sagen: diversis duobus vitiis, avaritia et luxuria, cipitatem laborare. Da auch Sallust, verba antiqui multum furatus Catonis, eine entsprechende Wendung hat (Cat. 5, 8 civitatis mores quos pessuma ac divorsa inter se mala, luxuria atque avaritia, vexabant), so liegt hier vielleicht überall eine wirkliche Äusserung Catos zu Grunde.

V. Es wäre erwünscht, zu wissen, aus was für Quellen die prosaischen Sententiae sowohl wie die nicht auf ihnen beruhenden Distichen geschöpft sind. Leider fehlt es durchaus an Untersuchungen hierüber; die älteren Bearbeiter haben allerlei Parallelen zusammengestellt, an methodischer Forschung fehlt es. Viel alte und landläufige Spruchweisheit ist zu erkennen; die Berührungen mit den Sprüchen der sieben Weisen z. Β. ist in den prosaischen Sprüchen so eng, dass auch dadurch wieder diese sich als ursprünglich und nicht aus den Distichen excerpiert erweisen (z. B. miserum noli irridere 52 ~ Chilon bei Diog. Laert. I 3 ἀτυχοῦντι μὴ ἐπεγγελᾶν, iracundiam rege 45 ~ θυμοῦ κρατεῖν ebd., pauca in convivio loquere 51 ~ γλώττης κρατεῖν καὶ μάλιστα ἐν συμποσίῳ, patere legem quam ipse sanxeris 49 ~ Pittacus bei [Auson.] VII sap. sent. p. 111 Sch. pareto legi quisque legem sanxeris u. s. w.). Sehr ähnlich sind den Prosasprüchen und Distichen sodann z. Β. das goldene Gedicht der Pythagoreer und der Ps.-Phokylides, wie gleich die Anfänge ausweisen können; im ps.-phokylideischen Gedicht zeigen auch einzelne Sprüche distichische Form, die wohl, wie Wünsch meint, durch die Form der echten Phokylidessprüche veranlasst sein könnte.

Vielfach erweist sich die Moral des Cato deutlich als stoisch; als Beispiel stehe hier das Distichon IV 44 cum servos fueris proprios mercatus [366] in usus et famulos dicas, homines tamen esse memento, verglichen mit dem Anfang von Senecas 47. Brief: servi sunt. immo homines u. s. w. Gerade dieser stoische Geist hat die catonische Sammlung befähigt, mit einigen Streichungen und Veränderungen auch in christlichen Zeiten sich das ausserordentlichste Ansehen zu erwerben.

Auch darüber fehlt noch jede ausreichende Untersuchung, wie weit der Cato im Ausdruck von älteren römischen Dichtern abhängig ist. Anklänge an Horaz (I 33 pro lucro tibi pone diem quicumque sequetur ~ od. I 9. 14 quem fors dierum eumque dabit lucro appone), Ovid (I 18 ~ trist. I 9, 5) u. a. liegen bisweilen auf der Hand.

