Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft
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Flavius, weström Kaiser im J. 421, cos. in den Jahren 414, 417 und 375
Band IV,1 (1900) S. 1099 (IA)–1102 (IA)
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9) Flavius Constantius, Consul dreimal in den J. 414, 417 und 420 (Mommsen Chron. min. III 527), weströmischer Kaiser im J. 421. Er stammte aus Naissus in Dacien (Olymp. frg. 39 = FHG IV 66), aber nicht aus barbarischem, sondern aus römischem Blute (Oros. VII 42, 2). Unter Theodosius d. Gr. (379–395) war er in das Heer eingetreten und hatte sich in zahlreichen Feldzügen emporgedient (Olymp. a. O.). Er wird geschildert als ein Mann mit starkem Nacken und grossen Augen, der sich beim Mahle fröhlich gehen [1100] liess, aber bei seinem öffentlichen Erscheinen gebückt und mit niedergeschlagenen Augen zu Rosse sass und einen befangenen Eindruck machte (Olymp. frg. 23). Als er später zum Kaiser erhoben wurde, war ihm daher das beschränkende Ceremoniell eine schwere Last (Olymp. frg. 34). Er soll sich anfangs unbestechlich gezeigt haben; aber nachdem sich ihm durch die Vermählung mit Placidia die Aussicht auf den Thron eröffnete, begann er Geld zusammenzuscharren, so dass nach seinem Tode bei Honorius zahlreiche Klagen wegen seiner Erpressungen anhängig gemacht wurden (Olymp. frg. 39). Durch seine Tapferkeit und Kriegskunst war er in hohem Grade populär, um so mehr als er nicht Barbar war und diese Eigenschaften bei einem Römer jener Zeit sehr selten geworden waren (Oros. VII 42, 2. Sozom. IX 16. Olymp. frg. 39).

Im J. 411 war er Comes et magister militum (Oros. a. O. Cod. Theod. VII 4, 34. 18, 17) und muss schon damals grossen Einfluss auf Honorius gehabt haben, da die Sendung des Marcellinus nach Afrika, die in dem Religionsgespräch von Karthago zur Verurteilung der Donatisten führte, auf seinen Rat zurückgeführt wird (Oros. VII 42. 16). In diesem Jahre wurde er von Honorius gemeinsam mit dem Gothen Ulfilas zum Feldherrn gegen den Usurpator Constantin III. ernannt (Olymp. frg. 16. Sozom. IX 14. Mommsen Chron. min. I 300. 466. Oros. VII 42, 1). Sie fanden diesen in Arelate von seinem eigenen Feldherrn Gerontius, der sich gegen ihn erhoben hatte, belagert, brachten dessen Heer zum Abfall, so dass er selbst sich mit nur wenigen treugebliebenen Soldaten nach Spanien retten musste, und nahmen dann ihrerseits die Belagerung auf (Sozom. IX 13. Olymp. frg. 16). Über drei Monate hielten sie die Stadt umschlossen (Gregor. Turon. II 9[WS 1]), als Edobich mit einem grossen Heere von Burgundern, Alamannen, Franken und Alanen, das er im Auftrage Constantins III. geworben hatte (Sozom. IX 13), zum Entsatz heranrückte. Anfangs dachten die Feldherren des Honorius daran, sich über die Alpen zurückzuziehen; da aber der Feind schon zu nahe war, gingen sie ihm über die Rhone entgegen und besiegten ihn durch einen Hinterhalt, aus dem Ulfilas ihm mit der Reiterei in den Rücken fiel (Sozom. IX 14). Auf diese Nachricht hin floh Constantin in eine Kirche und liess sich zum Presbyter weihen, während sein Heer gegen das Gelöbnis der Straflosigkeit die Stadt übergab. C. sandte den Usurpator und dessen Sohn Iulianus an Honorius, der sie gegen das von seinem Feldherrn gegebene Versprechen töten liess (Sozom. IX 15. Olymp. frg. 16. Oros. VII 42, 3. Gregor. Tur. II 9. Mommsen I 246. 300. 466. 630. 654. II 18. 70). Auch in den Kampf gegen die andern gallischen und spanischen Usurpatoren scheint C. entscheidend eingegriffen zu haben (Oros. VII 42, 15); doch wird uns über seine damalige Thätigkeit nichts Genaues berichtet, ausser dass er 412 eine Bischofswahl in Arelate bestimmte (Mommsen I 466) und über die gefangenen Anhänger des Iovinus in Arverni ein furchtbares Strafgericht hielt (Gregor. Tur. II 9).

