18) C. Cornelius war Quaestor des Cn. Pompeius Magnus, vermutlich in Spanien, gewesen (Ascon. Cornel. p. 50. 54) und gelangte 687 = 67 zum Volkstribunat. Er stellte sich die Bekämpfung verschiedener lange eingewurzelter Missbräuche zur Aufgabe und zog sich dadurch die Feindschaft der herrschenden Optimaten zu. Er beantragte zunächst ein Gesetz: Ne quis legatis exterarum nationum pecuniam expensam ferret, weil diese Anleihen den Zinsfuss steigerten und namentlich weil sie die Bestechungen begünstigten und verhüllten. Der Senat lehnte aber im Interesse seiner Mitglieder ein Eingehen auf diesen Antrag ab, weil durch einen Beschluss vom J. 660 = 94 bereits die Möglichkeit zur Bekämpfung dieses Übelstandes geboten sei (Ascon. p. 50). Ein zweiter Antrag des C., den Asconius in seiner zusammenhängenden Darstellung p. 50ff. übergeht, richtete sich gegen den Ambitus; er wollte nicht nur die Candidaten selbst, die wegen Wahlbestechung
[1253]
verurteilt würden, mit den strengsten Strafen belegen, sondern auch das Verfahren auf ihre Gehülfen, die Divisores, erstrecken (Cic. Cornel. frg. I 39. 40 bei Ascon. p. 66). Der Senat lehnte auch dieses Gesetz ab, liess aber wenigstens von den beiden Consuln M’. Acilius Glabrio und C. Calpurnius Piso ein ähnliches einbringen, das gegen die Candidaten milder war und das entgegen den geltenden Bestimmungen noch vor den Wahlen, die unmittelbar bevorstanden, durchgesetzt wurde (Dio XXXVI 38, 1–39, 1. Cic. a. O. Ascon. p. 61; vgl. o. Bd. I S. 1801). Unwillig über die Zurückweisung seiner Rogationen und über die Verfassungsverletzung, durch die das consularische Ambitusgesetz zu stande gekommen war, beantragte C., um zukünftig Ähnlichem vorzubeugen, die Wiedereinschärfung eines alten Gesetzes, dass Dispensation von den Gesetzen nur der Volksversammlung und nicht dem Senate zustehe (Ascon. p. 51. 64. Dio XXXVI 39, 2; vgl. Mommsen St.-R. III 337f. 1230). Die Senatspartei gewann nun einen Collegen des Tribunen, P. Servilius Globulus, um gegen diesen Antrag zu intercedieren. Doch als dieser bei der Volksversammlung dem Herold die Vorlesung des Gesetzes untersagte, las C. es selbst vor. Weil ihn, während er als Tribun zum Volke sprach, niemand unterbrechen durfte, war damit allerdings die Intercession abgeschnitten, aber weil die Verlesung durch den Antragsteller unzulässig war, hatte auch C. die Gesetze verletzt. Diesen Gesichtspunkt betonte sogleich der Consul Piso, indem er erklärte, die tribunicischen Rechte seien dadurch aufgehoben; aber nun brach ein Tumult aus, der den Consul in Lebensgefahr brachte und C. veranlasste, die Versammlung zu schliessen (Cic. Vatin. 5; Corn. frg. I 5. 28 bei Quintil. inst. or. IV 4, 8. V 13, 18. 25. Ascon. p. 51. Dio XXXVI 39, 3; vgl. Mommsen St.-R. I 284f. III 391f.; Strafr. 556). Nun war C. selbst zum Nachgeben geneigt geworden und modificierte nach Verhandlungen im Senate seinen Antrag dahin, ne quis in senatu legibus solveretur nisi CC non minus adfuissent, neve quis, cum quis ita solutus esset, intercederet, cum de ea re ad populum ferretur. In dieser Form wurde das Gesetz angenommen und trug den Ansprüchen des Senats und der Volkspartei gleichmässig Rechnung (Ascon. p. 50f. 63f. zu Cic. Corn. fr. I 30–32. Dio XXXVI 39, 4). Dagegen erregte ein viertes Gesetz, das C. beantragte und durchbrachte, die Unzufriedenheit der Optimaten, nämlich: ut praetores ex edictis suis perpetuis ius dicerent (Ascon. p. 52. Dio XXXVI 40, 1f.; vgl. Mommsen St.-R. I 208). Mehrere andere Gesetzesvorschläge des C. wurden durch den Einspruch seiner Amtsgenossen vereitelt, und sein Tribunat ging unter Kämpfen darüber zu Ende. Von seinen Nachfolgern, die am 10. December 687 = 67 ihr Amt antraten, beantragte C. Manilius sofort ein Gesetz über das Stimmrecht der Freigelassenen in Erneuerung des sulpicischen Gesetzes von 666 = 88, und auch dieser Antrag soll eigentlich von C. veranlasst worden sein, wie wenigstens seine Ankläger behaupteten (Cic. Corn. frg. I 8 bei Ascon. p. 56f.). Diese Ankläger waren die Brüder P. und C. Cominii, sie klagten ihn wegen seines schon von dem Consul Piso gerügten Vorgehens in der Volksversammlung