VI. Die Sprache der Distichen ist im ganzen schlicht und sauber. Auf Putz hat der Verfasser allermeistens verzichtet, und im Epilog zum vierten Buch (49) entschuldigt er die nuda verba mit der brevitas des Distichons; ein gesuchter Parallelismus wie II 22 consilium arcanum tacito committe sodali; corporis auxilium medico committe fideli ist vereinzelt. Meistens ist der Ausdruck klar und einfach, was natürlich mit zu dem Erfolg der Distichen, besonders in der Schule, beigetragen hat; selten läuft eine Verzwicktheit unter, wie IV 48 vita nescire doceri (von Baehrens schlecht geändert). Auffällig sind ein paar archaisch-volkstümliche Erscheinungen, wie das wiederholte mage (s. o.), das aber doch auch Vergil und Properz nicht fremd ist, sowie die Doppelgradation mage carior IV 42 (vgl. Norden Rh. Mus. XLIX 199). Sehr auffällig ist ein Kunstwort wie officiperdus IV 42 (ne nomen subeas quod dicunt officiperdi); wer die Geschichte der lateinischen Nominalcomposition kennt, fühlt sich hier veranlasst, ein griechisches Vorbild für das Wort und damit auch für das ganze Distichon zu suchen; Scaliger versuchte ὀλεσίχαρις, was prosodisch unmöglich ist, Mylius ὠλεσίδωρος. Wenn so der Ausdruck nur selten die Grenzen des Üblichen verlässt, so ist ihm andererseits der Vorwurf der Eintönigkeit nicht zu ersparen. Manche Worte und Formen wie vitare, der Imperativ auf -to, insbesondere memento (s. o.) kehren bis zur Ermüdung wieder. Gar zu häufig sind Perioden aus Nebensatz und Hauptsatz, in denen der Nebensatz mit cum, dum oder si beginnt und vielfach den ersten Hexameter ausfüllt. Oder der Zweck des im ersten Hexameter gegebenen Rates wird im zweiten mit ne (I 11. 25. II 7. 29. III 7. 15. 19. IV 42. 45), seine Begründung mit nam, enim, etenim ausgedrückt (I 2. 8. 12. 31. 35. II 5. 21. 24 u. s. w.). Dies alles aber, was stilistisch gewiss kein Vorzug der Distichen ist, erhöhte andererseits doch nur ihre Fassbarkeit und Erlernbarkeit.

VII. Auch die Metrik der Distichen ist ziemlich monoton. Von den rund 320 Hexametern haben über 90% die männliche Caesur im dritten Fuss, der Rest hat allermeist die weibliche mit beiden männlichen Nebencaesuren, höchstens sechs Verse die beiden letzteren allein. Eine öfter wiederkehrende Eigentümlichkeit im Bau der Verse ist die Zulassung der Kürze in der dritten und vierten Arsis, die von den Herausgebern bisweilen mit Unrecht beanstandet worden ist (II praef. 4. IV 26, 1. 48, 2; anderes zum Teil zweifelhafte [367] bei Nemethy zu der zweiten Stelle). Auf dem Gebiet der Prosodie tritt der Verfall der Quantität im vocalischen Auslaut mehrfach hervor; nicht nur iambische Worte kürzen ihren Schlussvocal (cavĕ I 12? IV 43, vidĕ IV 25), sondern jedes schliessende ο kann als Kürze gemessen werden, wie das ja etwa seit Iuvenal üblich ist (nolo II 8, nolito III 15, esto I 11; nemo II 14, sermo I 10; aliquando IV 6, 39). Eodem mit den ersten beiden Silben in Senkung stehend (I 18) kennt auch Vergil (ecl. VIII 81), dagegen verlangt statt denarium im Wert von drei Längen (IV 4) auch der Sinn ein anderes Wort. Auf etwa sechs Verse kommt durchschnittlich eine Elision, ⅘ der Elisionen finden in den ersten beiden Füssen statt, nur zehnmal etwa werden lange Vocale und Dipthonge elidiert. L. Müller war also ganz berechtigt das unvorsichtige conjecturale Hineintragen von Elisionen, insbesondere von harten, zu tadeln (De re metr.² 24).