Für seine Thaten wurde er mit dem Consulat des J. 414 belohnt und erhielt zugleich das confiscierte Vermögen des africanischen Usurpators Heraclianus zu Geschenk, um damit die Kosten [1101] zu bestreiten. Die Feier des Antritts beging er in Ravenna (Olymp. frg. 23). Schon vorher hatte er sich eifrig bemüht, von dem Gothenkönig Athaulf die Auslieferung der gefangenen Placidia, der Schwester des Honorius, zu erlangen (Olymp. frg. 20). Doch hatten die Verhandlungen keinen Erfolg gehabt, und im Januar 414 heiratete der Gothe die Kaisertochter (s. Bd. II S. 1940, 50) und erhob bald darauf den Priscus Attalus zum zweitenmal auf den Thron (s. Bd. II S. 2179, 11). Infolge dessen zog C. wieder mit einem römischen Heer über die Alpen und wählte Arelate zum Hauptquartier (Oros. VII 43, 1), wobei er für diese Stadt eine solche Vorliebe fasste, dass er im J. 418 ihre Erhebung zur Metropole der Dioecesis septem provinciarum erwirkte (Haenel Corp. leg. 238). Indem er den Gothen die Zufuhren abschnitt, zwang er sie, sich im J. 415 über die Pyrenäen zurückzuziehen (Oros. a. O. Mommsen II 19), und wurde dafür zum Patricius ernannt (Cod. Theod. XV 14, 14. Dessau 801. Mommsen I 467. 469. 496. 630. II 19. 276. Haenel a. O.). Gegen Ende des Jahres fiel auch Attalus in seine Hände (Mommsen I 467. Oros. VII 42, 9, vgl. Bd. II S. 2179, 19). Die Versuche des Athaulf, nachdem ihm Placidia einen Sohn geboren hatte, mit Honorius seinen Frieden zu machen, wusste C. zu vereiteln (Olymp. frg. 26). Nachdem aber der Gothenkönig 416 ermordet war, erlangte er von dessen Nachfolger Vallia die Auslieferung der Kaisertochter (Mommsen I 468. II 19. Olymp. frg. 31. Philostorg. XII 4 = Migne G. 65, 612. Oros. VII 43, 12. Iordan. Get. 32, 164. 165). Er selbst scheint bei dieser Gelegenheit auch in Spanien eingedrungen zu sein, da er den Vandalenkönig Fredbal durch eine List ohne Kampf gefangen nahm und an Honorius schickte (Mommsen II 19). Zur Belohnung erhielt er das zweite Consulat und wurde bei dem Antritt desselben[WS 2] am 1. Januar 417 mit Placidia, obgleich sie sich dagegen sträubte, in Ravenna vermählt (Olymp. frg. 34. 20. Mommsen I 303. 468. 496. 630. 654. II 19. Iord. Get. 32, 164. Sozom. IX 16. Philostorg. XII 4. 12. Procop. bell. Vand. I 3 p. 182 B). Sie gebar ihm zuerst die Iusta Grata Honoria (Olymp. frg. 34. Dessau 818), dann am 3. Juli 419 zu Ravenna den späteren Kaiser Placidus Valentinianus (Mommsen II 74. 20; Prosper setzt seine Geburt auf den 2. Juli 418, doch wäre dies Datum nur bei einer Frühgeburt möglich, Mommsen I 469; vgl. Socrat. VII 24. Sozom. IX 13. Theophan. 5911. 5912. Philostorg. praef. = Migne G. 65, 460. Anon. de promiss. III 38, 44 = Migne L. 5, 835). Um dieselbe Zeit schloss C. einen neuen Vertrag mit Vallia, wodurch den Gothen die Rückkehr nach Gallien und Wohnsitze in der Provinz Aquitanica secunda gewährt wurden (Mommsen I 469. II 19). Denn schon damals wurde er fast als Mitregent betrachtet, wie die Relationen, die der Stadtpraefect Symmachos an ihn richtete, und seine Antworten darauf beweisen (Epist. imperat. pont. 29. 30. 32 = Corp. script. eccles. latin. XXXV 74; vgl. Apoll. Sidon. carm. VII 210). Im J. 420 wurde er zum drittenmal Consul und am 8. Februar 421 (Theophan. 5913) erhob ihn Honorius zum Augustus und Mitregenten (Dessau 809. Cohen Médailles impériales [1102] VIII² 192. Socrat. VII 24. Sozom. IX 16. Apoll. Sidon. carm. VII 211. Mommsen I 469. 523. 630. 656. II 20), was beinahe gegen seinen Willen geschehen sein soll. Auch verweigerte Theodosius II. seine Anerkennung, und ein ernstes Zerwürfnis zwischen den beiden Teilen des Reiches wurde nur dadurch vermieden, dass C. im siebenten Monate seiner Regierung (Olymp. frg. 34. Philostorg. XII 12. Mommsen I 657; anders I 656) am 2. September 421 (Theophan. 5913) an einer Krankheit zu Ravenna starb (Mommsen I 20. I 469. 630. Socrat. VII 24. Sozom. IX 16). Auf ihn beziehen manche eine Inschrift, die von der Herstellung und neuen Ummauerung der Stadt Albingaunum in Ligurien redet (CIL V 7781[WS 3]), doch kann sie auch Constantius II. angehören.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Diese Stelle bei Gregor von Tours ist ein Exzerpt aus dem verlorenen Geschichtswerk des Renatus Profuturus Frigeridus, vgl. Otto Seeck, Frigeridus 2, in: RE VII,1, Sp. 102.
  2. Korrigiert: deselben.
  3. Corpus Inscriptionum Latinarum V, 7781