Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft
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Zusammenleben von Mann und Frau, deren Kinder nicht seine vollberechtigten Abkömmlinge sein sollen
Band IV,1 (1900) S. 835838
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Concubinatus ist bei den Römern ein dauerndes geschlechtliches Zusammenleben eines Mannes mit einer Frau, deren Kinder nicht als seine vollberechtigten Abkömmlinge gelten sollen. Das letztere Merkmal vermag bei der Formlosigkeit der römischen Eheschliessungen allein den C. von der Ehe zu unterscheiden. Dem Gefährten der concubina fehlt die wahre affectio uxoris (sc. habendae) Dig. XXIV 1, 3, 1; denn in der Absicht, den Kindern aus dem C. die gesetzlichen Kindesrechte zu verweigern, liegt ein Mangel an Achtung vor der Mutter. So ist zu verstehen Paul. II 20, 1: concubina igitur ab uxore solo dilectu separatur und Dig. XXV 7, 4: concubinatus ex animi destinatione aestimari oportet. P. Meyer (Der Concubinat nach den Rechtsquellen und den Inschriften, Leipzig 1895, 89) nimmt noch weitere Merkmale in die Begriffsbestimmung des C. auf; namentlich den monogamischen Charakter der Verbindung und den gesetzlich anerkannten Namen. Beides jedoch mit Unrecht. Der monogamische Charakter des C. war insofern eine Bedingung seiner Zulässigkeit, als es verboten war, neben der Gattin eine Concubine zu halten. Paul. sent. II 20, 1. Cod. VII 15, 3, 2. Das Verbot, mehrere Concubinen neben einander zu haben, ist für die ältere Kaiserzeit keineswegs sicher. Dagegen namentlich Gide De la condition de l’enfant naturel et de la concubine dans la legislation Romaine, Paris 1880, 20, 1 mit Berufung auf Plin. epist III 14. Im neuesten römischen Recht ist freilich der monogamische Charakter des gesetzlich begünstigten C. ausser Zweifel, Nov. Iust. XVIII 5. Man darf aber überhaupt nicht den engern Begriff des erlaubten oder begünstigten C. mit dem des C. überhaupt verwechseln, um so weniger, als der C. zunächst zwar als Regel erlaubt wurde, aber hierbei sowie auch später gewisse [836] Fälle des C. durch Ausnahmevorschriften verboten worden sind. Indem Meyer den nicht verbotenen C. als den C. im technischen Sinne des Wortes ansieht, ist er genötigt, neben dieser Bedeutung des Wortes concubina noch eine weitere, bei nichtjuristischen Schriftstellern häufige = Kebsweib anzunehmen und folgeweise Stellen, die man allgemein auf den C. bezieht, wie namentlich Hist. Aug. Aurel. 49 anders zu deuten, als der Wortlaut es nahelegt (Meyer 30, 59). Auch die Benennung des C. mit einem gesetzlichen Namen ist kein Begriffsmerkmal; denn diese Eigentümlichkeit teilt der C. mit allen durch Gesetz geregelten Rechtsbegriffen. Allerdings ist die gesetzliche Benennung des C. als eines Ausnahmefalles der Strafbestimmungen, die Augustus gegen das stuprum erliess, bezeugt Dig. XXV 7, 3, 1 quia per leges nomen assumpsit, extra legis poenam est. Der Gesetzgeber hat aber den Ausdruck C. nicht geschaffen, sondern ihm nur eine feste Bedeutung aufgeprägt, namentlich seine Beziehung auf dauernde Verhältnisse gesichert. Im übrigen findet sich dieser Ausdruck schon früher, namentlich bei Plautus (die einzelnen Stellen s. bei Costa II diritto privato Romano nelle commedie di Plauto, Torino 1890, 183ff.). Es wird angenommen (Meyer a. a. O. 16), dass Plautus dabei griechische Vorbilder vor Augen gehabt habe. Es kommt aber auch hier in Betracht, dass Plautus weit mehr als Terentius die in den griechischen Vorbildern enthaltenen Rechtsbegriffe zu romanisieren und dadurch zu popularisieren sucht (eine Behauptung, die hier nicht näher ausgeführt werden kann). Der Ausdruck concubina war wohl zunächst im wesentlichen gleichbedeutend mit paelex, Fest. ep. p. 222 s. paelices. Gell. IV 3. Dieser Ausdruck, der von hebraeischem Stamme ist (Meyer a. a. O. 8. Kübler Ztschr. d. Savignystiftung XVII 358) und auf phoinikische Einflüsse hindeutet, erlangte – vielleicht, wie Meyer 10 annimmt, am Ende der Republik – die besondere Bedeutung der Beischläferin eines Verheirateten, Dig. L 16, 144.