VIII. Über die hsl. Überlieferung ist Wesentliches bereits gesagt. Auf der einen Seite steht der Veronensis als einziger Vertreter einer besonderen Recension und zugleich auch für die Distichen, die er mit der Vulgata gemeinsam hat, die beste Textquelle (Beweisstellen bei Bischoff 22ff.). Unter den Hss. der Vulgata nimmt der Matritensis, der leider nur bis I 27, 1 reicht, die erste Stelle ein, da er öfters mit den Lesarten des Veronensis gegen die übrigen Hss. steht (genauere Nachrichten über den Matritensis bei Ewald N. Arch. f. ält. d Gesch. VI 316). Aus der Zahl der übrigen hat Baehrens anscheinend mit Recht die von Zürich (Apographon bei Zarncke 174ff.), Montpellier (vgl. Fontaine Rev. de phil. IV 177ff.), Leyden und Mailand bevorzugt; doch hätte von den sieben Pariser Hss. des 9. bis 11. Jhdts. (Bonnet Rev. de phil. VII 23ff.) wenigstens 2772 mehr Berücksichtigung verdient, die manche vortreffliche Lesart bewahrt hat. Eine genauere Gruppierung der Hss. scheint unmöglich. Die Monastica sind natürlich zur Constitution des Catotextes mit heranzuziehen, doch ist Vorsicht in ihrer Benutzung geboten, da sie willkürliche starke Veränderungen enthalten. Vielleicht ist auch für die Textesconstitution verwendbar die glossula super Catonem der o. S. 369 bei den Monosticha genannten Cambridger Hs. s. IX (Schenkl 74). IX. Von älteren Ausgaben ist die von O. Arntzen (zuerst Utrecht 1735) dadurch nützlich, dass sie die Bemerkungen älterer Philologen, auch Scaligers (dessen Ausgabe mit Publ. Syrus Leyden 1598 erschienen ist), zusammenstellt, auch die griechischen Übersetzungen des Planudes, Scaliger und anderer, sowie die Abhandlungen von Cannegieter und Boxhorn abdruckt. Eine kritische Ausgabe versuchte F. Hauthal mit unzulänglicher Kraft und Sorgfalt (Berlin 1869). Grundlegend ist die Ausgabe von Baehrens PLM III 205ff., deren Verdienst man nicht wegen etlicher schlechter Conjecturen unterschätzen soll. Die Ausgabe von G. Nemethy (2. Aufl., Budapest 1895), deren Wortindex ein kaum verhülltes Plagiat an Hauthal ist, ist auch sonst schwächlich. Sonstige Litteratur ist oben angeführt; vgl. Teuffel-Schwabe Röm. Litt-Gesch.⁵ § 398, 1–4. E. Bischoff Prolegomena zu Dionysius Cato, Diss. Erlangen 1890.

[368] X. Seiner billigen Alltagsweisheit, die in der Fassung der Vulgata noch dazu von allem specifisch Heidnischen befreit worden war, dankt der Cato namentlich im Mittelalter eine so ausserordentliche Verbreitung, wie sie jedem tiefer angelegten nichtgeistlichen Werke versagt bleiben muss. ‚Kein Buch hat eine so unbedingte Herrschaft über den gesamten Occident geübt, wenige sind so blind verehrt worden‘ sagt Zarncke (198). Ausser der hsl. Verbreitung und den Citaten, von denen wir früher gesprochen haben, legen davon namentlich die Übersetzungen in ziemlich alle Sprachen des occidentalischen Culturkreises im Mittelalter Zeugnis ab. Was ich mir darüber an bibliographischen Notizen gesammelt habe, hat Herr Professor M. Förster in Würzburg, der eine Ausgabe des altenglischen Cato vorbereitet, durch sehr umfassende Mitteilungen liebenswürdigst vervollständigt; Abschnitt Α 6 beruht ganz auf seinen Notizen. Auch Herrn Collegen Appel bin ich für einige freundliche Nachweise verpflichtet.