[1254]
nach der Lex Cornelia de maiestate an; der Process sollte 688 = 66 zur Verhandlung kommen. Aber am ersten Tage blieb der Praetor L. Cassius Longinus aus, der den Vorsitz führen sollte, und am zweiten Tage fehlten die Ankläger, weil sie am ersten durch Drohungen und durch Gewalt vertrieben worden waren, und darauf erklärte der Praetor die Klage für nichtig (Ascon. p. 52; vgl. Cic. Corn. frg. I 11–14. Tac. dial. 39). Indes im folgenden Jahre 689 = 65 erneuerte P. Cominius seine Anklage vor dem Praetor Q. Gallius (Cic. Brut. 271. Ascon. p. 52. 54); diesmal gelangte sie wirklich zur Verhandlung und zwar im Sommer unter dem Vorsitz der beiden Consuln (vgl. Beck Quaest. in Cic. p. Corn. 16f.). Fünf Consulare, die Häupter der optimatischen Partei, legten Zeugnis ab, dass C. durch sein Verhalten in jener Volksversammlung sich eines Majestätsverbrechens schuldig gemacht habe (Val. Max. VIII 5, 4. Ascon. p. 53. 70. 71); dagegen trat dessen früherer Amtsgenosse P. Servilius Globulus selbst für ihn ein (Ascon. p. 54). Die Verteidigung übernahm Cicero, teils um sich den Demokraten als Candidat für das Consulat zu empfehlen ([Q. Cic.] pet. cons. 19. 51. Cic. Vatin. 5; dazu Schol. Bob. p. 315 Gr.), teils um dem abwesenden Pompeius, zu dem C. in Beziehung stand, gefällig zu sein. Da die von jenen Consularen noch besonders bezeugte Thatsache, dass C. seine Rogation selbst verlesen hatte, nicht zu leugnen war, so musste der Verteidiger die daraus gezogenen Schlüsse bekämpfen (vgl. Quintil. inst. or. VI 5, 10). Unter seinen Argumenten war das, C. habe den Antrag non recitandi causa, sed recognoscendi verlesen (Cic. Vatin. 5), vielleicht eines der schwächsten; mit mehr Recht konnte er sich darauf berufen, dass C. nachher selbst eingelenkt hatte. Auch die Beschuldigung, den Manilius zu seinem Gesetz veranlasst zu haben, wies Cicero mit Glück zurück, ebenso einen dritten Anklagepunkt, dessen Kern aus frg. I 44 bei Ascon. p. 66f. nicht sicher zu erkennen ist. Cicero selbst gedachte später seiner Verteidigung des C. mit Befriedigung (Vatin. 5 mit Schol. Bob. p. 315; or. 108. 232); Ascon. p. 53 rühmt ihre Kunst und Geschicklichkeit aufs höchste, und Quintil. inst. or. VIII 3, 3 urteilt; Nec fortibus modo, sed etiam fulgentibus armis proeliatur in causa Cicero Cornelii. Die Verteidigung nahm vier Tage in Anspruch; Cicero gab seine Rede in zwei Teilen heraus (Ascon. p. 54. Plin. epist. I 20, 8), von denen der erste die Sache selbst, der zweite im allgemeinen deren politische Seite erörtert. Cornelius Nepos, der die Rede selbst gehört hat, bezeugt, dass sie fast ganz ebenso gehalten worden sei, wie sie später herausgegeben wurde (vit. Cic. frg. 2 aus Hieron. bei Peter Frg. hist. Rom. 223), während Plinius (a. O.) vermutete, sie sei in der Buchausgabe verkürzt worden. Wir besitzen die Rede nicht mehr, aber den Commentar des Asconius dazu mit vielen Citaten, ausserdem eine Reihe zerstreuter Bruchstücke. Eine Reconstruction des Ganzen unternahm R. G. Beck Quaestionum in Ciceronis pro C. Cornelio capita quattuor. Leipzig 1877. dessen Anordnung der Fragmente (S. 34ff.) in der Ciceroausgabe von C. F. W. Müller IV 3, 238–259 angenommen ist. Cicero hatte mit seiner Verteidigung Erfolg,
[1255]
denn C. wurde mit grosser Stimmenmehrheit freigesprochen (Val. Max. VIII 5, 4. Ascon. p. 72). Über sein späteres Leben ist nichts bekannt.