Dass der C. sich nur auf dauernde Verhältnisse bezieht, hat Meyer mit Recht gegen Gide a. a. O. betont (so auch schon R. Leonhard in der Anzeige der Gideschen Schrift, Krit. Vierteljahrsschrift XXIII 347). Meyer geht aber wohl darin zu weit und nähert sich wieder der älteren, neuerdings meist verworfenen Auffassung, die in dem C. schon für die frühere Kaiserzeit eine unvollkommene Ehe sah (vgl. Gide 5, 1. Leonhard a. a. O. 346), indem er behauptet, dass an der Stellung der concubina keinerlei Mißachtung gehaftet, ja sogar, dass der Kaiser den C. geradezu der Missachtung entrückt habe (Meyer a. a. O. 28. 92). Damit verträgt sich sehr schlecht die völlige, auch von Meyer anerkannte privatrechtliche Wirkungslosigkeit des C. und die Pflicht der unbescholtenen Römerin, die zur Stellung einer concubina hinabsteigen wollte, sich selbst durch eine öffentliche Bekanntmachung ihrer Absicht an den Pranger zu stellen, Dig. XXV 7, 3 pr.; vgl. auch Dig. XXXII 49, 4. Dig. XXV 7, 5: Concubinam ex ea provincia, in qua quis aliquid administrat, habere potest, worin eine Geringschätzung des voraussichtlichen Einflusses der concubina auf ihren Lebensgefährten liegt. [837] Dig. XXXIII 2, 24 und 41, 1. Überhaupt fasst Meyer die Lage der von ihrem Patrone geheirateten Freigelassenen, die an ihren Gatten gebunden war, viel zu günstig auf (so richtig B. Kübler Ztschr. d. Savignystiftung, Rom. Abt. XVII 361). Ihre Sonderstellung ist nichts als ein Überrest der früheren Sclaverei der liberta (Leonhard a. a. O. 346; vgl. auch Dig. XXXIV 9, 16, 1) und darum nichts weniger als eine bevorzugte. Der Ausspruch Ulpians Dig. XXV 7, 1 pr. cum honestius sit patrono libertam concubinam quam matrem familias habere war wohl schwerlich etwas anderes als ein Ausdruck des Selbstbewusstseins der angeseheneren Stände, die für ein Mädchen niederer Herkunft einen bescheideneren, aber in sittlicher Hinsicht bedenklichen Platz für angemessener hielten als eine sittlich vollwertige Stellung (vgl. hierzu auch Bernhöft Ztschr. f. vgl. R.-W. VIII 198). Allerdings war die Freigelassene als Concubine (nicht als Gattin) des patronus bevorzugt. Dig. XLVIII 5, 14 (13): matronae nomen non amisit, dafür war ihr aber das Recht zum C. mit andern, als dem patronus genommen. Dig. XXXIII 2, 41, 1. XXV 7, 1 pr.

Immerhin ist es jedenfalls richtig, dass, wie Meyer hervorhebt, Augustus mit der Straflosigkeit des C. den besondern Zweck verfolgt hat, den am Heiraten Verhinderten im C. einen Ersatz für die von ihm eingeführten Beschränkungen der Ehebündnisse (vgl. Jörs Die Ehegesetze des Augustus 1894, 21ff.) zu bieten, wobei er zunächst an die Beschränkungen der Männer dachte (Dig. XXV 7, 3 pr. verglichen mit Ulp. XIII 1), während die spätere Entwicklung auch Frauen berücksichtigte, weil die Ehe der patrona mit dem libertus von Septimius Severus verboten wurde. Dig. XXIII 2, 62, 1. Cod. V 4, 3. Meyer a. a. O. 64ff.

Von besonderer Bedeutung war der C. für den Soldatenstand, weil für einen grossen Teil des Heeres in den ersten Jahrhunderten der Kaiserzeit die Ehe verboten war (vgl. Seeck Geschichte des Untergangs der antiken Welt, Berlin 1895 I 253ff. 391f. 535 und dazu Meyer a. a. O. 169ff.). Darum bedurfte es einer besonderen Rücksicht auf diese Verhältnisse, namentlich für die Kinder ex castris; vgl. hierüber die sehr eingehende, durch Rücksicht auf die Militärdiplome und auf Inschriften belegten Ausführungen Meyers a. a. O. 93ff.