A. Germanische Sprachen. 1) Verloren ist die althochdeutsche Übersetzung des Notker Labeo († 1022), die er selbst in einer von Zarncke 187 abgedruckten Briefstelle bezeugt. 2) Die älteste mittelhochdeutsche Übersetzung ist ‚allem Anscheine nach nicht nach der Mitte des 13. Jhdts. entstanden‘ (Zarncke 59). ‚Sie übersetzt nur etwa zwei Drittel des Originals und auch dieses nicht in der Folge des Originals..‘, um ‚bereits Gesagtes nicht nochmals zu sagen oder Zusammengehöriges näher zusammenzustellen‘. ‚Diese Rumpfübersetzung ward benutzt, um aus ihr Gesamtübersetzungen herzustellen, und alle uns erhaltenen Gesamtübersetzungen lassen sich stufenweise auf sie zurückführen‘ (Zarncke 10f.). Die mhd. Übersetzungen sind behandelt und herausgegeben in F. Zarnckes grundlegendem Buch ‚Der deutsche Cato‘ Leipzig 1852, das auch um die Catofrage überhaupt und sonstige Catoübersetzungen die grössten Verdienste hat. 3) Drei niederdeutsche Übersetzungen (Hss. aus dem 14. Jhdt.) bespricht Zarncke 154ff.; die älteste, gedichtet von Meister Stephan um 1357, hat Graffunder im Niederdeutschen Jahrbuch XXIII 11ff. XXV 9ff. ediert. 4) Eine niederrheinische Übersetzung ist herausgegeben von Graffunder im Jahresbericht des Berliner Prinz-Heinrich-Gymnasiums 1897. 5) Eine holländische Übersetzung wird schon 1283 erwähnt (Jonckbloet S. VIII); wahrscheinlich ist es die von W. J. A. Jonckbloet (Die dietsce Catoen, Leiden 1845) und A. Beets (De dist. Catonisin het middel nederlandsch, Groningen 1885) edierte. 6) Englische Übersetzungen. a) Altenglische (angelsächsische) Prosawiedergabe einzelner Catosprüche, verfasst um 900; beste Ausgabe vorläufig von L. Ch. Müller in Collectanea Anglo-Saxonica, Kopenhagen 1835 (vgl. J. Nehab Der altenglische Cato, Göttinger Diss., Berlin 1879). In M. Försters Neuausgabe des englischen Cato wird diese Übersetzung den Inhalt von Heft 1 (1902) bilden. b) Vier mittelenglische Übersetzungen in verschiedenen Metren. Zwei davon sind nicht direct aus dem Lateinischen, sondern aus der französischen Übersetzung des Evrard (s. u.) geflossen, eine ältere aus dem Ende des 13. Jhdts. (herausgeg. Von M. O. Goldberg Die caton. Distichen in der englischen [369] und französischen Litteratur I Diss. Leipzig 1883, und von Furnivall The Minor Poems of the Vernon MS., Part. II 1901 p. 553–609) und eine jüngere um 1400 entstandene (herausg. von Brock Early English Text Society LXVIII 1669ff.). Von den beiden direct nach dem lateinischen Original gefertigten Übersetzungen ist eine ebenfalls um 1400 entstandene noch unediert und wird von M. Förster mit einer Neuausgabe der zwei vorgenannten in Heft 2 veröffentlicht werden; die andere in Heft 3 neu zu edierende, früher z. Β. von Caxton gedruckte stammt von Magister Benedict Burgh (wohl zwischen 1433 und 1440).

B. Romanische Sprachen. 1) Französische Übersetzungen (vgl. Le Roux de Lincy Le livre des proverbes français, Paris 1842, I, XLIIff. und Histoire littéraire de la France XIII, Paris 1814, 67ff. sowie XVIII, Paris 1835, 826ff., dann z. B. P. Meyer Romania VI 20). a) Die älteste vor 1145 verfasste ist die des Mönches Evrard, abgedruckt z. Β. bei Le Roux Bd. II 359ff. b) Vielleicht noch ins 12. Jhdt. gehören die Übersetzungen des (H)Elie de Winchester und eines Anonymus, mit a) zusammen gedruckt von Stengel Ausgaben und Abhandlungen XLVII (1886) 106ff. c) Ins 13. Jhdt. fallen die Übersetzungen von Jehan de Paris oder du Chastelet und Adam de Suel sowie die Umarbeitung der Adamschen Version durch Macé de Troies. Vgl. W. Meyer Ztschr. f. rom. Philol. X 366ff. d) Eine altlothringische Übersetzung endlich ist publiciert von Ulrich in der Ztschr. f. roman. Philol. XIX 85ff. 2) ‚Die altprovenzalische Version der Disticha Catonis‘, von der grosse Bruchstücke in Paris und Berlin vorhanden sind, ist unter diesem Titel ediert von R. Tobler (Strassburger Diss., Berlin 1897; vgl. auch P. Meyer Romania XXV 98ff.). 3) Von italienischen Übersetzungen sind bekannt geworden a) eine altvenezianische ‚sicher noch aus der zweiten Hälfte des 13. Jhdts.‘, herausgegeben von A. Tobler (Abh. Akad. Berl. 1883), b) Tre volgarizzamenti del libro di Catone de’ costumi, herausgegeben von M. Vannucci, Mailand 1829. c) die Übersetzung in einer Neapler Hs. s. XIV, deren erster Druck (um 1475, Hauthal S. XX nr. 9) einer der ältesten Catodrucke ist, neuerdings ediert von Miola im Propugnatore XI 2 (1878) 319ff.; der Verfasser dieser um 1300 entstandenen Übersetzung ist ein Catenaccio, vermutlich aus Anagni (Monaci Rendiconti dei Lincei 1899, 245). 4) Über die spanische Übersetzung vgl. inzwischen Farinelli Deutsche Litt. Ztg. 1902, 292 (Gröbers Grundriss II 2, 421). 5) Eine katalanische Übersetzung ist ediert von G. Labrés (Lo libre de Cato, Biblioteca d’escriptors catalans, Palma 1889). Ein Teil der Catosprüche findet sich auch in den Proverbes des Guylem de Cervera (13. Jhdt. ? A. Thomas Romania XV 25ff.). Siehe auch Gröbers Grundriss II 2, 108.

C. Slavische Sprachen. Aus älterer Zeit scheint nur die böhmische Übersetzung zu stammen, die der ersten Hälfte des 14. Jhdts. angehört. Mitteilungen über sie bei Feifalik S.-Ber. Akad. Wien XXXVI (1861) 212. Eine jüngere liegt mir vor in dem Drucke Moralissimus Catho Boemo haud non Teutono vulgaribus sermonibus interpretatus, Nürnberg 1518. [370]

D. Keltisch. Ungedruckt sind sowohl die irische wie die kymrische Übersetzung, die mir M. Förster aus Hss. nachweist.

E. Griechisch. Die Übersetzung des Planudes (Krumbacher Byz. Litt.-Gesch.² 545f.) ist z. Β. bei Arntzen gedruckt.

Ich bin mit dieser Aufzählung im allgemeinen nur bis in die erste Hälfte des 15. Jhdts. etwa heruntergegangen, denn von da an werden die Bearbeitungen des Cato geradezu unübersehbar. Allein aus der englischen Litteratur kennt M. Förster bis zur Mitte des 18. Jhdts. elf, die zum Teil in mehreren Auflagen erschienen sind. Dazu treten jetzt solche ins Dänische, Schwedische, Engadinische, Polnische, Magyarische, wofür ich im Voraus auf das dritte Heft des Försterschen Werkes verweise. Unter den späteren deutschen Übersetzungen genüge es, die von Martin Opitz zu nennen, die z. Β. in dem Büchlein Cato et mimi τρίγλωττοι seu latino-graeco-germanici herausgegeben von Joh. Weber (Frankfurt a. M. 1705) vorliegt. Oft ist auch Scaligers griechische Übersetzung gedruckt worden, so von Arntzen und dem eben genannten Weber. Erst etwa seit dem Ende des 18. Jhdts. nimmt die Beliebtheit des Cato sichtlich ab; der Zeit der geistigen Aufklärung konnten seine Trivialitäten nicht mehr genügen.

XI. Lateinische Umdichtungen des Cato im Mittelalter sind durch Zarncke bekannt gemacht worden. Zwei davon, deren ältere (sog. Cato novus) spätestens dem 12. Jhdt. entstammt, sind in leoninischen Hexametern gehalten (S.-Ber. Akad. Leipzig 1863, 23ff. und 1870, 181ff.). Eine dritte, die in einer Wiener Hs. des 14. Jhdts. steht, ist in rhythmischen Strophen von vier Zeilen abgefasst (ebd. 1863, 49ff.). Eine vierte endlich, die erst dem Ende des 14. oder Anfang des 15. Jhdts. angehört, hat die Distichen zu paarweis reimenden Tetrastichen erweitert (ebd. 1865, 54ff.).

Lateinische Weiterbildungen des Cato bespricht ebenfalls Zarncke an den angeführten Stellen. Von diesen nenne ich besonders den Facetus, auf den sich die Charakteristik eines Ungebildeten bei Chaucer Canterbury Tales Α 3227 bezieht: he knew nat Catoun, for his wit was rude, that bad man sholde wedde his similitude.