Zweifelhaft ist die Rechtslage der focaria, Cod. V 16, 2. Mommsen CIL III p. 1212 und 1215 sieht in ihr die Soldatenconcubine. Dagegen Meyer a. a. O. 97ff., der in ihr ein Kebsweib niederen Ranges erblickt (vgl. dagegen Kübler Ztschr. der Savignystiftung, Rom. Abt. XVII 362. 364, der auf Dig. XXXIV 9, 14 hinweist, wonach eine stupro cognita ohne Erbrecht war, während eine focaria in der oben angeführten Inschrift als heres auftritt). Überhaupt folgt daraus, dass die focaria in der Unfähigkeit, Schenkungen entgegenzunehmen, einer Gattin ähnlicher war, als die gewöhnliche concubina, wohl schwerlich, dass sie unter einer solchen gestanden hat.

Einen tiefgreifenden Einfluss übte das Christentum auf die Lage der Concubinenkinder aus, die im neuesten römischen Rechte den Namen liberi [838] naturales haben. Meyers Ausführung a. a. O. 39, dass dieser Ausdruck ursprünglich einen weiteren Sinn gehabt habe, hängt vielleicht mit seiner oben erwähnten engen Begrenzung des Begriffes concubina zusammen. Ein technisches Gepräge erhielt der Ausdruck liberi naturales aber allerdings erst durch Theodosius und Valentinian, Cod. Theod. IV 6, 7: Naturalium nomen sancimus imponi iis, quos sine honesta celebratione matrimonii procreatos legitima coniunctio fuderit in lucem. Das ältere Recht hatte die Kinder einer concubina von andern unehelichen Kindern nicht unterschieden, Gai. I 64. Dig. I 5, 19. Das Christentum dagegen verfolgte zwei Hauptbestrebungen, welche bei der Behandlung des C. in einen Widerstreit geraten mussten. Der Kampf der christlichen Kirche um Hebung der geschlechtlichen Sittlichkeit musste zu einer Missbilligung des C. und einer Missgunst gegen die Kinder eines solchen Bundes hinführen (Anschauungen, welche schon den stoischen Philosophen nicht fremd waren; vgl. Gide a. a. O. 27), während andererseits die christliche Fürsorge für die Armen und Schwachen eine Verbesserung der Lage der Concubinenkinder nahe legte. Aus diesen entgegengesetzten Strömungen entstand eine eigenartige Entwicklung des spätrömischen Rechts, in der sich Gunst und Ungunst gegenüber den liberi naturales vermischten, dargestellt von Meyer a. a. O. 128ff. Sie endete schliesslich in Iustinians Rechtsbüchern mit Verbesserungen der Lage der liberi naturales, die neben erbrechtlichen Beschränkungen (Cod. Theod. IV 6, 6. Cod. Iust. V 27, 2) standen und namentlich den liberi naturales mehrere Wege zu den Rechten ehelicher Kinder eröffneten, auch Ernährungsansprüche und Erbrechte zuwiesen. Inst. I 10, 13. Cod. V 27, nov. 18. 74. 89; vgl. auch S. Mayer Das Intestaterbrecht der liberi naturales nach dem heut. röm. R. 1838, 11ff. Im späteren byzantinischen Reiche liess die Kirche von der Missbilligung des C. nicht ab, bis Leo Philosophus ihn verbot. Nov. 91 Imp. Leonis. Basil. LX 37, 83.

Litteratur vgl. die bei Meyer Der römische Concubinat nach den Rechtsquellen und den Inschriften, Leipzig 1895, 1ff. Genannten und ausserdem Birnbaum zu Fr. Creuzer Abriss der römischen Antiquitäten², Leipzig 1829, 484. Burchardi Lehrbuch des röm. R.², Stuttgart 1854, 281ff. Schulin Lehrb. d. Gesch. d. röm. Rechts 237ff. Mommsen St.-R. III 430, 3. P. Meyer Die ägypt. Urkunden u. d. Eherecht d. röm. Soldaten, Ztschr. d. Savignystiftung XVIII 44ff. R. Leonhard Krit. Vierteljahrsschrift XXIII 345ff.; Institutionen 207ff. J. Merkel über die Schrift Meyers in den Göttinger gelehrten Anzeigen 1896, 852ff., woselbst 852, 1 die neuere französische Litteratur angegeben ist.